Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg
Urteil vom 17.10.1997
- GR 3/97
-

 (weitere Fundstellen: VBlBW 1998, 55)

 

Leitsätze:

1.

Jeder Verfahrensbeteiligte ist für seine Prozeßfähigkeit beweispflichtig. Bei begründeten Zweifeln kann der Staatsgerichtshof die Beibringung eines amtsärztlichen Zeugnisses durch Beschluß anordnen.

2.

Verbleibende Zweifel (etwa infolge Nichtbeibringung) gehen zu Lasten des betreffenden Beteiligten. Er muß dann für den vorliegenden Rechtsstreit während der ganzen Dauer des Verfahrens als prozeßunfähig gelten (wie BGHZ 18, 1284).

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Antragsteller hat aus dem Psychiatrischen Landeskrankenhaus mit Schriftsatz vom 18.5. 1997 den Staatsgerichtshof angerufen. Er bezeichnete sich darin als "Staatsoberhaupt" des Staates United Kingdom Cosmos World und bringt vor, die Gerichtsbarkeiten des Landes Baden-Württemberg hätten die Verfassung seit Monaten dadurch verletzt, daß ihm als Staatsoberhaupt unter Mißachtung der Rechtsschutzansprüche aus dem Grundgesetz und dem Gerichtsverfassungsgesetz rechtwidrig durch Rechtsbeugungspraktiken Zwangshaft auferlegt worden sei. Er begehre die Feststellung dieses Verfassungsbruches und die Gewährung sofortigen Rechtsschutzes sowie die Beiordnung eines Rechtsanwaltes. Formulierte Anträge stellte der Antragsteller nicht.

2.

Auf Anfrage des Staatsgerichtshofs teilte das Auswärtige Amt mit, daß der Antragsteller sich bereits mehrfach an den Bundesminister des Auswärtigen gewandt und diesem mitgeteilt habe, er habe den "State of the United Kingdom Cosmos World - State Founder Hrh. ..." ab dem 11.7.1996 ausgerufen, dessen Staatsgebiet "das uneingeschränkte Universum dieser Welt" umfasse.

3.

Mit Beschluß vom 20.6.1997 gab der Staatsgerichtshof dem Antragsteller auf, bis zum 31.7.1997 seine volle Prozeßfähigkeit durch die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses nachzuweisen. Der Antragsteller äußerte sich nicht.

 

Aus den Gründen:

4.

Der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens war als unzulässig zu verwerfen. Dem Antragsteller fehlt zumindest für dieses Verfahren die Prozeßfähigkeit. Denn der Antragsteller hat die begründeten Zweifel an seiner Prozeßfähigkeit nicht ausgeräumt, was zu Lasten des Antragstellers geht (vgl. Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 56, Anm. A III b 3).

5.

Auch für die gerichtlichen Verfahren vor dem Staatsgerichtshof gilt als Prozeßvoraussetzung die Prozeßfähigkeit der natürlichen Personen, während es für Organe und Organteile auf die Antragsberechtigung ankommt, die von der Verfassung oder dem Gesetz über den Staatsgerichtshof gewährt wird. Es ist nicht einzusehen, warum nicht, ebenso wie in anderen gerichtlichen Verfahren, auch in Verfahren vor dem Staatsgerichtshof die Prozeßfähigkeit natürlicher Beteiligter in diesen Fällen Zulässigkeitsvoraussetzung sein sollte.

6.

Das Verhalten und das mehrfache Vorbringen des Antragstellers gegenüber dem Staatsgerichtshof auf dem Hintergrund seiner Äußerungen gegenüber dem Auswärtigen Amt rechtfertigen ernsthafte Zweifel an der Prozeßfähigkeit des Antragstellers. Seit mindestens einem Jahr beharrt er auf der Vorstellung von der Existenz eines Staates "United Kingdom Cosmos World", den es nach der amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht gibt und den es nach der geschichtlichen und politischen Erfahrung mit dem Staatsgebiet "uneingeschränktes Universum" aufgrund "Okkupation des gesamten Universums" nicht geben kann. Sich selbst als das Staatsoberhaupt dieses "United Kingdom" zu bezeichnen, erlaubt auch dem medizinischen Laien den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer schizophrenen Psychose mit ausgeprägten Wahnvorstellungen, die beim Antragsteller zumindest in Angelegenheiten im Zusammenhang mit seiner wahnhaft angenommenen Stellung in diesem wahnhaft angenommenen Staat auf eine die freie Willensbestimmung ausschließende krankhafte Störung der Geistestätigkeit schließen lassen. Dazu kommen die mit keinen konkreten Angaben verbundenen Behauptungen eines Bruchs der Verfassung, der "Ausgrenzung" und "Auferlegung von Zwangshaft per Rechtsbeugung". Schließlich ist in diesem Zusammenhang die Unbelehrbarkeit und Uneinsichtigkeit bei der gerichtlichen Verfolgung angenommener Rechtspositionen als Staatsoberhaupt in Verfahren vor dem Staatsgerichtshof hervorzuheben, über deren Unzulässigkeit mangels Statthaftigkeit der Antragsteller bereits im Verfahren GR 2/96 belehrt worden war. Diese zumindest bestehende Ungewißheit über die Frage der Prozeßfähigkeit infolge geistiger Erkrankung konnte nicht beseitig werden, da der Antragsteller das zur Klärung verlangte amtsärztliche Zeugnis nicht beigebracht hat. Dies gehr zu Lasten des eine Sachentscheidung anstrebenden Antragstellers (vgl. Wieczorek a. a. O. und BGHZ 18,184 m. w. Nachw.). Läßt sich nicht feststellen, ob ein Beteiligter prozeßfähig ist, so muß er als prozeßunfähig angesehen werden (Thomas-Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 53 Rdnr. 8), denn jeder Beteiligte ist im Zweifel für seine Prozeßfähigkeit beweispflichtig (Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 63 Rdnr. 1).

7.

Der Staatsgerichtshof sag keinen Anlaß, dem Antragsteller seinen besonderen Vertreter entsprechend dem Gedanken in § 57 ZPO beizuordnen. Die hier gegebene Prozeßlage ist nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen das BVerwG eine solche Beiordnung für erforderlich hält, weil es um Akte der Eingriffsverwaltung geht (BVerwG Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 14 m. w. Nachw.). Der Antragsteller hatte in diesem Verfahren auch ausreichend Gelegenheit, zur Frage seiner Prozeßfähigkeit Stellung zu nehmen und Beweismittel herbeizuschaffen, so daß dem Anspruch auf rechtliches Gehör genügt wurde.