Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 24.9.1986
- 2 A 10/86
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 (weitere Fundstellen: NJW 1987, 1660 f.)

 

Leitsatz

 

Dem Betroffenen steht hinsichtlich einer ungerechtfertigten Herabsetzung durch einen Beamten nur dann ein Widerrufsanspruch gegen dessen Dienstherrn zu, wenn diesem das Verhalten des Beamten zuzurechnen ist.

 

Zum Sachverhalt

1.

Der Kläger, Regierungsamtmann bei einer Bundeswehrdienststelle, hat einen Kollegen in Personalversammlungen wiederholt einer unkorrekten Dienstausübung bezichtigt. Schließlich reagierte der betreffende Kollege mit der Bemerkung, er werte die Kritik, die der Kläger an seiner dienstlichen Tätigkeit übe, als eine Verleumdung; er erwäge, wegen dieser Kritik eine Verleumdungsklage gegen den Kläger zu erheben. Nachdem eine Dienstaufsichtsbeschwerde und eine weitere Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers erfolglos geblieben waren, hat er Klage gegen seinen Dienstherrn mit dem Ziel erhoben, dieser möge die Äußerung des Kollegen, er fühle sich verleumdet, ihm gegenüber widerrufen.

2.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig, das Oberverwaltungsgericht hat sie als unbegründet abgewiesen.

 

Aus den Gründen:

3.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I 1 VwGO gegeben. Denn es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit. Eine solche ist anzunehmen, wenn das Klagebegehren sich als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist, wobei es auf die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses ankommt. Ausgehend vom Sachvortrag des Klägers ist dabei zu fragen, ob der Sachverhalt Rechtssätzen unterworfen ist, die sich als Sonderrecht des Staates oder anderer Träger öffentlicher Aufgaben darstellen (Kopp, VwGO, 7. Aufl., § 40 Rdnr. 11).

4.

In diesem Rahmen sind Klagen, die darauf gerichtet sind, einem Träger öffentlicher Verwaltung ein hoheitliches Handeln zu gebieten, immer als öffentlichrechtlich zu qualifizieren, weil den Zivilgerichten, sofern nicht eine Spezialregelung vorliegt, die Möglichkeit zu entsprechenden Entscheidungen fehlt (Kopp, § 40 Rdnr. 7 m. w. Nachw.) und solches Handeln immer aus öffentlichem Sonderrecht des Hoheitsträgers geschieht.

5.

Der hier geltend gemachte Widerrufsanspruch ist nach Klageantrag und Begründung eindeutig gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland als Träger der Behörde Standortverwaltung gerichtet. Es wird daraus hergeleitet, daß diese Behörde sich die Äußerung des Regierungsamtmannes als eigene zurechnen lassen müsse. Hiernach kann es indessen nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger den eingeklagten Anspruch aus einem dem dienstlich-hoheitlichen Bereich Beklagten zuzurechnenden Geschehensablauf herleitet. Damit ist aber der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, während die Frage, ob ein vom Kläger geltend gemachter Widerrufsanspruch gegen die beklagte Bundesrepublik tatsächlich gegeben ist, dem materiellen Recht zugehörig und deshalb auf die Zulässigkeit der zum VG erhobenen Klage ohne Einfluß ist ... Die danach zulässige Klage ist jedoch unbegründet ...

6.

Den geltend gemachten Widerruf kann der Kläger zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. Folgenbeseitigungsanspruchs verlangen. Denn ein solcher Anspruch ist nur dann gegeben, wenn ein Träger hoheitlicher Gewalt in eine subjektive Rechtsposition des Bürgers eingreift und damit einen rechtswidrigen Zustand schafft, der noch andauert. Hier fehlt es bereits an der ersten Anspruchsvoraussetzung. Die Beklagte ist hinsichtlich der vom Kläger erhobenen Forderung auf Widerruf der streitigen Äußerung des Regierungsamtmannes nicht passivlegitimiert, weil ihr der Vorwurf der Verleumdung nicht als eigene Äußerung zuzurechnen ist.

7.

Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist die Tatsache, daß die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts selbst handlungsunfähig ist. Sie handelt vielmehr durch ihre Organe und Amtswalter, deren Verhalten ihr als eigenes zugerechnet wird. Aus diesem Zusammenhang ergeben sich auch die notwendigen Voraussetzungen und Einschränkungen der Zurechenbarkeit. Das Handeln des Amtswalters muß im Zusammenhang mit der ihm anvertrauten Amtsführung stehen und in Wahrnehmung amtlicher Verrichtungen geschehen, um es der juristischen Person zuzurechnen. Der Kreis der vom Dienstherrn zugewiesenen Aufgaben und Kompetenzen begrenzt den Bereich, in dem der Amtswalter die Körperschaft in zulässiger Weise verpflichten kann. Zwar entfällt die Verantwortlichkeit des Dienstherrn nicht schon dann, wenn der Amtswalter seine Kompetenzen im Einzelfall überschreitet, sofern dies noch anläßlich und im Zusammenhang mit den zugewiesenen Aufgaben steht. Der Dienstherr könnte ansonsten geltend machen, daß jedes rechtswidrige Verhalten seiner Organe wegen Kompetenzüberschreitung nicht der Körperschaft zurechenbar ist. Eine Zurechnung zur Amtsführung kann aber der juristischen Person auch nicht in jedem Falle aufgedrängt werden, in dem ein Beamter als Privatperson handelt, auch wenn dies gelegentlich der amtlichen Tätigkeit geschieht, aber lediglich der Wahrnehmung eigener persönlicher Interessen dient. Denn der Amtswalter verliert dadurch, daß er für ein Organ des Staates handelt, auch im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit nicht die Möglichkeit und die Befugnis, rechtlich erhebliche Handlungen im eigenen Rechtskreis vorzunehmen. Entsteht in der zuletzt genannten Weise eine streitige rechtliche Beziehung allein zwischen dem Beamten als Person und einem Dritten, so kann dieser die Auseinandersetzung nicht auf den Dienstherrn des Beamten ausweiten. Denn es mangelt an einem bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnis. Ebensowenig kann auf der anderen Seite allerdings der Dienstherr ein ihm objektiv zuzurechnendes Verhalten seines Amtswalters mit dem Hinweis abwehren, daß er sich nicht damit identifiziere. Es muß vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles objektiv festgestellt werden, ob der Bereich der Amtsführung berührt ist. Dabei ist darauf abzustellen, ob der Amtswalter eine ihm intern obliegende Zuständigkeit im Außenverhältnis wahrgenommen und ob er dabei amtliche Autorität in Anspruch genommen hat. Im Bereich des Persönlichkeitsrechts gebietet es der Schutz des Betr., ihm die Klage gegen die Körperschaft jedenfalls dann zu eröffnen, wenn der Angriff nach der Betrachtung eines verständigen Beobachters von einem mit öffentlicher Autorität ausgestatteten Hoheitsträgers ausgeht.

8.

So liegt der Fall hier aber nicht. Das zwischen dem Kläger und dem Regierungsamtmann bestehende Spannungsverhältnis ist zwar vor dem Hintergrund der dienstlichen Tätigkeit bei Beklagten entstanden. Die Kritik des Klägers war auch zunächst ohne Namensnennung gegen die Einstellungspraxis der S gerichtet ... In seiner Dienstaufsichtsbeschwerde stellte der Kläger dann klar, daß, obwohl die Kritik an die Dienststelle gerichtet war, die meisten Beschäftigten wußten, daß sie sich insbesondere auf A bezog. Dessen daraufhin erfolgte Äußerung, er werte die Kritik des Klägers als Verleumdung gegen sich und erwäge, Verleumdungsklage zu erheben, ist Ausdruck dessen, daß er sich persönlich angegriffen fühlte und zur Wiederherstellung seiner persönlichen Ehre die angedeuteten Maßnahmen ergreifen wolle. Darin liegt aber nur eine Wahrung des Eigeninteresses, ohne daß angedeutet wird, daß er im Namen der Verwaltung etwas unternehmen wollte. A war auch nicht im beamtenrechtlichen Sinne Vorgesetzter des Klägers, als er diese Äußerungen tat und stellte auch keine diesbezüglichen Maßnahmen in Aussicht. Von dem für ein Eingreifen des Dienstherrn in diesem Falle zuständigen Dienststellenleiter wurden im Falle der Kritik und des darauf folgenden Verleumdungsvorwurfs keine gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen getroffen. Dem Dienststellenleiter hätte es aber oblegen, die Standortverwaltung als solche in Schutz zu nehmen und gegenüber dem Personalrat wie gegenüber dem Kläger tätig zu werden. Soweit der Kläger in dem Verfahren der Dienstaufsichtsbeschwerde das Ziel verfolgte, die Beklagte solle den Regierungsamtmann anweisen, sich zu entschuldigen, zeigt dies zusätzlich, daß es ihm ausschließlich um eine persönliche Reaktion des A im Sinne einer Genugtuung gegangen ist. Auch noch in dem Schreiben an den Bundesminister der Verteidigung hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, daß die Äußerung zwar während des Dienstes und in Beziehung auf den Dienst gefallen sei; sein Ziel war aber auch dort noch die Rücknahme des Vorwurfs durch A persönlich. Zusätzlich betonte er in diesem Zusammenhang, daß er die Beschwerde nicht geschrieben habe, um auf Mißstände in der Dienststelle hinzuweisen. Damit hat er selbst auf das persönliche Zerwürfnis mit A hingewiesen. Danach handelt es sich um einen Streit zwischen den beiden Beamten, der zwar im dienstlichen Umfeld entstanden ist, aus dem aber in bezug auf den hier streitigen Verleumdungsvorwurf kein Verwaltungsrechtsverhältnis zu Beklagten begründet wurde. Nicht die Beklagte hat aufgrund einer zurechenbaren Handlung durch die Amtsführung des Regierungsamtmannes den Kläger der Verleumdung bezichtigt, sondern dieser hat insoweit als Privatperson, nicht aber als Amtswalter Beklagten gehandelt. Gegen diese vermag sich der hier erhobene Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu richten.

9.

In dieser Situation bedarf es keiner weiteren Erörterung, daß ein von einem Beamten erhobener Vorwurf auch unbeschadet seiner Zurechnung zur Amtsführung so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung oder Einstellung sein kann, daß wegen dieses persönlichen Gepräges der Ehrkränkung die Widerrufserklärung eine unvertretbare persönliche Leistung des Beamten darstellt und eben deshalb nur, wenn sie vom Beamten persönlich abgegeben wird, geeignet ist, der Wiederherstellung der Ehre zu dienen (BGH, NJW 1961, 658; OLG Zweibrücken, NVwZ 1982, 332; OVG Münster, ZBR 1984, 16). Dies dürfte zwar, ebenfalls mit der Folge der fehlenden Passivlegitimation der Bekl., aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles zu bejahen sein. Doch fehlt es hier bereits, wie dargelegt, an der Zugehörigkeit des inkriminierten Verhaltens zur Amtsführung.

10.

Der Klage kann letztlich aus demselben Grund auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht Beklagten gem. § 79 BBG entsprochen werden. Inhalt der Fürsorgepflicht ist es unter anderem, daß der Dienstherr den Beamten unvoreingenommen, wohlwollend und gerecht zu behandeln hat. Soweit eine als abschließend anzusehende beamtenrechtliche Spezialregelung fehlt, können sich aus der Fürsorgepflicht auch unmittelbare Erfüllungsansprüche und bei schuldhafter Verletzung Schadensersatzansprüche ergeben. Dies gilt auch für den Schutz der Rechtsgüter des Beamten, wie Arbeitskraft, Gesundheit, Eigentum und Ehre. Deshalb kann auch grundsätzlich der Widerruf einer ehrkränkenden Äußerung als Naturalrestitution bei einer rechtswidrigen und schuldhaften Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Bediensteten in Betracht kommen. Indessen hat ein solcher Widerruf aber nur dort Platz, wo die beklagte Körperschaft auch tatsächlich die inkriminierte Äußerung als ihr zuzurechnendes Verhalten gelten lassen muß. Ein Widerruf eines gar nicht erhobenen Vorwurfs kann nicht verlangt werden. So liegt es indessen - wie vorstehend bereits ausgeführt - hier. Die Beklagte hat sich den Vorwurf der Verleumdung nicht etwa in der Person des Dienststellenleiters zu eigen gemacht. Vielmehr handelte es sich um eine persönliche Wertung desjenigen Beamten, dessen Amtsführung vom Kläger in Zweifel gezogen worden war. Insoweit könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob der Dienststellenleiter aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht gehalten gewesen wäre, auf den Amtmann A zu einem Widerruf gegenüber dem Kläger einzuwirken. Dies erscheint indessen sehr zweifelhaft, weil der Dienstherr allenfalls im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstfriedens, nicht aber zum Schutz eines Beamten einem anderen wird gebieten können, entgegen dessen subjektiver Überzeugung eine bestimmte Meinung zum Verhalten des Kollegen nicht mehr haben und äußern zu dürfen. Zudem bleibt zu sehen, daß die Beklagte durch die Bemühungen des Dienststellenleiters um ein klärendes Gespräch und die eingehende Prüfung der Vorgänge im Rahmen der Dienstaufsichtsbeschwerde ohnehin nach pflichtgemäßem Ermessen ihre Fürsorgepflicht wahrgenommen hat. Indessen bedarf es hier keiner abschließenden Beurteilung der insoweit gegebenen Rechtslage, weil der Kläger nach seinen eindeutigen Anträgen in beiden Rechtszügen allein eine Widerrufserklärung ihm gegenüber unmittelbar durch die Beklagte selbst und nicht deren Einwirkung auf ein Verhalten des Regierungsamtmannes A begehrt.