Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Urteil vom 11.8.1999
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I S 642/98 -

 (weitere Fundstellen: NVwZ 2000, 585 f.)

 

Zum Sachverhalt:

1.

Die Kl. wendet sich gegen die Rückforderung von Subventionen. Sie betreibt u. a. Hotelbetriebe in Sachsen-Anhalt. Für das dort beschäftigte Personal beantragte sie, ihr für die Durchführung einer "praxisorientierten Trainingsmaßnahme für Hotelpersonal" in Häusern ihrer Hotelgruppe eine Zuwendung zu gewähren. Das Ziel der Fördermaßnahme gab die Kl. wie folgt an:

2.

"Durch die Vermittlung von Arbeitserfahrung auf Arbeitsplätzen in unseren Unternehmen in K., H., H. und D. sollen die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, in möglichst kurzer Zeitspanne die volle Leistungsfähigkeit auf ihren Arbeitsplätzen in Sachsen-Anhalt zu erreichen, um damit die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Arbeitsplätze zu sichern."

3.

Die Summe der zuwendungsfähigen Ausgaben wurde mit 315 089 DM angegeben. Für "Unterkunft und "Verpflegung" weisen die Antragsunterlagen einen Betrag von 100 DM bzw. 25 DM pro Tag und Teilnehmer aus. Mit Bescheid des Bekl. vom 18. 5. 1992 wurde der Kl. eine Zuwendung in Höhe von 315 089 DM gewährt. Hinsichtlich der Ermittlung der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben nimmt der Zuwendungsbescheid auf die Antragsunterlagen Bezug. Nach Abschluss des Förderprojektes wurde die Kl. aufgefordert, bezogen auf vier Teilnehmer der Trainingsmaßnahme (stichprobenartig( u. a. Kopien der Risikokostenabrechnung bzw. Zahlungsbeweise für Übernachtung/Verpflegungsmehraufwendungen/Fahrtkosten vorzulegen. Daraufhin wurden von der Kl. Formblätter (,‚Ausgabengliederung/Anlage zum Verwendungsnachweis für Teilnehmereinkünfte") übersandt, die für die Teilnehmer – ohne Beifügung entsprechender Belege – als Kosten für die Unterkunft 100 DM/Tag und als Verpflegungsmehraufwand 25 DM/Tag ausweisen. Unter dem 20. 3. 1996 erließ der Bekl. einen an die Kl. gerichteten "Änderungsbescheid/Rückforderungsbescheid/Leistungsbescheid", der u. a. nachfolgende Angaben aufweist:

4.

"Der Bewilligungsrahmen für das Förderprojekt ... wird wie folgt endgültig festgesetzt:

                            Zuwendungsbetrag alt bis zu                315 089,00 DM

                            Zuwendungsbetrag neu                       104 995,00 DM

                            Reduzierung um                             210 094,00 DM

                            Erstattungsanspruch                        138 754,00 DM

                            Zinserstattungsanspruch                     26 431,38 DM

Für den Zeitraum vom 2. 7. 1992 bis 15. 3. 1996 beläuft sich der Zinsanspruch des Landes auf 26 431,38 DM und für jeden weiteren Tag auf 23,12 DM".

5.

Zur Begründung führte der Bekl. aus, dass der Zuwendungsbescheid vom 18. 5. 1992 i. d. F. der Änderungsbescheide nach § 94 SachsAnhVwVfG teilweise aufgehoben werde. Die Kl. habe Auflagen, die mit der Zuwendung verbunden gewesen seien, nicht erfüllt, die endgültige Abrechnung der Kosten erfolge nach Art. 21 I Verordnung (EWG) 2082/93 des Rates vom 20. 7. 1993 immer auf Grund der tatsächlich entstandenen, durch Rechnungen nachweisbaren Ausgaben. Die von der Kl. abgeforderten Zahlungsbeweise für die geltend gemachten Unterkunfts- und Verpflegungskosten seien nicht vorgelegt worden, da Zahlungen weder vom Zuwendungsempfänger an Maßnahmeteilnehmer noch vom Zuwendungsempfänger an die Praktikumsgeber geleistet worden seien. Die vorgelegten Eigenbelege seien nicht zu akzeptieren, da damit ausschließlich der Empfang von Sachleistungen bestätigt worden sei. Eine Überprüfung, ob Netto-Realkosten mindestens in der deklarierten Höhe entstanden seien, könne damit nicht durchgeführt werden. Nicht belegbare Ausgaben würden generell nicht akzeptiert. Ein Abweichen von diesem Grundsatz verbiete sich auch aus der Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gem. § 7 SachsAnhLHO. Die Kosten für Verpflegungsmehraufwand und Übernachtung könnten damit nicht als förderfähig anerkannt werden.

6.

Das VG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.

 

Aus den Gründen:

7.

Als Rechtsgrundlage für den teilweisen Widerruf seines Zuwendungsbescheides vom 18. 5. 1992 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 1. 3. und 21. 4. 1993 hat der Bekl. zu Recht § 94 I 1 SachsAnhVwVfG i. d. F. vom 18. 8. 1993 (SachsAnhGVBl S. 412) herangezogen. Die in § 49 III SachsAnhVwVfG getroffene Neuregelung findet vorliegend keine Anwendung (vgl. Senat, Urt. v. 18. 2. 1999 – A 1 S 530/98).

8.

Gem. § 94 I 1 SachsAnhVwVfG a. F. kann der Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn Zuwendungen entgegen dem im Zuwendungsbescheid bestimmten Zweck verwendet oder mit der Zuwendung verbundene Auflagen nicht oder nicht innerhalb einer dem Zuwendungsempfänger gesetzten Frist erfüllt werden.

9.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den hier in Rede stehenden teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheides des Bekl. vom 18. 5. 1992 i.d. der Änderungsbescheide vom 1. 3. und 21. 4. 1993 sind hiernach gegeben. Die Kl. hat eine mit der Zuwendung verbundene Auflage nicht erfüllt.

10.

Nach dem Inhalt des Zuwendungsbescheides sind die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (Anl. 2 zu Nr. 5.1 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 SachsAnhLHO v. 9. 8. 1991 – SachsAnhMBl S. 721 [751]) – ANBest-P – ausdrücklich zum Bestandteil der Bewilligung gemacht worden. Die Kl. war danach gem. Nr. 6.5 ANBest-P verpflichtet, mit dem Nachweis über die Verwendung der Zuwendung Belege (Einnahme- und Ausgabebelege) vorzulegen, die wiederum den Anforderungen der Nr. 6.8 ANBest-P entsprechen müssen.

11.

Bei den vorgenannten Nebenbestimmungen handelt es sich um eine gegenüber dem Zuwendungsbescheid rechtlich selbstständige Auflage, die als eigener materieller Verwaltungsakt und Teil des Zuwendungsbescheides bestandskräftig geworden ist. Auf einen Rechtsbehelf hat die Kl. ausdrücklich verzichtet.

12.

Der Auflage, die Verwendung der Zuwendung mittels Einnahme- und Ausgabebelege nachzuweisen, ist die Kl. hinsichtlich der hier streitigen Positionen "Unterkunft" und "Verpflegung" nicht nachgekommen. Diese Leistungen sind den Teilnehmern der Trainingsmaßnahme gegenüber durch ihre Hotels erbracht worden, ohne dass nachweisbare Zahlungsflüsse stattgefunden haben. Damit hat die Kl. den Anforderungen nach Nrn. 6.5, 6.8 ANBest-P nicht entsprochen, die den Nachweis von Einnahmen und Ausgaben fordern und damit an tatsächliche Zahlungsvorgänge mit Dritten anknüpfen. Der von der Kl. vertretenen abweichenden Auffassung, wonach auch die Vorlage von Kostenbelegen als ausreichend anzusehen ist, vermag der Senat im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Nrn. 6.5, 6.8 ANBest-P, der auf den Zu- bzw. Abfluss von Zahlungsmitteln abstellt, nicht zu folgen.

13.

Nach alldem sind die ratbestandsmäßigen Widerrufsvoraussetzungen gegeben.

14.

Der teilweise Widerruf des Zahlungsbescheides stellt sich jedoch als ermessensfehlerhaft dar. § 94 1 1 SachsAnhVwVfG a. F. räumt der Behörde bei Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen einen Ermessensspielraum ein, ob der Zuwendungsbescheid überhaupt oder ob er ganz oder teilweise widerrufen wird. Die Verwaltung hat damit die Möglichkeit, eine den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werdende, das Interesse des Zuwendungsempfängers und das öffentliche Interesse gleichermaßen berücksichtigende Entscheidung über den Widerruf zu treffen (BT-Dr 8/ 3785, S. 5 zu vergleichbaren Vorschrift des § 44 a 1 BHO a. F.).

15.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Bekl. Besonderheiten, die das vorliegende Subventionsverhältnis kennzeichnen, unberücksichtigt gelassen.

16.

Die Nrn. 6.5, 6.8 ANBest-P sind entsprechend den vorstehenden Ausführungen auf subventionsrechtliche Fallgestaltungen zugeschnitten, bei denen Zahlungsvorgänge mit Dritten anfallen. Von daher erscheint die schematische Anwendung dieser Bestimmungen auf die im vorliegenden Fall im Streit befindlichen Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen der Kl., die in ihren eigenen Hotels erbracht worden sind, nicht sachgerecht. Denn dies hätte zur Folge gehabt, dass die Kl. als Zuwendungsempfängerin – nur um den Anforderungen einer Belegprüfung zu genügen – den Teilnehmern der Fördermaßnahme entsprechende Geldmittel für Unterkunft und Verpflegung hätte zur Verfügung stellen müssen und dieser Betrag sodann von den Teilnehmern zurückzuzahlen gewesen wäre. Zwar wären damit entsprechend den ANBest-P Zahlungsvorgänge prüfbar gemacht worden, dies jedoch nur unter Hinnahme einer ersichtlich unzweckmäßigen und formalistischen Vorgehensweise.

17.

Der Antrag der Kl. weist als Zielsetzung der für Mitarbeiter aus Sachsen-Anhalt durchgeführten Trainingsmaßnahme die Vermittlung von Arbeitserfahrungen in – in den alten Bundesländern gelegenen – Hotels der Kl. aus. Eine nicht zuletzt aus ausbildungspraktischen Gesichtspunkten heraus angezeigte Unterbringung und Verpflegung in den Hotels der Kl. war danach zumindest naheliegend. Dem Bekl. ist in diesem Zusammenhang anzulasten, angesichts der ihm aus der Antragstellung bekannt gewordenen atypischen Fallumstände nicht im Zuwendungsbescheid unmissverständlich klargestellt zu haben, dass auch für die durch die Kl. als Zuwendungsempfängerin selbst erbrachten Leistungen Zahlungsbelege vorzulegen sind. In diesem Fall wäre es der Kl., möglich gewesen, den Vorgaben der ANBest-P trotz der umständlichen und aufwendigen Verfahrensweise – uneingeschränkt nachzukommen.

18.

Angesichts der aufgezeigten besonderen Umstände des Falles erscheint es dem Senat hiernach ausreichend, wenn die ordnungsgemäße Verwendung der der Kl. gewährten Zuwendung anhand eines Selbstkostennachweises überprüft wird. Diese Form der Nachweisführung entspricht im Übrigen vom Ansatz her auch den – hundesrechtlichen – Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung auf Kostenbasis – ANBest-P-Kosten (vgl. Krämer, ZuwendungsR, Zuwendungspraxis, A II, S. 46).

19.

Dem steht Art. 21 I der Verordnung (EWG) 2082/93 des Rates vom 20. 7. 1993 (ABlEG Nr. L 193/20) nicht entgegen. Hiernach können die Zahlungen für finanzielle Beteiligungen entweder in Form von Vorschüssen oder in Form von endgültigen Zahlungen, die sich auf die tatsächlich entstandenen Ausgaben beziehen, geleistet werden: Daraus ist jedoch entgegen der nicht weiter belegten Auffassung des Bekl. nicht zu folgern, dass die ordnungsgemäße Verwendung von Zuwendungen allein durch Vorlage von tatsächliche Geldflüsse sichtbar machenden Zahlungsbelegen erfolgen muss. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung soll vielmehr sicher gestellt werden, dass im Rahmen einer Fördermaßnahme nur als angemessen erachtete Aufwendungen bezuschusst werden. In bestimmten Fällen kann damit ein Verwendungsnachweis auch in Form eines Kostennachweises geführt werden, sofern damit jedenfalls eine wirksame Kontrolle des sachgerechten Einsatzes von öffentlichen Mitteln ermöglicht wird.

20.

Dementsprechend hat die Kl., der gegenüber im Rahmen der( behördlichen Prüfung eine entsprechende Aufforderung nicht ergangen war, auf Bitten des Gerichts hin mit Schriftsatz vom 30. 7. 1999 eine Kostenaufstellung vorgelegt, die die für die Unterkunft und Verpflegung der Teilnehmer entstandenen Selbstkosten ausweist. Nach Auffassung des Senats erschienen dabei die von der Kl. im Hinblick auf die Position "Unterbringung" angegebenen und im Verhandlungstermin näher erläuterten Raumkosten, die bedenkenfrei auf der Grundlage des gezahlten Mietzinses errechnet worden sind und sich auf 61,95 DM pro. Tag und Teilnehmer belaufen, ebenso wie die weiteren Betriebskosten in Höhe von 28,01 DM, die u. a. Reinigungskosten, Wäschekosten und Energiekosten umfassen, nicht übersetzt.

21.

Insgesamt ergeben sich daraus Kosten für die Unterbringung von 89,96 DM pro Tag und Teilnehmer. Sie liegen mithin unterhalb des Betrages von 100 DM, den der Bekl. den Angaben seines Vertreters in der mündlichen Verhandlung entsprechend ohne weitere Prüfung der Angemessenheit als berücksichtigungsfähig anerkannt hätte, wenn die Kl. den Teilnehmern Geldmittel (100 DM) für ihre Unterkunft zunächst ausgezahlt und sodann wieder in Rechnung gestellt hatte.

22.

Der Ansatz von 25 DM/pro Tag und Teilnehmer für Verpflegung, die Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie Getränke umfasst, ist nach Einschätzung des Senats keinesfalls als überhöht anzusehen.

23.

Daraus folgt angesichts von 1214 Übernachtungen insgesamt und einem anzuerkennenden Kostensatz von 114,96 DM (89,96 DM + 25 DM) ein von dem Bekl. wegen der von ihm beanstandeten Nachweisführung zu Unrecht als nicht berücksichtigungsfähig angesehener Betrag. von insgesamt 139 561,44 DM. Da dieser Betrag die streitgegenständliche Erstattungsforderung in Höhe von 137 755 DM übersteigt, ist dem Berufungsbegehren der Kl. zu entsprechen.