Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Beschluß vom 11.2.1998
- 25 E 960/97 -(weitere Fundstellen: NVwZ-RR 1998, 595 ff.)
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Leitsätze: |
1. |
Sofern bereits für die Einlegung der zulassungsfreien Beschwerde der in § 67 I VwGO geregelte Vertretungszwang zu beachten ist, ist die Rechtsmittelbelehrung, gegen den Beschluß könne beim Verwaltungsgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, irreführend und geeignet, die Einlegung der Beschwerde zu erschweren, mit der Folge, daß die Jahresfrist des § 58 II 1 VwGO gilt. |
2. |
Für eine Streitigkeit über die Rechtmäßigkeit eines öffentlichrechtlichen Hausverbots, das ein in § 51 I SGG genannter Verwaltungsträger erläßt, ist stets der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. |
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Sachverhalt |
1. |
Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Bei mehreren Vorsprachen im Arbeitsamt störte er massiv den Dienstbetrieb. Die Behördenleitung verhängte daraufhin gegen ihn ein zeitlich befristetes Hausverbot und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Der Antragsteller beantragte beim VG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Das VG verneinte die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges und verwies nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit an das Sozialgericht. Die gegen die Rechtswegverweisung eingelegte Beschwerde der Bundesanstalt für Arbeit hatte Erfolg. |
Aus den Gründen: |
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2. |
Die Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung des VG gemäß § 173 VwGO i.V.m. 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 146 ff. VwGO ist zulässig und begründet. |
3. |
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, daß die beim VG am 6.10.1997 eingegangene Beschwerdeschrift, die ein Beamter der Antragsgegnerin mit der Befähigung zum Richteramt erarbeitet hatte, nicht von ihm oder einer anderen nach § 67 Abs. 1 Satz 1 bis 3 VwGO postulationsfähigen Person unterzeichnet war. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für die Einlegung der zulassungsfreien Beschwerde der in § 67 Abs. 1 Satz 1 bis 3 VwGO geregelte Vertretungszwang eingreift,
und ob ferner der am 9.10.1997 bei Gericht eingegangene, nunmehr von einem Beamten mit der Befähigung zum Richteramt unterzeichnete Schriftsatz der Antragsgegnerin gegebenenfalls einen Mangel fehlender Postulationsfähigkeit durch nachträgliche Genehmigung der bisherigen Prozeßführung geheilt hat.
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4. |
Denn selbst wenn bereits für die Einlegung der zulassungsfreien Beschwerde beim VG Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 Satz 1 bis 3 VwGO bestehen sollte, wäre die am 17. 11.1997 - erneut - eingelegte Beschwerde, die den Anforderungen des § 67 Abs. 1 VwGO genügt, nicht verspätet erhoben worden. Ausgehend von diesem strengen Ansatz hinsichtlich des Vertretungszwanges wäre die Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts als irreführend und als geeignet zu qualifizieren, die Einlegung der Beschwerde zu erschweren. Unter solchen Umständen wird nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG eine Rechtsmittelfrist nicht gemäß § 58 Abs. 1 VwGO wirksam in Lauf gesetzt,
so daß die Antragsgegnerin auf jeden Fall rechtzeitig, nämlich innerhalb der dann geltenden Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Beschwerde eingelegt hätte. Das VG hat die Beteiligten darüber belehrt, daß die Beschwerde bei dem VG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden könne. Verlangt man bereits für die Einlegung der zulassungsfreien Beschwerde Vertretungszwang, so wäre die Belehrung bezüglich ihres die Form der Beschwerdeeinlegung betreffenden Zusatzes irreführend, weil sie den Eindruck erweckt, die Beschwerde könne auch ohne Inanspruchnahme einer nach § 67 Abs. 1 Satz 1 bis 3 VwGO postulationsfähigen Person eingelegt werden. Dies ergibt sich aus dem sowohl in der Verwaltungsgerichtsordnung als auch in der Zivilprozeßordnung geltenden Grundsatz, daß Klagen und Rechtsmittel zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nur erhoben bzw. eingelegt werden können, wenn anwaltliche Hilfe nicht vorgeschrieben ist. Demgemäß nimmt das BVerwG an, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß einer Rechtsmittelbelehrung mit dem unrichtigen Zusatz, das Rechtsmittel könne auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden, entnommen werde, das Rechtsmittel könne auch ohne Vertretung gemäß § 67 Abs. 1 VwGO zur Niederschrift eingelegt werden; eine derartige irreführende Belehrung setze deswegen die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf.
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5. |
Daß das VG bisher über diese am 17.11.1997 beim OVG eingegangene Beschwerde keine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat, hindert den Senat nicht an einer Entscheidung zur Sache. Dabei geht der Senat - anders als die Rechtsprechung des BSG, nach der bei Beschwerden gegen Beschlüsse über den Rechtsweg nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG die Abhilfe ausgeschlossen sein soll,
davon aus, daß die Regelung des § 148 Abs. 1 VwGO auch bei Beschwerden gegen Rechtswegverweisungen zu beachten ist. § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG eröffnet nämlich die Beschwerdemöglichkeit nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung, um Systembrüche innerhalb des jeweils einschlägigen Prozeßrechts zu vermeiden. Triftige Gründe, die jeweilige Verfahrensordnung nur teilweise zu übernehmen und für den Bereich des Verwaltungsprozesses auf die Abhilfemöglichkeit des VG nach § 148 Abs. 1 VwGO zu verzichten, sind nicht ersichtlich. Eine derartige Auslegung wäre weder mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung des § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG vereinbar.
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6. |
Die Beschwerde ist begründet. |
7. |
Die Voraussetzungen für eine grundsätzlich auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mögliche Rechtswegverweisung nach § 173 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG,
sind nicht gegeben. Im vorliegenden Fall ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
8. |
Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art liegt vor. Bei der Feststellung des öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Charakters eines von einem Träger öffentlicher Verwaltung erteilten Hausverbots ist darauf abzustellen, welche Rechtsnormen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot im Einzelfall prägen.
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9. |
Die Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall von einer öffentlich-rechtlichen Ermächtigung ausgegangen und hat sich, wie die Rechtsmittelbelehrung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung und der Widerspruchsbescheid belegen, der hoheitlichen Handlungsform des Verwaltungsaktes bedient, gegen den sich der Antragsteller nur auf dem Verwaltungsrechtsweg zur Wehr setzen kann.
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10. |
Abgesehen davon lag der Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens materiell öffentliches Recht zugrunde, weil der Antragsteller das Arbeitsamt wegen Leistungen nach dem AFG aufsuchte. |
11. |
Die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich einem anderem Gericht zugewiesen. Entsprechend ihrem Sinn und Zweck, im Interesse des Rechtsschutzsuchenden Zweifel darüber auszuschließen, welches Gericht anzurufen sei, verlangt die Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO eine ausdrückliche anderweitige Zuweisung der Streitigkeit an ein anderes Gericht. Nur eine als solche bezeichnete und erkennbare Sonderregelung soll die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ausschließen.
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12. |
An einer derartigen abdrängenden Sonderzuweisung fehlt es jedoch, soweit um die Rechtmäßigkeit eines öffentlich-rechtlichen Hausverbots gestritten wird. Entgegen der Auffassung des VG ist für eine solche Streitigkeit der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach der insoweit allein in Betracht kommenden Regelung des § 51 Abs. 1 SGG nicht eröffnet. Denn die Erteilung eines Hausverbots durch die Arbeitsverwaltung gehört weder zu den Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung noch zu den "übrigen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit" im Sinne dieser Vorschrift.
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13. |
Nach der Rechtsprechung des BSG,
sind mit den in § 51 Abs. 1 SGG genannten Sachgebieten nicht Streitigkeiten mit bestimmten Verwaltungen, sondern schlechthin öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Kriegsopferversorgung, aber auch nur diese gemeint. Ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit eine der genannten Angelegenheiten betrifft, richtet sich danach, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Kläger seinen Klageanspruch herleitet, seiner Natur nach einem dieser Rechtsgebiete zuzurechnen ist. Auch hinsichtlich der "übrigen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit" ist die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nach Rechtsgebieten und nicht danach, wer die Aufgabe wahrgenommen hat, gesetzlich bestimmt worden. § 51 Abs. 1 SGG unterwirft daher nicht jede öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Bundesanstalt der sozialgerichtlichen Kontrolle, sondern weist lediglich alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten der Rechtsgebiete, deren Vollzug der Bundesanstalt durch Gesetz, Rechtsverordnung, internationale Abkommen oder hierauf beruhender Vorschriften als Aufgabe obliegt, den Sozialgerichten zu.
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14. |
Gemessen an diesen Anforderungen fehlt es für Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit öffentlich-rechtlicher Hausverbote an der Eröffnung des Sozialrechtsweges. Ebensowenig, wie beamtenrechtliche Maßnahmen eines Sozialversicherungsträgers danach als Angelegenheit der Sozialversicherung zu qualifizieren wären,
oder ein sog. "grenzüberschreitendes" Amtshilfeersuchen dadurch zu einer Angelegenheit der Sozialversicherung würde, daß es von einem Sozialversicherungsträger ausgesprochen wird,
mutiert das öffentlich-rechtliche Hausrecht zu einer Angelegenheit im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG, weil es von einem der dort genannten Verwaltungsträger, hier der Bundesanstalt für Arbeit, geltend gemacht wird. Denn das Hausrecht findet seine materiellrechtliche Grundlage weder im Recht der Arbeitslosenversicherung noch in den sonstigen Rechtsgebieten, die der Bundesanstalt ausdrücklich durch Gesetz, Rechtsverordnung oder in sonstiger Weise zugewiesen worden sind. Hinzu kommt, daß die Grundsätze, die jeder Träger öffentlicher Verwaltung bei der Durchsetzung seines Hausrechts zu beachten hat, identisch sind, gleichgültig, ob die Rechtmäßigkeit der jeweils öffentlich-rechtlich geordneten Aufgabenerledigung im Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzrechtsweg überprüft werden kann. Der eher zufällige Umstand, daß im vorliegenden Fall einer der in § 51 Abs. 1 SGG aufgeführten Verwaltungsträger tätig geworden ist, tritt demgemäß so stark in den Hintergrund, daß er - unabhängig von den obigen Erwägungen - nicht geeignet ist, dem erteilten Hausverbot das Gepräge einer der in § 51 Abs. 1 SGG bezeichneten Angelegenheiten zu verleihen.
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