(weitere Fundstellen AS [RhPf.] 1, 288 ff.)
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Leitsätze |
1. |
Staatsaufsichtliche Anordnungen sind stets an den Bürgermeister der Gemeinde zu richten. |
2. |
Bei der Gewährung des Unterhaltsbeitrages an einen Gemeindeangestellten handelt es sich um die Erfüllung einer bürgerlichrechtlichen Verpflichtung; sie unterliegt daher nicht dem Anordnungsrecht der Aufsichtsbehörden. |
3. |
Als "ordentliche Gerichte" i. S. des § 115 Abs. 3 GemO sind auch die Arbeitsgerichte anzusehen. |
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Tatbestand |
1. |
Der beklagte Landrat richtete am 7. März 1950 an die Gemeinde K. – Klägerin – folgende Verfügung:
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2. |
Die Beschwerde der Klägerin gegen diese Anordnung wurde durch den Regierungspräsidenten verworfen. Die Klage zum BVG hatte Erfolg. Die Berufungen des beigeladenen Regierungspräsidenten wurden zurückgewiesen. |
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Aus den Gründen |
3. |
1. Das Bezirksverwaltungsgericht hat ausgeführt, daß die angefochtene Verfügung nur als eine dienstliche Weisung gegenüber dem Bürgermeister anzusehen sei. Eine staatsaufsichtliche Verfügung hätte an den Stadtrat, der allein zur Einstellung und Entlassung, also auch zur Regelung der Besoldungsverhältnisse zuständig sei, gerichtet werden und dieser hätte zuvor angehört werden müssen. |
4. |
Gegen diese Auslegung der Verfügung vom 7. März 1950 sprechen aber nicht nur ihr Wortlaut und ihre Form, sondern auch der in § 46 der GemO ausgesprochene Grundsatz, daß der Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt und daß er die Verfügungen der Aufsichtsbehörde auszuführen hat (vgl. § 46 Ziff. 5 der GemO). Daraus ergibt sich deutlich, daß staatsaufsichtliche Anordnungen an den Bürgermeister der Gemeinde zu richten sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie die laufende oder die an eine Mitwirkung der Vertretungskörperschaft gebundene Gemeindeverwaltung betreffen. Somit kann dahingestellt bleiben, ob für die Regelung und Auszahlung des Unterhaltsbeitrages eine Mitwirkung der Gemeindevertretung erforderlich war. Selbst wenn die Gemeindevertretung insoweit hätte mitwirken müssen, so wäre die staatsaufsichtliche Anordnung nicht deshalb fehlerhaft, weil die Gemeindevertretung vor ihrem Erlaß nicht gehört wurde. Eine derartige Anhörung ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, und auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht hierfür keine zwingende Notwendigkeit. |
5. |
Die angefochtene Anordnung ist aber auch im übrigen zu beanstanden, weil durch staatsaufsichtliche Anordnungen nur die Erfüllung der einer Gemeinde obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen erzwungen werden kann (§ 115 Abs. 1 der GemO). Bei der Gewährung des Unterhaltsbeitrages an einen Gemeindeangestellten handelt es sich jedoch um die Erfüllung bürgerlich-rechtlicher Verpflichtungen der Gemeinde, die gemäß § 115 Abs. 3 GemO nicht dem Anordnungsrecht der Aufsichtsbehörde unterliegen. |
6. |
Der Beklagte und die Berufungskläger haben ihre Auffassung, daß es sich bei dem Unterhaltsbeitrag um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handele, damit begründet, daß die Zahlung des Unterhaltsbeitrages nicht aus dem bestehenden privatrechtlichen Dienstverhältnis hergeleitet werden könne, sondern allein auf der gesetzlichen Regelung des Rechtsstellungsgesetzes beruhe. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Die Tatsache, daß der Unterhaltsbeitrag durch Gesetz geregelt ist, ist für seinen rechtlichen Charakter nicht ausschlaggebend. So ist z. B. die Vergütungspflicht des Dienstherrn bei vorübergehender Verhinderung des Dienstverpflichteten, die Pflicht zur Krankenfürsorge gleichfalls durch gesetzliche Vorschriften (§§ 616, 617 BGB) geregelt. In gleicher Weise sind Vorschriften über die Lohnzahlung an Feiertagen erlassen worden (vgl. Bundesgesetz vom 2. August 1951 - BGBl I S. 479 -). In diesen Fällen ist bisher nicht angezweifelt worden, daß es sich dabei um Ansprüche privatrechtlicher Art handelt, obwohl sie durch Gesetz begründet worden sind. |
7. |
Das gleiche gilt für den an Angestellte zu gewährenden Unterhaltsbeitrag. Aus § 1 des Rechtsstellungsgesetzes ergibt sich deutlich, daß der Gesetzgeber das Fortbestehen früherer Dienstverhältnisse anerkennt. Der gemäß §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu zahlende Unterhaltsbeitrag wird mit Rücksicht auf den Fortbestand dieser Dienstverhältnisse gewährt. Seinem Wesen nach bleibt der Unterhaltsbeitrag daher eine, wenn auch herabgesetzte, Angestelltenvergütung. Es. trifft zwar zu, daß für den 'Unterhaltsbeitrag. der Angestellten die für Beamte geltenden Vorschriften (§§ 4. ff des Gesetzes) sinngemäß anzuwenden sind. Diese Bezugnahme kann an dem rechtlichen Charakter des Unterhaltsbeitrages nichts ändern. Sie dient offensichtlich nur einer Berechnungsgrundlage für die Höhe des Unterhaltsbeitrages, weil das bisherige Tarifrecht darüber keine Vorschriften enthielt. Auch aus § 8 der 2. DVO, zum Rechtsstellungsgesetz vom 6. Juli 1950 (GVBl S. 236), der diese -Berechnungsgrundlage näher erläutert, kann keine gegenteilige Folgerung gezogen werden. Dies ist in der Praxis der Gerichte auch insofern bereits anerkannt worden, als Ansprüche der Angestellten auf Unterhaltsbeitrag stets bei den Arbeitsgerichten geltend gemacht worden sind. |
8. |
Handelt es sich, somit um Ansprüche privatrechtlichen Charakters, so ist ein Anordnungsrecht der Aufsichtsbehörde durch § 115 Abs. 3 GemO ausgeschlossen. Als "ordentliche Gerichte", vor denen solche Ansprüche geltend zu machen sind (§ 115 Abs. 3 aaO) müssen auch die Arbeitsgerichte angesehen werden. Denn aus § 115 Abs, 1 GemO ist zu folgern, daß sich die Zulässigkeit von staatsaufsichtlichen Anordnungen auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen beschränkt, daß aber privatrechtliche Ansprüche jeder Art von diesem Anordnungsrecht ausgenommen sind. |
9. |
Es muß daher dem Beigeladenen überlassen bleiben, seine Ansprüche in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht zu verfolgen. |