Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 18.6.1996
- 5 A 769/95 -
(weitere Fundstellen: NJW 1996, 3024 ff.)
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Leitsätze |
1. |
§ 45 Abs 4 StVO verdrängt als bundesrechtliche Spezialvorschrift die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen. Sie verbietet es der Straßenverkehrsbehörde indessen nicht, eine verkehrsregelnde Allgemeinverfügung, die durch Aufstellung von Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen an die Verkehrsteilnehmer bekanntgegeben werden soll, bestimmten betroffenen Straßenanliegern vorab nach § 41 Abs 1 S 1 VwVfG individuell bekanntzugeben. |
2. |
Trifft die Straßenverkehrsbehörde eine verkehrsregelnde Anordnung nach § 45 Abs 1 S 1 StVO, so hat sie die ihr bekannten oder erkennbaren Lärmschutzinteressen eines betroffenen Straßenanliegers nach den in der Rechtsprechung zu § 45 Abs 1 S 2 Nr 3 StVO entwickelten Maßstäben in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. |
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Tatbestand |
1. |
Die Kläger sind Eigentümer und Bewohner eines Hauses, das unweit der Einmündung einer Bundesstraße in eine andere Bundesstraße liegt. Sie hatten sich bereits in einem voraufgegangenen Verwaltungsprozeß erfolgreich gegen eine verkehrsregelnde Anordnung des Beklagten an die Straßenbaubehörde zur Wehr gesetzt, an der Einmündung eine Lichtzeichenanlage zu installieren. Gegen die nach rechtskräftiger Aufhebung durch das VG mit anderer Begründung neu erlassene Anordnung, die der Beklagte ihnen vorab bekanntgab, richtet sich ihre erneute Klage, die in der ersten Instanz erfolglos blieb. Das OVG gab der Berufung statt. |
2. |
Die Klage ist zulässig. |
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Aus den Gründen: |
2. |
Die Klage ist zulässig. |
3. |
Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde an die Straßenbaubehörde, eine Lichtzeichenanlage aufzustellen (§§ 45 Abs.1 Satz 1, Abs.3 Satz 1, Abs.5 Satz 1, 37 Abs.1 StVO), ist eine Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 VwVfG. Sie unterscheidet sich darin nicht von anderen verkehrsregelnden Anordnungen der Straßenverkehrsbehörde.
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4. |
Die Anordnung, eine Lichtzeichenanlage aufzustellen, ist darauf gerichtet, eine konkrete örtliche Verkehrssituation zu regeln, indem einzelne, wechselnde Lichtsignale Gebote bzw. Verbote gegenüber dem Verkehrsteilnehmer verlautbaren. Eine Lichtzeichenanlage ist eine Verkehrseinrichtung (§ 43 Abs.1 StVO), deren Regelungen den allgemeinen Vorrangregeln, vorrangregelnden Verkehrsschildern und Fahrbahnmarkierungen vorgehen (§§ 37 Abs.1, 43 Abs.2 StVO), und die sich damit hinsichtlich ihres Regelungsgehaltes von den Verkehrszeichen nicht grundsätzlich unterscheidet (§ 45 Abs.2 Satz 4, Abs.4 Halbsatz 1 StVO). Ebenso wie diese betrifft sie im Sinn des § 35 Satz 2 VwVfG die Benutzung der öffentlichen Straße durch die Allgemeinheit. Dementsprechend hat das BVerwG in seinem Urteil vom 9.9.1993 - 11 C 37.92 -, VRS 87 (1994), S. 71 nicht in Zweifel gezogen, daß die eine Lichtzeichenanlage betreffende Anordnung der Straßenverkehrsbehörde überhaupt als Allgemeinverfügung zu qualifizieren ist, sondern es hat die dort erhobene Anfechtungsklage eines Anliegers nur deshalb als unstatthaft angesehen, weil die in jenem Rechtsstreit angegriffene Anordnung vor der Errichtung der Anlage noch keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber den Straßenanliegern und den Verkehrsteilnehmern entfaltete, ihnen gegenüber also noch nicht im Sinn der §§ 41, 43 Abs. 1 VwVfG wirksam geworden war. |
5. |
Im vorliegenden Fall ist das anders: Der Beklagte hat den Klägern seine an das Straßenbauamt gerichtete verkehrsregelnde Anordnung vom 1.4.1992 vorab bekanntgegeben, indem er ihnen zeitgleich mit der Absendung an das Straßenbauamt eine Ausfertigung der Anordnung übersandte. Damit ist diese den Klägern gegenüber bereits rechtlich existent geworden, sie stellt mithin ihnen gegenüber einen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinn des § 42 Abs.1 VwGO dar, auch wenn sie - mangels Errichtung der Lichtzeichenanlage in der Örtlichkeit - noch keine Rechtswirkungen gegenüber den Verkehrsteilnehmern entfalten kann. |
6. |
Nach § 43 Abs.1 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam (sog. äußere Wirksamkeit), in dem er ihm bekanntgegeben wird, auch wenn die mit ihm intendierten Rechtswirkungen erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten (sog. innere Wirksamkeit, Gültigkeit).
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7. |
Unter der in § 41 VwVfG geregelten Bekanntgabe versteht man die mit Wissen und Willen der Behörde erfolgende Eröffnung des Verwaltungsakts. Sie kann in den unterschiedlichsten Formen, schriftlich oder mündlich, durch Verkündung, Zustellung oder formlos erfolgen (§ 37 Abs.2 Satz 1 VwVfG). Darüber hinaus läßt § 41 Abs.3 Satz 2 VwVfG für die hier Rede stehenden Allgemeinverfügungen ausdrücklich auch die öffentliche Bekanntgabe zu, wenn eine individuelle Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Nur dann, wenn durch Rechtsvorschriften die Einhaltung einer bestimmten Form der Bekanntgabe vorgeschrieben ist, wird der Verwaltungsakt erst (äußerlich) wirksam, wenn er unter Einhaltung dieser Formvorschriften bekanntgegeben worden ist.
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8. |
Nach diesen Maßstäben hat die verkehrsregelnde Anordnung des Beklagten vom 1.4.1992 jedenfalls gegenüber den Klägern als betroffenen Straßenanliegern schon vor der durch Inbetriebnahme der Lichtzeichenanlage erfolgenden öffentlichen Bekanntgabe nach § 41 Abs.3 Satz 2 VwVfG Wirksamkeit erlangt. In der Übersendung der Ausfertigung an die Kläger liegt nämlich eine Individualbekanntgabe nach § 41 Abs.1 Satz 1 VwVfG. Eine derartige Kombination von Einzelbekanntgabe und (bei Inbetriebnahme der Anlage erfolgender) öffentlicher Bekanntgabe ist zulässig, insbesondere dann, wenn die Behörde damit, wie hier, ein berechtigtes rechtsstaatliches Anliegen verfolgt.
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9. |
Dieses Anliegen bestand hier offenkundig darin, den Klägern mit Blick auf ihre im vorangegangenen Rechtsstreit 3 K 1828/90 bereits erhobenen und auch künftig zu erwartenden Einwendungen schon vor der Inbetriebnahme der Lichtzeichenanlage die Möglichkeit zu eröffnen, Rechtsmittel gegen die Anordnung einzulegen und damit ihre Rechtmäßigkeit vorab verbindlich zu klären. Damit hat der Beklagte dem Grundrecht der Kläger auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art.19 Abs.4 Satz 1 GG in besonderer Weise Rechnung getragen, insbesondere wenn man annimmt, daß Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine in dieser Weise vorab individuell bekanntgegebene verkehrsregelnde Anordnung nach § 80 Abs.1 VwGO aufschiebende Wirkung haben, der im übrigen für Verkehrszeichen und -einrichtungen analog § 80 Abs.2 Nr.2 VwGO anerkannte Ausschluß des Suspensiveffekts in diesem Sonderfall also nicht eingreift.
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10. |
Der Annahme, daß die verkehrsregelnde Anordnung des Beklagten gegenüber den Klägern infolge individueller Bekanntgabe nach § 41 Abs.1 Satz 1 VwVfG (äußere) Wirksamkeit erlangt hat, steht auch § 45 Abs.4 StVO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken (Halbsatz 1) und sind nur in hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (Halbsatz 2) ermächtigt, verkehrsregelnde Allgemeinverfügungen zu erlassen, die nicht in der Anordnung an die Straßenbehörde nach § 45 Abs.3 StVO bestehen, bestimmte Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen anzubringen. Das damit aufgestellte Regel- und Ausnahmeprinzip betrifft zum einen die (materiellen) Anforderungen an den Inhalt straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen: Diese dürfen außerhalb der in § 45 Abs.4 Halbsatz 2 genannten Fallgestaltungen nur auf die Setzung solcher Rechtsfolgen gerichtet sein, die die Straßenverkehrsordnung als durch Verkehrszeichen und -einrichtungen umsetzbar vorsieht. Zum anderen hat § 45 Abs.4 StVO einen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungsgehalt: Die Vorschrift enthält eine gegenüber den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen der §§ 37 Abs.2 Satz 1, 41 Abs.3 Satz 2 VwVfG über die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen vorrangige bundesrechtliche Spezialregelung für die Form der Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen.
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11. |
Insofern ist es zumindest mißverständlich, wenn die Aufstellung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen häufig als ein Anwendungsfall der öffentlichen Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen nach § 41 Abs.3 Satz 2 VwVfG bezeichnet wird, in dem eine individuelle Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
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12. |
§ 45 Abs.4 StVO verdrängt vielmehr als entgegenstehende Bestimmung im Sinn des § 1 Abs.2 Satz 1, Abs.3 VwVfG des Bundes die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen und trifft eine von diesen abweichende Regelung: Während es nach § 41 Abs.3 Satz 2 VwVfG im Ermessen der Verwaltungsbehörde steht, ob sie einen Verwaltungsakt überhaupt öffentlich bekanntgibt und welche Form der öffentlichen Bekanntgabe sie wählt, schreibt § 45 Abs.4 StVO für den in Halbsatz 1 bezeichneten Regelfall zwingend vor, daß die Straßenverkehrsbehörde eine verkehrsregelnde Anordnung durch Aufstellung von Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen öffentlich bekanntzugeben hat. Ein Verfahrensermessen hinsichtlich des Ob und hinsichtlich des Wie der öffentlichen Bekanntgabe ist ihr nur in den Ausnahmefällen des Halbsatzes 2 eröffnet. |
13. |
Die §§ 37 Abs.2 Satz 1, 41 Abs.3 Satz 2 VwVfG gehen § 45 Abs.4 StVO auch nicht etwa deswegen vor, weil es sich hierbei um die ranghöheren Normen handelt. Denn die jeweils einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder und auch dasjenige des Bundes sind, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, nur insoweit anwendbar, als nicht Rechtsvorschriften des Bundes (gleich welchen Ranges) inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten (§ 1 Abs.2 Satz 1, Abs.3 VwVfG des Bundes). |
14. |
Im vorliegenden Fall greift § 45 Abs.4 Halbsatz 1 StVO indessen nicht ein, weil die Vorschrift die Form der Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen nur gegenüber den Verkehrsteilnehmern, nicht aber gegenüber den Straßenanliegern zwingend regelt, sie es der Straßenverkehrsbehörde mithin nicht verbietet, eine verkehrsregelnde Allgemeinverfügung, die durch Aufstellung von Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen an die Verkehrsteilnehmer bekanntgegeben werden soll, zusätzlich zu dieser Bekanntgabeform bestimmten betroffenen Einzelpersonen nach § 41 Abs.1 Satz 1 VwVfG auch individuell bekanntzugeben. Das ergibt sich aus einer an Sinn und Zweck jener Vorschrift orientierten Auslegung: Straßenverkehrsrechtliche Einzelfallregelungen, die die allgemeinen Verkehrsregeln der StVO aufheben, ergänzen und modifizieren (§§ 37 Abs.1, 39 Abs.2, 43 Abs.2 StVO), müssen im Interesse der Sicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrs für den Verkehrsteilnehmer aus sich heraus ohne weiteres verständlich sein und deshalb durch allgemein geläufige (ganz überwiegend sogar international standardisierte) Zeichen und Einrichtungen versinnbildlicht werden. Insofern ist § 45 Abs.4 StVO eine Ausprägung des die §§ 37, 39 - 43 StVO prägenden Sichtbarkeitsprinzips, das die Gültigkeit konkreter straßenverkehrsrechtlicher Einzelfallregelungen an eine Anbringung im Verkehrsraum knüpft, die dem Verkehrsteilnehmer bei zumutbarer Aufmerksamkeit die Wahrnehmung, das Verstehen und das Befolgen ohne weitere Überlegung durch einen beiläufigen Blick ermöglicht.
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15. |
Diesem Zweck dient es, daß grundsätzlich nur diejenigen Verkehrszeichen und -einrichtungen Verwendung finden dürfen, die in den §§ 37, 39 - 43 StVO vorgesehen sind und deren nähere Ausgestaltung dort und in der zu diesen Bestimmungen ergangenen Verwaltungsvorschrift hinsichtlich Form, Größe, Beschriftung, Symbolverwendung, Farbgebung und der Art ihrer Anbringung detailliert geregelt ist.
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16. |
Alle diese Festlegungen könnte die Straßenverkehrsbehörde unterlaufen, wenn sie rechtlich frei wäre, verkehrsregelnde Anordnungen auch durch nicht vorgesehene Verkehrszeichen oder -einrichtungen oder sogar auf ganz anderem Weg in Geltung zu setzen. Gegenüber Straßenanliegern, die von einer künftig durch Verkehrszeichen oder -einrichtung in Geltung zu setzenden verkehrsregelnden Anordnung negativ betroffen sein werden, kommt das Sichtbarkeitsprinzip hingegen nicht zum Tragen, weil sie am Straßenverkehr nicht (jedenfalls nicht in dieser Eigenschaft) teilnehmen. |
17. |
Regelt § 45 Abs.4 StVO hiernach die Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen lediglich gegenüber Verkehrsteilnehmern abschließend, so bleibt der Rückgriff auf die subsidiäre Bestimmung des § 41 Abs.1 Satz 1 VwVfG für die Bekanntgabe gegenüber Straßenanliegern möglich. Denn das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt in seinem Anwendungsbereich ergänzend und lückenschließend für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden von Bund, Ländern und Kommunen, soweit nicht spezielle Rechtsvorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.
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18. |
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß § 45 Abs.4 StVO auch hinsichtlich der Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen an Nichtverkehrsteilnehmer eine abschließende Regelung darstellen soll. Die Vorschrift ist anläßlich der Neufassung der Straßenverkehrsordnung im Jahr 1970 im wesentlichen unverändert aus dem bis dahin geltenden Recht übernommen worden, stammt also aus einer Zeit, als dem Schutz der durch den Straßenverkehr nachteilig betroffenen Anlieger noch weitaus geringere Bedeutung zukam als heute, und in der die Verhütung von Verkehrsunfällen durch Einwirkung auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer selbst eindeutig im Mittelpunkt stand.
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19. |
Die Kläger sind auch klagebefugt, § 42 Abs.2 VwGO. Sie wehren sich mit der Klage gegen die auf §§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs.3 Satz 1 StVO gestützte Anordnung des Beklagten. Nach der erstgenannten Vorschrift können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Entsprechend ihrer ordnungsrechtlichen Funktion bezweckt diese Vorschrift in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit, daneben aber auch die Wahrung von Individualinteressen. Dementsprechend kann der Einzelne aus ihr einen - regelmäßig auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch ableiten, wenn und soweit vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere in der Ausgestaltung des Satzes 2 Nr.3, mitumfaßte Individualrechtsgüter betroffen sind. Dazu gehören die Grundrechte aus Art.2 Abs.2 Satz 1 GG (körperliche Unversehrtheit) und aus Art.14 Abs.1 GG (Eigentum) sowie in deren Vorfeld auch der Schutz vor solchen Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen. Der Betroffene kann als eine Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs.1 StVO seien nicht gegeben. Hinsichtlich der behördlichen Ermessensausübung kann er allerdings nur verlangen, daß seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Verkehrsbeschränkung sprechen.
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20. |
Die Kläger haben hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen, die es als möglich erscheinen lassen, daß sie durch die angefochtene Anordnung in den genannten Rechtspositionen beeinträchtigt sind. Hierfür genügt im vorliegenden Fall bereits der Hinweis auf die unmittelbare Nähe des Wohnhauses der Kläger zu der Einmündung der einen in die andere Bundesstraße. |
21. |
Die Klage ist auch begründet. Die verkehrsregelnde Anordnung des Beklagten ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
22. |
Die als Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung der Einrichtung einer Lichtzeichenanlage einschlägige Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO setzt tatbestandlich voraus, daß eine konkrete straßenverkehrsrechtliche Gefahr vorliegt und daß ein Einschreiten zur Abwehr dieser Gefahr geeignet und erforderlich ist.
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23. |
Sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so liegt es im Ermessen des Beklagten, ob und welche Maßnahmen er zu ihrer Bekämpfung ergreift. Die Ermessensentscheidung des Beklagten kann das Gericht nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob er die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten hat und ob er von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO). Ob der Beklagte die straßenverkehrsrechtliche Gefahr und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der angeordneten Lichtzeichenanlage zu ihrer Bekämpfung unter Heranziehung der norminterpretierenden Aussagen der Nr. I der Verwaltungsvorschrift zu § 37 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StVO zutreffend bejaht hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn sowohl der Beklagte als auch der Regierungspräsident haben im vorliegenden Fall jedenfalls das ihnen eingeräumte pflichtgemäße Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie die Belange der Kläger nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die vorzunehmende Abwägung eingestellt haben. |
24. |
Bei der Entscheidung über eine verkehrsregelnde Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde sowohl die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen, als auch die Interessen etwa betroffener Anlieger in Rechnung zu stellen, von übermäßigem Lärm und einer unzumutbaren Zunahme der Abgasbelastung verschont zu bleiben, die durch die Einrichtung der Lichtzeichenanlage eintreten können. Das Lärmschutzinteresse und Abgasschutzinteresse des betroffenen Anliegers darf sie in Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange um so eher zurückstellen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, der von der angeordneten Verkehrsregelung ausgeht. Umgekehrt müssen bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen die für die Anordnung sprechenden öffentlichen Interessen schon von einigem Gewicht sein, wenn die Behörde ihnen gegenüber dem Lärmschutzinteresse und Abgasschutzinteresse des betroffenen Anliegers den Vorzug geben will. Jedenfalls darf die zuständige Behörde auch bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen an der verkehrsregelnden Maßnahme festhalten, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Vorteile gerechtfertigt erscheint. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung ist nicht nur auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Anlieger sowie auf das Vorhandensein bzw. Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen. Maßgeblich sind auch andere Besonderheiten des Einzelfalles, so etwa der Umstand, daß eine Ortserschließungsstraße entgegen ihrer eigentlichen Funktion zunehmend vom überörtlichen Verkehr als Schleichweg in Anspruch genommen wird und damit Lärmbelästigungen auslöst, die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht hingenommen werden müssen.
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25. |
Diese von der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung für die Ermessensentscheidung der Straßenverkehrsbehörde zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen nach § 45 Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO entwickelten Maßstäbe gelten auch für die Ermessensausübung der Straßenverkehrsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 45 Abs.1 Satz 1 StVO: Denn der sachliche Konflikt zwischen dem Lärmschutzinteresse des Anliegers einerseits und dem öffentlichen Verkehrsinteresse andererseits, den die Straßenverkehrsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung abwägend zu bewältigen hat, besteht, wenn sich ein Straßenanlieger aus Lärmschutzgründen gegen eine verkehrsregelnde Anordnung nach § 45 Abs.1 Satz 1 StVO wendet, in gleicher Weise wie bei einem auf Lärmschutz nach § 45 Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO gerichteten Verpflichtungsbegehren. Es macht insoweit lediglich einen verfahrensrechtlichen, aber keinen materiellrechtlichen Unterschied, ob der Bürger sein Lärmschutzbegehren aus der Abwehrposition gegenüber einer primär anderen Zwecken dienenden Verkehrsregelung geltend macht oder ob er es mit einem gegen die Behörde gerichteten Leistungsbegehren verfolgt. Der Ermächtigungstatbestand des § 45 Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO rechtfertigt nämlich nicht etwa den Schluß, der Verordnungsgeber habe mit dieser Vorschrift den verkehrsrechtlichen Lärmschutz verselbständigt und aus dem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Generalklausel des § 45 Abs.1 Satz 1 StVO herausgenommen. Im Gegenteil wird durch die Struktur ihrer gesetzlichen Grundlage in § 6 Abs.1 Nr.3 StVG verdeutlicht, daß jene Vorschrift als sachlich begrenztes Ordnungsrecht nicht nur die Abwehr der dem Straßenverkehr selbst drohenden Gefahren betrifft, sondern auch vorwiegend die Abwehr solcher Gefahren umfaßt, die vom Straßenverkehr ausgehen und die Umwelt beeinträchtigen. Dazu gehört auch der Verkehrslärm.
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26. |
In dieselbe Richtung zielt es, wenn § 45 Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO als Maßstab auch für die Beurteilung der Lärmbelastung im Rahmen der Interessenabwägung herangezogen wird, die bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs.1 Nr.11 StVO vorzunehmen ist.
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27. |
Dementsprechend sind bei der Bewertung der Zumutbarkeit der durch eine Lichtzeichenanlage verursachten Lärmmehrbelastung zudem die vom Bundesminister für Verkehr zu § 45 Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO erlassenen "Vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV)" vom 6.11.1981 (Verkehrsblatt 1981, S.428) sowie die allgemein zum Verkehrslärmschutz veröffentlichten "Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes" vom 6.7. 1983 (Verkehrsblatt 1983, S.306) in der Fassung der Änderung vom 15.1.1986 (Verkehrsblatt 1986, S.101) zu berücksichtigen. Diese hier einschlägigen Verwaltungsvorschriften sind verwaltungsintern verbindlich; ihre Regelungen stimmen im Ausgangspunkt mit den hier zugrunde zu legenden Ermessensmaßstäben überein.
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28. |
Die Lärmschutz-Richtlinien-StV sehen in ihrem 1. Abschnitt ("Allgemeines") vor, daß vor der Anordnung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen die Vorteile und Nachteile der Einzelmaßnahmen gegeneinander abzuwägen sind. Dabei sind in die Abwägung insbesondere der Grad der Beeinträchtigungen, die Leichtigkeit der Realisierung von Maßnahmen, die Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes und eventuelle Einflüsse auf die Verkehrssicherheit, auf den Energieverbrauch der Fahrzeuge, auf Erschwernisse bei der Versorgung der Bevölkerung und die Einschränkung der Freizügigkeit des Verkehrs einzubeziehen. Auch die Funktionen der Straßen, zB Autobahnen, sind zu berücksichtigen. |
29. |
Legt man diese Maßstäbe hier zugrunde, so haben der Beklagte und der Regierungspräsident ihr Ermessen schon deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil sie das Lärmschutzinteresse der Kläger nicht mit dem ihm objektiv zukommenden Gewicht in die Abwägung der widerstreitenden Belange eingestellt haben. Ob dasselbe auch auf den Abgasschutz und den von den Klägern in den Vordergrund ihres Anfechtungsbegehrens gerückten Unfallschutz zutrifft, kann deshalb dahinstehen. |
30. |
Der Beklagte und ihm folgend auch der Regierungspräsident haben es lediglich für möglich gehalten, daß durch die angeordnete Signalanlage die Lärmeinwirkungen auf das Grundstück der Kläger erhöht werden könnten. Sie haben aber weder die Lärmvorbelastung dieses Grundstücks durch die beiden Bundesstraßen noch eine sich durch die Lichtzeichenanlage etwa ergebende Lärmerhöhung konkret ermittelt. Eine solche konkrete Ermittlung der Belastungswerte wäre aber hier ebenso erforderlich gewesen wie sie bei einer verkehrsregelnden Anordnung zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen nach § 45 Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO erforderlich ist. Denn es versteht sich von selbst, daß der Grad der Lärmbeeinträchtigung nur dann sachgerecht mit den für die Anordnung sprechenden öffentlichen Interessen abgewogen werden kann, wenn die Behörde ihn positiv ermittelt hat. Wenn sie eine Erhöhung der Lärmbeeinträchtigung, wie hier, nur als Möglichkeit in ihre Überlegungen einstellt, so verkennt sie, daß es sich hierbei nicht um eine feste Größe handelt, deren Vorliegen sie ohne nähere Ermittlungen zu Gunsten der Kläger unterstellen könnte. Nach der zitierten Rechtsprechung ist für die zu treffende Ermessensentscheidung vielmehr von grundlegender Bedeutung, welches Ausmaß der auf das Wohngrundstück der Kläger einwirkende Lärm durch die beiden Bundesstraßen schon jetzt hat (Lärmvorbelastung) und in welchem Umfang sich dieser Wert durch die Inbetriebnahme der angeordneten Lichtzeichenanlage erhöhen wird. |
31. |
Nach Nr.2.3 der Lärmschutz-Richtlinien-StV ist der der straßenverkehrsbehördlichen Bewertung zugrunde zu legende Mittelungspegel im allgemeinen nicht durch örtliche Schallmessungen zu ermitteln, sondern nach den "Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, Ausgabe 1990 (RLS-90)" vom 10.4.1990 (VkBl 1990, S.258; 1992, S.208) zu berechnen. Diese Richtlinien befassen sich ua mit verkehrsrechtlichen Lärmschutzmaßnahmen zur Lärmsanierung (Lärmschutz an bestehenden Straßen), während bei der Lärmvorsorge (Lärmschutz beim Neubau oder der wesentlichen Änderung von Straßen) die nach § 43 BImSchG erlassene Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12.6.1990 (BGBl. I S.1036) anzuwenden ist. Die RLS-90 beschreiben Berechnungsverfahren zur quantitativen Darstellung der Lärmvorbelastung unter Einbeziehung der auftretenden Verkehrsmenge, insbesondere dem Lkw-Anteil, und der sonstigen relevanten Straßenverhältnisse (zulässige Höchstgeschwindigkeit, Steigung/Gefälle, Straßenbelag, Entfernung des Immissionsortes von der Straße). Ferner sehen sie in Nr.4.2 einen nach dem Abstand des Immissionsortes gestaffelten Zuschlag von 1 bis 3 dB(A) für erhöhte Störwirkung von lichtzeichengeregelten Kreuzungen und Einmündungen vor und beschreiben damit das Ausmaß der von einer Lichtzeichenanlage ausgehenden Lärmerhöhung. Welcher dieser Werte im Fall der Kläger in Ansatz zu bringen ist, läßt sich mangels exakter Ermittlung des Immissionsortes und seiner Entfernung vom nächsten Schnittpunkt der Achse der sich kreuzenden oder zusammentreffenden Fahrstreifen hier ebenfalls nicht feststellen. |
32. |
Die exakte Ermittlung der Lärmvorbelastung und der anlagebedingten Lärmerhöhung ist auch nicht deshalb von vornherein entbehrlich, weil das Grundstück der Kläger im Außenbereich liegt. Dieser Umstand rechtfertigt es nicht, das Lärmschutzinteresse und Abgasschutzinteresse der Kläger von vornherein außer Betracht zu lassen. Vielmehr sind auch die Belange der Eigentümer von Außenbereichsgrundstücken in die Abwägung der für und gegen eine verkehrsregelnde Maßnahme sprechenden Interessen mit dem ihnen zukommenden Gewicht einzubeziehen. Im Rahmen der Lärmvorsorge ergibt sich das aus § 2 Abs.2 Satz 2 der 16. BImSchV, wonach bauliche Anlagen im Außenbereich entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit nach den Immissionsgrenzwerten der dort im einzelnen bezeichneten Gebietsarten zu beurteilen sind.
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33. |
Es gilt aber auch für die Lärmsanierung, denn aus § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr.3 StVO läßt sich nicht ableiten, daß das Lärmschutzinteresse und Abgasschutzinteresse der Wohnbevölkerung im Außenbereich vom Schutzzweck dieser Vorschriften nicht erfaßt wäre. Im Gegenteil hat der Verordnungsgeber mit der durch die Änderungsverordnung vom 21.7.1980 vorgenommenen Neufassung des Satzes 2 Nr.3 klargestellt, daß Lärmschutzmaßnahmen nicht nur zugunsten der Bevölkerung in Wohngebieten, sondern allgemein zugunsten der Wohnbevölkerung zulässig sind.
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34. |
Auch die bereits erwähnten "Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes" nehmen Außenbereichsgrundstücke nicht vollständig vom Lärmschutz aus, sondern enthalten lediglich besondere Maßgaben für die Prüfung der Schutzbedürftigkeit von baulichen Anlagen im Außenbereich sowohl bei der Lärmvorsorge als auch bei der Lärmsanierung (Nr.II. 10. Abs.2 i.V.m. Nr.I. 4. Abs.2). |
35.. |
Schließlich entbindet auch der Umstand, daß die Einrichtung der geplanten Lichtzeichenanlage den Beurteilungspegel nach der Tabelle 2 zu Nr.4.2 der RLS-90 je nach der exakten Entfernung des Immissionsortes von der Kreuzung voraussichtlich nur um 1 dB(A), maximal 2 dB(A) erhöhen würde, den Beklagten nicht von der Verpflichtung, durch den Straßenbaulastträger eine Lärmberechnung vornehmen zu lassen. Insbesondere kann ein Pegelunterschied in dieser Größenordnung im vorliegenden Einzelfall nicht als so unbedeutend eingestuft werden, daß die durch die Ampel verursachte Lärmmehrbelastung bei der Ermessensentscheidung von vornherein vernachlässigt werden könnte. Wenn die Rechtsprechung Schallpegelminderungen von nur 2 dB(A) als nach den allgemeinen Erkenntnissen der Akustik für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar bezeichnet hat
so mag dies in den entschiedenen Fällen, in denen als Vorbelastung, soweit mitgeteilt, mittlere und niedrige Schallpegel errechnet worden waren, gerechtfertigt gewesen sein. Vgl. aber Bohny ua, Lärmschutz in der Praxis, 1986, S. 23, die einen Pegelunterschied von 3 dB als sehr gut hörbaren Unterschied im Lautheitsempfinden bezeichnen. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Lärmvorbelastung für das Haus der Kläger durch die beiden Bundesstraßen, die der Senat aus den ihm vorliegenden Zahlen freilich nur überschlägig abschätzen kann, erheblich höher liegen und möglicherweise sogar die für einen Anspruch auf Lärmsanierung nach Nr.II. 10 Abs.1 der "Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes" maßgebenden Regelgrenzwerte von 70/60 db(A) tags/nachts bzw. 72/62 db(A) tags/nachts erreichen oder überschreiten dürfte. Legt man nämlich den bei der Verkehrsstromzählung vom 17. und 19.10.1989 für die drei Hauptverkehrsrichtungen des Knotens ermittelten durchschnittlichen täglichen Verkehr von insgesamt 14.539 Fahrzeugen, den für Bundesstraßen durchschnittlich anzusetzenden Lkw-Anteil von 20 % und die dort geltende Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h zugrunde, so läßt sich daraus ein Emissionspegel von etwa 69 - 71 db(A) für den Tag und etwa 62 - 64 dB(A) für die Nacht prognostizieren. Diesem Pegel ist bei exakter Berechnung unter Umständen noch ein Korrekturwert für Steigungen hinzuzurechnen, wenn sich ergeben sollte, daß die eine Bundesstraße von der fraglichen Kreuzung in Richtung R. um mehr als 5 % ansteigt.
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36. |
Diese Werte können jedoch lediglich als Hinweis auf die Größenordnung verstanden werden, in der der am Haus der Kläger zu errechnende Mittelungspegel voraussichtlich liegen wird. Besteht hiernach eine nicht von vornherein zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit für eine derart hohe Lärmvorbelastung, so ist nicht auszuschließen, daß den Klägern auch eine Mehrbelastung von weniger als 3 dB(A) nicht zugemutet werden kann. Für die Beurteilung der Frage, ob dies der Fall ist, darf nach dem oben Ausgeführten nämlich nicht nur auf die Vorbelastung in Gestalt einer reinen Rechengröße abgestellt werden. Diese bildet vielmehr nur den Ausgangspunkt für die wertende Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage. Gerade bei hoher Vorbelastung gewinnt zusätzlich auch die für das subjektive Empfinden des Betroffenen wichtige, aber im Berechnungsverfahren nach der RLS-90 nur eingeschränkt berücksichtigungsfähige Lärmcharakteristik zunehmende Bedeutung, bei der beachtet werden muß, daß die Zumutbarkeitsschwelle um so eher überschritten sein kann, je höher der Anteil der in die Mittelung einfließenden Spitzenpegel ist, die beispielsweise durch schwere, am Berg langsam anfahrende Lastkraftwagen verursacht werden und durch die insbesondere zur Nachtzeit für die Bewohner eines in unmittelbarer Nähe der Straße liegenden Hauses nicht unerhebliche Schlafstörungen hervorgerufen werden können. In diesen Fällen besitzt der rechnerische Mittelungspegel nur eingeschränkte Aussagekraft und kann dementsprechend der Wegfall bzw. das Unterbleiben einzelner Spitzenpegel einen für das akustische Empfinden des Betroffenen durchaus bemerkbaren Unterschied auch dann ergeben, wenn sich dieser im Mittelungspegel nur unterhalb der Schwelle von 3 dB(A) auswirkt.
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37. |
Nach Lage der Dinge wird für die Zumutbarkeitsbeurteilung im vorliegenden Fall weiter berücksichtigt werden müssen, daß sich die vorstehend zugrunde gelegte tägliche Verkehrsstärke - abgesehen von einer seit 1989 möglicherweise zu verzeichnenden allgemeinen Zunahme des Verkehrs auf den beiden Bundesstraßen - infolge der Einrichtung der Lichtzeichenanlage weiter erhöhen kann und soll, weil mit ihr der zur Zeit unberechtigt über die J-Straße fließende Verkehr zur hier in Rede stehenden Kreuzung verlagert werden soll. |
38. |
Bei der nach alledem neu zu treffenden Entscheidung ist der Beklagte gehalten, den Gesichtspunkt des Lärmschutzes in der dargelegten Weise zu berücksichtigen. Ferner wird der Beklagte ähnlich qualifizierte Feststellungen für die Abgasbelastung des klägerischen Grundstücks zu treffen haben
und schließlich das Unfallgeschehen an der fraglichen Kreuzung einer exakten Analyse in qualitativer und quantitativer Hinsicht zuführen müssen, die eine möglichst verläßliche Aussage über die insoweit zu erwartenden Auswirkungen der Lichtzeichenanlage zuläßt. |