Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil vom 29.10.1993
- 6 L 3295/91
-

 (weitere Fundstellen: BauR 1993, 86 ff.)

 

 Leitsätze:

1.

Der Nachbar eines deutlich überhöhten Grenzbaus (hier: Garage) kann von der Bauaufsichtsbehörde im allgemeinen die Anordnung einer entsprechenden Teilbeseitigung verlangen, sofern die Beeinträchtigung nicht unerheblich bleibt, sondern der Grenzbau zum Beispiel wegen Süd- oder Westlage die Besonnung spürbar beschränkt und nahe von rückwärtigen schutzwürdigen Wohnbereichen wie Wohnraumfenstern und Terrassenflächen steht.

2.

Ein eigener überhöhter Grenzbau an der Straße vor dem Haus ohne vergleichbare Auswirkungen schließt den Nachbaranspruch auf behördliches Einschreiten infolge einer Ermessensreduktion nicht aus.

 

Gründe:

 

 I.

1.

Der Kläger begehrt als Eigentümer des mit einem eingeschossigen Einfamilienhaus bebauten Wohngrundstücks - 1 in H ein erneutes bauaufsichtsbehördliches Einschreiten der Beklagten gegen eine ungenehmigt überhöhte Grenzgarage der Beigeladenen auf dem westlichen Nachbargrundstück.

2.

Die Grundstücke sind in einem Bebauungsplan Nr. als reines Wohngebiet mit eingeschossiger offener Bauweise ausgewiesen. Nach § 3 der textlichen Planfestsetzungen ist die Oberkante des Erdgeschoßfußbodens auf maximal 0,6 m über Bürgersteiganschlußhöhe der nächstliegenden Verkehrsfläche festgesetzt (§ 9 Abs. 2 BauGB). Die Grundstücke fallen nach Westen und Süden leicht ab, so daß das Gelände der Beigeladenen tiefer liegt als das des Klägers.

3.

Am 11. Juni 1987 genehmigte die Beklagte den Beigeladenen ihr neues Einfamilienhaus mit einer 9 m langen Grenzgarage an der Südostecke des Neubaus. Das Garagendach wurde in das Dach des Wohnhauses so einbezogen, daß es die Neigung von 30C aufnimmt und bis zur Grundstücksgrenze des Klägers fortführt. Dort soll die Garage eine Höhe von 2 m einhalten, die im Grenzabstand von 3 m auf 3,70 m ansteigt. Der rückwärtige Teil der Garage mit einem genehmigten Abstellraum ist mit einem 3 m hohen Satteldach genehmigt, dessen First bis auf 2,15 m an die Grundstücksgrenze heranreicht. Die Erdgeschoßdecke soll 61,40 m über NN liegen. Diesem Vorhaben stimmte der Kläger am 23. April 1987 gemäß § 12 Abs. 3 NBauO schriftlich zu.

4.

Abweichend hiervon wurde die Grenzgarage an der Grenze um 54 cm und mit dem Dachfirst um 68 cm zu hoch errichtet. Das wurde zunächst mit einer Verfügung der Beklagten vom 9. Juni 1988 in der Weise beanstandet, daß ein Rückbau der Garagenhöhe auf 2 m an der Grenze angeordnet wurde. Auf einen Widerspruch der Beigeladenen hob die Beklagte diese Anordnung mit Bescheid vom 16. Juni 1989 wieder auf, weil die Überhöhung der umstrittenen Garage als geringfügig anzusehen sei, zumal eine Aufschüttung bzw. Pflasterung des Grundstücks des Klägers zu berücksichtigen sei.

5.

Die eigene Garage des Klägers steht in der Nordwestecke seines Grundstücks mit einer Länge von 7,70 m ebenfalls an der gemeinsamen Grenze, aber mit einer wesentlich kürzeren Zufahrt von Osten, so daß beide Garagen der Beteiligten ca. 3 m auseinanderstehen. Ostwärts neben der streitigen Garage der Beigeladenen liegt jenseits eines 3 m breiten Rasenstreifens eine Südterrasse und ein westliches Wohnraumfenster des Klägers. Dessen vordere Grenzgarage wurde am 10. Juli 1987 mit einer Höhe bis zu 3,7 m an der Grenze genehmigt und von den Nachbarn nicht beanstandet. Nach einem Höhenaufmaß vom 18. Oktober 1988 soll die Garage der Beigeladenen mit ihrer Traufe an der Grenze 12 cm höher errichtet worden sein als die Garage des Klägers.

6.

Den gegen den Aufhebungsbescheid vom 16. Juni 1989 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Hannover mit Bescheid vom 2. Januar 1990 zurück, weil das begehrte Einschreiten gegen die benachbarte Garagenüberhöhung nicht beansprucht werden könne. Das etwas höhere Garagendach der Beigeladenen schränke lediglich an einigen Tagen im Frühjahr und Herbst die Abendsonne wenige Minuten ein, und der Kläger könne seine Terrasse entsprechend erhöhen. Beide Garagen seien gleichartig an die Grenze gebaut worden.

7.

Mit seiner fristgemäß erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Sein Grundstück sei nur 17 m breit und werde durch die zu hohe Garage im Westen spürbar beeinträchtigt. Auch nach einer inzwischen vorgenommenen Aufschüttung seines Grundstücks sei die Höhenüberschreitung der streitigen Garage bestehen geblieben. Weitere Aufschüttungen seien wegen seiner Kellerräume und Lichtschächte davon unvertretbar.

8.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 1989 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 2. Januar 1990 aufzuheben.

9.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10.

Sie hat die Gründe der angefochtenen Bescheide wiederholt.

11.

Die Beigeladenen haben ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

12.

Sie haben vorgetragen: In ihrer Baugenehmigung sei lediglich die Höhe des Erdgeschoßfußbodens mit 61,40 m über NN festgelegt worden, nicht aber die Garagenhöhe im Grenzbereich. Vor allem aber würde eine zulässige 3 m hohe Grenzgarage mit Flachdach das Grundstück des Klägers stärker beschatten als das ausgeführte Vorhaben.

13.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage ohne vorherige Ortsbesichtigung durch Urteil vom 13. August 1991, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, stattgegeben, weil der Kläger ein bauaufsichtsbehördliches Einschreiten wie mit der Verfügung vom 9. Juni 1988 beanspruchen könne. Die erhebliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers zwinge die Beklagte zu einer Ermessensentscheidung zu Lasten der Beigeladenen. Die genehmigte Garage sei ohne Zustimmung des Klägers deutlich höher als 3 m errichtet worden und erreiche in einem Grenzabstand von 3 m eine Höhe von 4,14 m. Die Abweichung von der erteilten Baugenehmigung sei nicht mehr geringfügig. Die Höhenüberschreitung gegenüber dem nach § 12 Abs. 1 NBauO zulässigen Maß erreiche sogar 1,14 m. Das führe zu intensiven Beeinträchtigungen des Terrassen- und Wohnbereichs des Klägers, der durch den Garagenneubau der Beigeladenen nach Westen abgeschottet werde und an freier Aussicht wie Sonnenlicht verliere. Daran ändere die niedrige Traufe an der Grenze nichts. Eine weitere Aufschüttung seines nach Süden abfallenden Grundstücks könne von dem Kläger nicht erwartet werden. Seine eigene Garage entspreche der Baugenehmigung vom 19. Juni 1987 und sei keineswegs gleichartig an die gemeinsame Grenze gebaut worden. Das ergebe sich aus der um ca. 12 cm geringeren Höhe an der Grenze und ihrer weniger störenden Lage im vorderen Grundstücksbereich sowie ihrer kürzeren Grenzwand von nur 7,70 m.

14.

Gegen dieses Urteil richten sich die fristgemäß eingegangenen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen.

15.

Die Beklagte trägt zur Berufungsbegründung vor: Auch der Kläger habe mit dem Bau seiner Grenzgarage gegen das Baurecht verstoßen und die genehmigte Höhe um 40 cm überschritten. Statt einer nach Süden geneigten Dachschräge mit Traufe sei eine Giebelwand errichtet worden. Wer aber selbst den Grenzabstand nicht einhalte, könne nicht verlangen, daß der Nachbar die Abstandsvorschriften beachte. Zwar liege die Garage der Beigeladenen im südlichen Grundstücksbereich neben der Terrasse des Klägers. Eine wesentliche Verbesserung wäre jedoch auch durch eine genehmigungsfähige 3 m hohe Flachdachgarage nicht zu erreichen. Allerdings beeinträchtige die Garage des Klägers die Beigeladenen nur wenig, weil sie weiter nördlich stehe. Das nachbarliche Austauschverhältnis bestehe jedoch auch im Verhältnis zum nördlichen Nachbarn. Angesichts der Rückbaukosten und der geringfügigen Abweichung beider Garagenhöhen sei das begehrte Einschreiben unverhältnismäßig.

16.

Die Beigeladenen tragen vor: Zwar stehe die umstrittene Garage anders als die des Klägers im rückwärtigen südlichen Grundstücksbereich. Sie sei jedoch im Traufenbereich nur ca. 4 cm höher als die eigene des Klägers. Deshalb sei von einer gleichwertigen Inanspruchnahme des Bauwichs beider Beteiligten auszugehen, die ein Abwehrrecht des Klägers ausschließe. Im übrigen sei das gewachsene Grundstücksniveau für die Höhenberechnung maßgeblich und nicht das in der Baugenehmigung festgelegte Höhenmaß von 61 m über NN. Infolge der Zustimmung des Klägers zu einer Überhöhung der streitigen Grenzgarage sei dessen Abwehrrecht auch verwirkt. Beide Garagen hielten das ein, was die Nachbarn sich gegenseitig zugebilligt hätten. Für den Kläger habe festgestanden, daß neben seiner Terrasse eine in das benachbarten Wohnhaus mit einer Dachneigung von 30C integrierte Garage stehen würde. Dabei sei es geblieben. Die Beigeladenen hätten an der Grenze 1 m höher als ausgeführt bauen dürfen.

17.

Das sei auch für den Fall einer Rückbauverpflichtung zu bedenken. Von der Straße aus seien Höhenunterschiede und Unterschiede in der Inanspruchnahme des Bauwichs bei der vorderen Garage des Klägers und der hinteren der Beigeladenen mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen.

18.

Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

19.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

20.

Er verteidigt die Gründe des angefochtenen Urteils und erwidert: Seine eigene Grenzgarage halte die Maße der geänderten Baugenehmigung ein. Das Niveau seines Grundstücks sei 30 cm höher als das der Beigeladenen. Demgegenüber sei deren Garage und Wohnhaus um mehr als 50 cm höher als genehmigt gebaut worden und führe zu erheblichen Nachteilen für seinen Wohnbereich. Sein Garagentor liege 8,62 m von dem der Beigeladenen entfernt. Die Dachneigung der beanstandeten Garage der Beigeladenen sei steiler als seine. Die nach Westen abfallende Hanglage des Geländes und der Anliegerstraße seien mit zu berücksichtigen. Er selbst habe den zulässigen Bauwich um 15 cm unterschritten, während die Beigeladenen ihn um 54 cm, stellenweise sogar um 68 cm überschritten hätten. Entscheidend für die Festlegung der maßgeblichen Bezugshöhen sei die Baugenehmigung und nicht das natürliche Geländeniveau.

21.

Der Senat hat die Örtlichkeit durch den Berichterstatter besichtigen lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 14. Oktober 1993 Bezug genommen.

22.

Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf deren Schriftsätze in beiden Rechtszügen und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der Berufungsverhandlung waren.

 

II.

23.

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind zulässig, aber unbegründet.

24.

Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf ein erneutes Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen nach Maßgabe der zu Unrecht im Widerspruchsverfahren aufgehobenen Rückbauanordnung vom 9. Juni 1988.

25.

Die Rechtsgrundlage des Klaganspruchs ergibt sich aus einer Verpflichtung der Beklagten zum bauaufsichtsbehördlichen Einschreiten nach § 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NBauO. Danach kann insbesondere die Ausführung erforderlicher Arbeiten angeordnet werden, wenn bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Zwar hat ein betroffener Nachbar hiernach nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. In Ausnahmefällen kann sich jedoch der dem Bauaufsichtsamt eingeräumte Ermessensspielraum derart reduzieren, daß nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist und allenfalls für die Art des Einschreitens noch ein Ermessensspielraum der Behörde verbleibt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 4.10.1985 - 1 OVG A 34/85 -, BRS 44 Nr. 195 u. v. 16.5.1988 - 1 OVG A 23/87 -, BRS 48 Nr. 191 = BauR 1989, 188 u. Urteil v. 25.1.1993 - 6 L 195/90 -, NdsRpfl 1993, 197 = dng 1993, 97; OVG Berlin, Beschl. v. 7.9.1990, BRS 50 Nr. 206). Die Voraussetzungen einer Pflicht zum Einschreiten hat die Beklagte ursprünglich selbst zutreffend angenommen. Davon ist mit dem Verwaltungsgericht nach wie vor auszugehen. Dazu genügt es, daß der Grenzbau der Beigeladenen gegen nachbarschützende Grenzabstandsvorschriften verstößt und das benachbarte Grundstück des Klägers nicht unerheblich beeinträchtigt. Zumindest ist beides von der Beklagten als Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, da dieser nicht nur ein behördliches Einschreiten gegen die Beigeladenen unverzüglich begehrt hat, sondern ursprünglich sogar mit Erfolg. Das Abrücken hiervon durch die angefochtenen Bescheide ist als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.

26.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß in Fällen vergleichbarer gesetzwidrig überhöhter Grenzgaragen eine entsprechende Rückbauanordnung des Bauamts vom betroffenen Nachbarn verlangt werden kann, sofern die Auswirkungen wie hier deutlich wahrnehmbar sind, zu einer zusätzlichen Verschattung des Wohngartens führen und den Eindruck einer Einmauerung an der schutzwürdigen Stelle des Wohnbereichs vermitteln (vgl. VGH München, BRS 48 Nr. 175 u. BRS 40 Nr. 237; OVG Münster, BRS 40 Nr. 191). Selbst eine nur um 30 cm zu lang errichtete Grenzgarage mußte auf Verlangen des Nachbarn entsprechend reduziert werden, weil es sich nicht nur um eine geringfügige Überlänge handelte (OVG Lüneburg, BRS 48 Nr. 191 = BauR 1989, 188; OVG Münster, BRS 50 Nr. 185 = BauR 1990, 341). Denn in unmittelbarer Nähe seiner Terrasse brauchte der Nachbar die Überlänge an der Westseite seines Grundstücks, also zur Nachmittagssonne hin, nicht hinzunehmen. Deshalb kann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten, zumal es sich um eine Überhöhung handelt, die an der Grenze 54 cm und mit dem Dachfirst sogar 68 cm erreicht. Die Ermessensreduzierung auf Null folgt hier nicht aus einer schwerwiegenden Störung oder Gefahr für wesentliche Rechtsgüter wie Leib und Leben, sondern aus dem Gedanken einer Wiedergutmachung der Nachbarrechtsverletzung (vgl. OLG München, MDR 1993, 867). Diese ist nur dann als zumutbar hinzunehmen, wenn sie sich auf das benachbarte Grundstück nur unwesentlich auswirkt. Eine Ablehnung bauaufsichtsbehördlicher Maßnahmen kommt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit etwa in Betracht, wenn eine Grenzbebauung die zulässigen Maße nur so geringfügig überschreitet, daß weder öffentliche noch private nachbarliche Belange ernsthaft berührt werden, andererseits aber dem Bauherrn ein relativ schwerwiegender Schade entstünde (OVG Lüneburg, BRS 23 Nr. 198 u. Urteil v. 18.12.1992 - 6 L 26/90 - zur Unterschreitung des Grenzabstandes um weniger als 14 cm). Eine derartige Bagatellverletzung der Grenzabstandsvorschriften ist hier jedoch nicht anzunehmen, weil die Überhöhung ohne weiteres mit bloßem Auge wahrnehmbar und nicht etwa nur durch Nachmessen zu ermitteln ist.

27.

Der Senat hat erst kürzlich entschieden, daß die Erhöhung einer Grenzgarage im Rahmen der Sanierung ihres Flachdachs auf Verlangen des Nachbarn zu beseitigen war, weil die Überschreitung der zulässigen Höhe um ca. 50 cm nicht mehr als geringfügig gelten konnte und die Aussicht von der Terrasse des Nachbarn einschränkte (Urteil v. 29.7.1992 - 6 L 141/89). Allerdings ist nicht allein das Ausmaß der Unterschreitung des vorgeschriebenen Grenzabstandes maßgeblich für die Frage der Verpflichtung der Behörde zum Einschreiten. Hierfür kommt es vielmehr auf die konkrete örtliche Situation im einzelnen an, insbesondere auf die Himmelsrichtung, die übrige Grundstücksnutzung auf beiden Seiten, Hanglagen und ähnliche Umstände. Außerdem ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß die Beigeladenen ihr von der Baugenehmigung abweichendes Vorhaben trotz des Widerspruchs des Klägers auf eigenes Risiko ausgeführt haben, so daß die Höhe der Rückbaukosten demgegenüber allenfalls ins Gewicht fallen könnten, wenn der Kläger ausschließlich auf einer Einhaltung des § 7 NBauO bestehen würde, ohne für sein Grundstück eine effektive Verbesserung erreichen zu können. Ein derartiges Verlangen wäre mit dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kaum vereinbar und könnte als treuwidrig von der Behörde ermessensfehlerfrei übergangen werden. Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ortsbesichtigung im Berufungsverfahren kann von einem derartigen schikanösen Begehren des Klägers jedoch keine Rede sein. Sein Wohngrundstück in ruhiger Stadtrandlage ist durch den Grenzbau der Beigeladenen an der empfindlichsten Seite betroffen, nämlich in unmittelbarer Nähe der Terrasse, von der der Blick in südwestlicher Richtung über freie Landschaft bis zum Höhenzug des Deisters reicht. Die zusätzliche Verschattung in den Abendstunden liegt auf der Hand. Die geringe Breite des Wohngartens des Klägers und die damit verbundene Nähe von Terrasse und Wohnraum zur streitigen Grenzgarage der Beigeladenen läßt deren Überhöhung besonders spürbar werden. Das könnte anders sein, wenn dazwischen noch Platz für ein Nebengebäude oder eine Grundstücksauffahrt verblieben wäre oder die Garage im vorderen Grundstücksbereich stünde, wo sie den rückwärtigen Wohngarten nicht störte (vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 20.5.1992 - 1 L 162/90). Gemessen an vergleichbaren Fällen in der Rechtsprechung verbietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der baurechtswidrigen Grenzgarage der Beigeladenen keineswegs, von einer Rückbauanordnung abzusehen. Vielmehr durfte die Beklagte die einmal erlassene Rückbauverfügung auf den Widerspruch der Beigeladenen nicht wieder aufheben, denn sie ging dabei von der unzutreffenden Voraussetzung aus, daß es sich lediglich um eine geringfügige Überhöhung handele. Dabei hat sie jedoch verkannt, daß Geringfügigkeit nur bei einer Unterschreitung des Grenzabstandes um wenige Zentimeter anzunehmen ist, die eine Beseitigungsanordnung als unverhältnismäßig erscheinen ließe (vgl. OVG Lüneburg, NdsRpfl 1984, 22 f).

28.

Zwar könnten die Beigeladenen an der Grenze eine 3 m hohe Garage errichten. Diese müßte jedoch mit einem Flachdach an das Wohnhaus angebaut werden, um die nach § 12 Abs. 1 NBauO zulässigen Maße einzuhalten. Die Beeinträchtigung des Terrassen- und Wohnraumbereichs des Klägers würde sich jedoch damit im Ergebnis verringern, weil der Bauwich in voller Breite von 3 m eine Höhe von 3 m wahren würde und damit der bisherige überhöhte Garagendachfirst entfiele.

29.

Schließlich ist eine vergleichbare Inanspruchnahme des Bauwichs durch die eigene Garage des Klägers nicht gegeben, die seinen Anspruch auf Einschreiten ausschließen könnte (vgl. OVG Lüneburg, BRS 42 Nr. 196). Der entscheidende Unterschied ergibt sich bereits aus den Standorten beider Garagen der Beteiligten. Die Garage des Klägers steht vor den Häusern und kann sich auf die rückwärtigen Wohngärten von vornherein nicht auswirken. Außerdem beschattet sie nicht das Grundstück der Beigeladenen, sondern das eigene, liegt also in einer für die Beigeladenen günstigeren Himmelsrichtung. Weiter hat sie ihre Zufahrt von dem Vordergarten der Beigeladenen abgewandt und beschränkt sich auf eine fensterlose Grenzwand mit einer Länge von nur 7,70 m. Deshalb kommt es auf weitere Details der Höhenunterschiede nicht an. Beide Garagen stehen nicht einmal versetzt aneinander, sondern in miteinander nicht vergleichbaren Grundstücksbereichen. Die umstrittene Garage der Beigeladenen wirkt durch ihre lange Zufahrt und rückwärtige Lage noch südlich der Terrasse des Klägers besonders störend. Ähnliche Auswirkungen lassen sich bei der Grenzgarage des Klägers nicht feststellen, selbst wenn sie ebenfalls mit oder ohne Zustimmung der Beigeladenen mehr oder weniger deutlich überhöht sein sollte. Die Hinweise und Berechnungen der Beklagten und der Beigeladenen im Hinblick auf die Garage des Klägers gehen wegen deren erheblich weniger störenden Standorts von vornherein ins Leere.

30.

Nur wenn die Beklagte noch nicht gegen die Beigeladenen vorgegangen wäre, bliebe es ihr überlassen, in welcher Weise sie von ihrem Ermessen nach § 89 Abs. 1 NBauO Gebrauch machte mit der Folge, daß lediglich ein Bescheidungsurteil nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in Betracht käme. Nachdem jedoch bereits die Rückbauanordnung vom 9. Juni 1988 verfügt wurde, genügt auf die Anfechtung des Aufhebungsbescheides vom 16. Juni 1989 dessen gerichtliche Aufhebung, um dem Anspruch des Klägers auf eine fehlerfreie Ermessensausübung Rechnung zu tragen. Erst wenn trotzdem die angeordnete Reduzierung nicht erfolgt, kann der Kläger auch die Durchsetzung der Ausgangsverfügung vom 9. Juni 1988 nach § 89 Abs. 4 NBauO mit geeigneten Zwangsmaßnahmen verlangen.