(weitere Fundstellen: SKZ 1995, 42 f.)
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Leitsatz: |
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Einem Bürgermeister, der einen Gemeinderatsbeschluß beanstandet und - nach dessen Bestätigung durch den Rat der Kommunalaufsichtsbehörde zur Entscheidung vorgelegt hat, steht kein eigenes Widerspruchs- bzw. Klagerecht gegen die ein Tätigwerden ablehnende kommunalaufsichtliche Entscheidung zu. |
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Zum Sachverhalt: |
1. |
Der Kläger hatte in seiner Eigenschaft als Bürgermeister einem Gemeinderatsbeschluß wegen einer nach seiner Auffassung vorliegenden Nichtbeachtung des Mitwirkungsverbots für Ratsmitglieder bei Interessenwiderstreit (§ 27 KSVG) widersprochen und den Beschluß später der Kommunalaufsichtsbehörde zur Entscheidung vorgelegt. Sie hatte ein Tätigwerden abgelehnt. Der gegen diese Entscheidung vom Kläger eingelegte Widerspruch war von der Obersten Kommunalaufsichtsbehörde als unzulässig zurückgewiesen worden. |
2. |
Die - isoliert - gegen diesen Widerspruchsbescheid erhobene Klage, mit der der Kläger ein eigenes Widerspruchs- bzw. Klagerecht gegen die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde in dieser Konstellation geltend machte, blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg. |
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Aus den Gründen: |
3. |
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter (§§ 125 Abs. 1, 87 a Abs. 2, 3 und 101 Abs. 2 VwGO). |
4. |
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen und insoweit zutreffend eine Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) des Klägers verneint. |
5. |
Eine Klagebefugnis ist allgemein gegeben, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist (vgl. z. B. BVerwG, Beschluß vom 21. 1. 1993 - 4 B 206.92 = BayVBl. 1994, 90). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Eine Verletzung eigener Rechte des Klägers durch den isoliert angegriffenen Widerspruchsbescheid des Beklagten ist nicht möglich. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der mit dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Widerspruch des Klägers angefochtene Bescheid des Landrates in Merzig vom 27. 1. 1993 eigene Rechtspositionen des Klägers als Bürgermeister offensichtlich nicht berührt, ohne daß es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit dieser Entscheidung ankäme. |
6. |
Rechte oder auf seiner organschaftlichen Stellung beruhende Befugnisse des Klägers, in die diese kommunalaufsichtsbehördliche Entscheidung eingreifen könnte, sind nicht ersichtlich. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus § 60 Abs. 1 KSVG, der den Bürgermeister verpflichtet, rechtswidrigen Beschlüssen des Gemeinderates unverzüglich zu widersprechen und, sofern der Rat wie hier geschehen - seinen Beschluß aufrecht erhält, die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde einzuholen. |
7. |
Wie die Kommunalaufsicht insgesamt, so dient auch die auf eine Legalitätskontrolle beschränkte Widerspruchspflicht des Bürgermeisters nach § 60 Abs. 1 Satz 1 KSVG ausschließlich dem Wohle der Gemeinde und der Wahrung der staatlichen Ordnung der Gemeinden im Interesse der Allgemeinheit (vgl. z. B. OVG Münster, Beschluß vom 17. 4. 1975 - III B 1103/74 - zur Beanstandungspflicht des Gemeindedirektors nach § 39 Abs. 2 GONW). Der Bürgermeister wird hier nicht als Organ der Gemeinde, sondern als Hilfsorgan der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörde tätig. Er wirkt als solches an der Aufsichtsmaßnahme mit, ohne daß indes die ihm insoweit eingeräumte Befugnis und Pflicht zum Widerspruch und - gegebenenfalls - zur Vorlage (§ 60 Abs. 1 KSVG) selbständige, dem verwaltungsgerichtlichen Schutz unterliegende Rechte begründen könnten, welche durch eine negative Entscheidung der Aufsichtsbehörde tangiert würden. Träger des kommunalen Selbstverwaltungsrechts, in das die Aufsichtsbehörde mit ihrer Entscheidung eingreifen könnte, und damit insoweit gegebenenfalls allein klagebefugt im Sinne § 42 Abs. 2 VwGO ist die Gemeinde. Dem trägt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die Bestimmung des § 136 KSVG über die Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Kommunalaufsichtsbehörde Rechnung. Daß die Gemeinde - worauf der Kläger in diesem Zusammenhang hinweist - im Rahmen des K1ageverfahrens durch den Bürgermeister vertreten wird (§ 59 Abs. 1 KSVG), ist etwas völlig anderes. Der Bürgermeister bleibt dabei immer nur gesetzlicher Vertreter der Gemeinde und wird nie selbst Beteiligter des Klageverfahrens. |
8. |
Der Landesgesetzgeber hat im übrigen in den die Entscheidungen der Kommunalaufsicht betreffenden §§ 127 ff. KSVG auch die Vorlage durch den Bürgermeister ausdrücklich angesprochen (vgl. § 131 Abs. 2 KSVG), indes ganz offensichtlich keine Veranlassung gesehen, dem Bürgermeister in Fällen vorliegender Art in Ausnutzung der durch § 42 Abs. 2 VwGO eröffneten Befugnis eine Möglichkeit zur Klageerhebung - ausnahmsweise - unabhängig von einer eigenen rechtlichen Betroffenheit einzuräumen. |
9. |
Nichts anderes ergibt sich, wenn man davon ausgehen wollte, daß es auch gesetzgeberisches Anliegen des § 60 Abs. 1 KSVG ist, dem Bürgermeister - was im konkreten Falle negativer Beschlußfassung im übrigen ohnedies nicht in Rede steht - nicht zuzumuten, von ihm als rechtswidrig angesehene Beschlüsse des Gemeinderates ausführen zu müssen (§ 59 Abs. 2 Satz 2 KSVG, so: Lehné in seiner Kommentierung des saarländischen Kommunalrechts Loseblatt, 2. Aufl., Stand: März 1994, KSVG § 60 Anm. 1). Diesem Ziel hat der saarländische Landesgesetzgeber erkennbar allein durch die Normierung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Bürgermeisters gegen den beanstandeten Gemeinderatsbeschluß wie auch seiner Vorlage an die Kommunalaufsichtsbehörde Rechnung getragen (§ 60 Abs. 3 KSVG). Teilt diese die Auffassung des Bürgermeisters nicht, so hat dieser keine rechtlichen Möglichkeiten mehr, insbesondere kein Klagerecht. In diesen Fällen liegt die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses nach der Gesetzeslage - außer beim Gemeinderat selbst - allein bei der Aufsichtsbehörde. Deren Entscheidung hat der Bürgermeister - ungeachtet möglicherweise eigener abweichender Auffassungen - hinzunehmen. Mit der Zurückweisung der Vorlage entfällt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Ratsbeschluß; das kommunalaufsichtsbehördliche Beanstandungsverfahren ist abgeschlossen (vgl. z. B. Kottenberg-Rehn, GONW Loseblatt, 15. EL, August 1992, Anm. III. 2. zu § 39 GONW). Diese Rechtsauffassung wird im übrigen in Rechtsprechung und Literatur auch zu vergleichbaren Bestimmungen in den Gemeindeordnungen anderer Bundesländer - soweit ersichtlich einhellig - geteilt (wie hier: Lehné a. a. O., § 60 Anm. 3; Körner GONW, 5. Aufl. 1990, Erläuterung 5 zu § 39; Thiele, NdsGO, 3. Aufl. 1992, Anm. 4 zu § 65; OVG Koblenz, Urteil vom 4. 7. 1960 - 1 C 3/60 und 1 C 9/60 = AS 8, 78 [80 ff.], zu § 39 Satz 1 GORhPf a. F.; VG Koblenz vom 22. 7. 1977 - 2 K 138/76 = Kottenberg/Rehn/von Mutius, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht, Band V, GONW §§ 39 Nr. 6, zu § 42 GORhPf; OVG Münster Urteil vom 22. 2. 1956 - III A 838/55 = OVGE 10, 314 [315] und Urteil vom 29. 3. 1967 - III A 1084/63 = OVGE 23, 124 [128], VG Saarlouis, Urteil vom 23. 11. 1987 - 1 K 221/87 = NVwZ 1988, 864). |
10. |
Die Berufung wird daher zurückgewiesen. |