Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 16.02.1983
- 4 A 871/82
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 (weitere Fundstellen: NJW 1983, 2209 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Kl. wendet sich gegen das Verbot des Betriebs einer Autowaschanlage an Sonn- und Feiertagen. Seiner Klage blieb der Erfolg versagt

 

Aus den Gründen:

2.

Ermächtigungsgrundlage für das Verbot des Betriebs der Autowaschanlage des Kl. an Sonn- und Feiertagen sind die §§ 14, 17, 18 NRWOBG i. V. mit §§ 3, 11 I Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Sonn- und Feiertage (NRW FeiertagsG). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften für ein Eingreifen zur Beseitigung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit sind erfüllt. Der Betrieb der Autowaschanlage des Kl. an Sonn- und Feiertagen verstößt gegen das Verbot der Sonntagsarbeit des § 3 NRWFeiertagsG. Eine der in § 4 NRWFeiertagsG geregelten Ausnahmen vom Arbeitsverbot liegt nicht vor.

3.

Nach § 3 NRWFeiertagsG sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, soweit sie nicht besonders erlaubt sind. Durch den Betrieb der Autowaschanlage werden Arbeiten i. S. des § 3 S. 1 NRWFeiertagsG ausgeführt. Dem steht nicht entgegen, daß die Autowaschanlage, vom Ingangsetzen und der Bezahlung abgesehen, vollautomatisch funktioniert. Arbeiten sind alle Tätigkeiten, die nach der Verkehrsauffassung nicht ausschließlich der Muße, dem Vergnügen oder ganz allgemein der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind. Welche Hilfsmittel dabei verwendet werden, und ob es sich um eine Tätigkeit handelt, die mit besonderen körperlichen verbunden ist, ist unerheblich.

4.

Schon nach dem Wortlaut des § 3 S. 1 NRWFeiertagsG kommt es für das Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen nicht unbedingt darauf an, daß eine Person arbeitet. Verboten ist nicht "das Arbeiten", sondern sind "die Arbeiten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören". Diese Wortwahl zielt nicht auf die Person, die tätig ist, sondern auf den Gegenstand der Tätigkeit. Zu fragen ist deshalb nicht, ob der Besitzer einer automatischen Anlage arbeitet, obwohl auch dies selbstverständlich den Arbeitsbegriff des § 3 NRWFeiertagsG erfüllen würde, sondern ob das, was der Automat erledigen soll, herkömmlicherweise als "eine Arbeit" bewertet wird.

5.

Für eine Ausdehnung des Arbeitsbegriffs des nordrhein-westfälischen Feiertagsgesetzes auf den Betrieb automatischer Anlagen spricht weiter, daß Automaten zwar die menschliche Arbeitskraft weitgehend ersetzen können, ein völliger Wegfall menschlicher Tätigkeit jedoch nicht erreichbar ist. Denn die Verantwortung für den Einsatz und die Überwachung der Maschine liegt beim Menschen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsperson nicht stetig gegenwärtig ist, wenn die Maschine läuft. Es genügt die latente Verantwortlichkeit des Besitzers der Maschine, der ihren Betrieb eröffnet und damit bewirkt, daß auch an Sonn- und Feiertagen der Betreiber der Anlage oder sein Hilfspersonal sich bereit halten muß, um die selbst bei zuverlässig arbeitenden Maschinen nicht auszuschließenden Störungen zu beheben (vgl. OLG Oldenburg, NJW 1972, 696; BayObLG, NJW 1968, 762; OLG Hamm, Beschl. v. 26. 2. 1982 - 4 Ss OWi 2178/81). Allein die Einbeziehung automatisierter Betriebsvorgänge in den Schutzbereich des § 3 S. 1 NRWFeiertagsG wird der näheren Charakterisierung der verbotenen Arbeit als einer solchen, die geeignet ist, die äußere Ruhe des Sonn- oder Feiertags zu stören, gerecht. Betriebsamkeit und Lärm des Werktages, die mit der generellen Sonntagsruhe unvereinbar sind, können durch maschinelle Arbeitsabläufe in gleicher Weise verursacht werden, wie durch menschliche Arbeit. Durch die Herausnahme automatisierter Arbeitsabläufe aus dem gesetzlichen Feiertagsschutz würde dieser mit der zunehmenden Automatisierung der Arbeitswelt gegenstandlos. Daß der Gesetzgeber automatisierte Betriebsvorgänge als Arbeiten einstuft, ergibt sich mittelbar aus § 4 Nr. 2 NRWFeiertagsG. In dieser Vorschrift wird der Betrieb insbesondere der den Bedürfnissen des Verkehrs dienenden Tankstellen als Arbeit eingestuft, obwohl die Leistungen von Tankstellen einschließlich der Registratur des Kaufpreises ähnlich wie bei der Autowaschanlage des Kl., mit Ausnahme der Bezahlung, weithin vollautomatisch im Selbstbedienungsverfahren erbracht wird.

6.

Nach diesen Grundsätzen ist der gewerbliche Betrieb einer automatischen Waschanlage als Arbeit zu qualifizieren. Der Gegenstand der Tätigkeit, das gewerbliche Waschen von Kraftfahrzeugen, wird nach Herkommen und Verkehrsauffassung der Arbeitswelt zugeordnet. Die automatische Waschanlage ersetzt einen Arbeitsvorgang, der früher von Hand durch menschliche Arbeitskraft zu verrichten war. Darauf, inwieweit der Betrieb einer derartigen Anlage auch heute im einzelnen noch erheblichen körperlichen Arbeitseinsatz verlangt, kommt es nicht an.

7.

Der Betrieb der automatischen Waschanlage des Kl. ist geeignet, die äußere Ruhe des Sonn- oder Feiertages zu stören. Mit dem Zustand der äußeren Ruhe bezeichnet das Gesetz nicht lediglich eine Dämpfung des Alltagslärms, sondern eine im öffentlichen Leben spürbare Unterbrechung des werktäglichen Arbeitsprozesses. § 3 NRWFeiertagsG soll den Konkurrenzdruck der Arbeitswelt aufheben und gewährleisten, daß der Bürger unbelastet von der Hektik und den Anstrengungen des Alltags seine Freizeit genießen, seine Liebhabereien verfolgen und seine seelischen, insbesondere religiösen Bedürfnisse befriedigen kann (vgl. OLG Oldenburg, NJW 1972, 696; OLG Hamm, BB 1963, 1096; OLG Hamm, Beschl. v. 26. 2. 1982 - 4 Ss OWi 2178/81; Dirksen, Feiertagsrecht, Göttinger rechtswissenschaftliche Studien 39 (1961), S. 99).

8.

Aus dem durch das Gesetz angestrebten Ziel der so beschriebenen äußeren Arbeitsruhe folgt, welche Art Arbeit geeignet ist, die Sonntagsruhe zu stören. Geeignet zur Störung der Arbeitsruhe ist grundsätzlich jede Arbeit, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach üblicherweise an Werktagen stattfindet, insbesondere weil sie dem werktäglichen Gelderwerb zuzurechnen ist. Denn jede Art werktäglichen Tätigseins, das sich in der Öffentlichkeit abspielt, kann den äußeren Eindruck, die Arbeitsruhe allgemein, zerstören und bringt die Gefahr mit sich, daß die Bereitschaft anderer, insbesondere wirtschaftlicher Konkurrenten, sinkt, dem Bedürfnis nach sonntäglicher Ruhe nachzugeben. Das Verhalten des Kl. selbst bietet dafür ein Beispiel, denn der Kl. fühlt sich nicht zuletzt durch den geduldeten sonntäglichen Betrieb anderer Autowaschanlagen in den Nachbarorten genötigt, seinerseits die Möglichkeit zum Wagenwaschen am Sonntag zu bieten. Da das Gesetz lediglich die Eignung der Arbeiten verlangt, die äußere Ruhe des Sonn- oder Feiertags zu stören, kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall der Eintritt einer Störung ausbleibt, weil niemand Notiz von der Durchführung der Arbeit nimmt, oder die Öffentlichkeit konkret in ihrer Sonntagsruhe nicht gestört wird. Die Eignung zur Störung der Sonntagsruhe bezeichnet keine konkrete, sondern eine potentielle Gefahr der Arbeit "an sich". Das entspricht dem Zweck des Feiertagsgesetzes. § 3 S. 1 NRWFeiertagsG konkretisiert Art. 140 GG i. V. mit Art. 139 WRV. Nach diesen Vorschriften sind der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich zu schützen. Der gesetzliche Schutz von Sonn- und Feiertagen reicht danach über die Möglichkeiten des Eingriffs aufgrund der Polizei- und Ordnungsgesetze zur Bekämpfung konkreter Gefahren im Einzelfall hinaus. Er enthält die Garantie, daß die unmittelbar durch die Verfassung festgelegte besondere Zweckbestimmung dieser Tage nicht durch Tätigkeiten beeinträchtigt wird, die mit dieser Bestimmung unvereinbar sind, weil sie ihrem Wesen nach zum Alltag gehören (vgl. BVerwG, GewArch 1982, 20).

9.

Die Arbeiten der automatischen Waschanlage auf dem Betriebsgrundstück des Kl. sind öffentlich bemerkbar. Öffentlich bemerkbar sind alle Arbeiten, die die Aufmerksamkeit einer unbestimmten Anzahl von Menschen erregen können. Die akustische Wahrnehmbarkeit der Arbeit ist für sich genommen kein notwendiges Erfordernis der Bemerkbarkeit. Dafür, daß kein Lärm erzeugt werden muß, läßt sich neben dem Wortlaut des § 3 S. 1 NRWFeiertagsG die Vorschrift des § 3 S. 2 NRWFeiertagsG anführen, die bei erlaubten Arbeiten nicht lediglich Geräusche, sondern auch sonstige Störungen untersagt. In diesem weiten Sinne kann der Betrieb des Wagenwaschautomaten des Kl. öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Den zufälligen Passanten der angrenzenden Straße wird nicht entgehen, daß sich die Rolltore der Anlage öffnen und schließen, Kraftfahrzeuge vor der Zufahrt zur Waschanlage warten und diese in sauberem Zustand wieder verlassen. Der erlaubte Betrieb des Betankens von Kraftfahrzeugen kann den Vorgang des Wagenwaschens nicht soweit überdecken, daß dieser überhaupt nicht mehr auffiele. Das ergibt sich schon aus der räumlichen Organisation auf dem Betriebsgelände des Kl. Tank- und Waschvorgang, insbesondere die Zufahrt zur Waschhalle, finden getrennt voneinander und im wesentlichen auf verschiedenen Seiten der Betriebsgebäude statt. Es kann zudem in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben, daß der Kl. ein werbendes Geschäft betreibt und ihm, sollte er an Sonn- und Feiertagen seine Waschanlage geöffnet halten, daran liegen wird, daß potentielle Kunden Notiz von diesem Umstand nehmen können.

10.

Die Ausnahmebestimmung des § 4 Nr. 2 NRWFeiertagsG greift zugunsten des Kl. nicht ein. Aus der Beschränkung der Instandsetzungsarbeiten an Verkehrsmitteln auf solchen Arbeiten, die für die Weiterfahrt eines Verkehrsmittels erforderlich sind, ist zu schließen, daß § 4 Nr. 2 NRWFeiertagsG lediglich solche Tätigkeiten erlaubt, die in direktem Zusammenhang mit den Bedürfnissen der Fortbewegung stehen. Daß die Autopflege in dem vom Kl. durchgeführten Umfange dazu nicht gehört, selbst wenn sie an einer Tankstelle stattfindet und nahezu jede Tankstelle über entsprechende Einrichtungen verfügt, liegt auf der Hand.

11.

Ein Verfassungsverstoß durch das nordrhein-westfälische Feiertagsgesetz oder die Ordnungsverfügung des Bekl. liegt nicht vor. Da das Durchführen von Arbeiten an Sonn- und Feiertagen mit der Zweckbestimmung dieser Tage als Tage der Arbeitsruhe unvereinbar ist, ist das Arbeitsverbot durch die Art. 140 GG, 139 WRV mit der Folge gedeckt, daß es weder Art. 12 I noch Art. 3 GG verletzt (vgl. BVerwG, GewArch 1982, 20).