Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 21.Juni 1994
- 11 B 11428/94 -
Weitere Fundstellen: NVwZ-RR 1995, 30 ff.
|
Gründe: |
1. |
Die Beschwerde ist unbegründet. |
2. |
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die polizeiliche Verfügung vom 07. Februar 1994, mit der die Antragsgegnerin ihr die Inbetriebnahme des "Quasar - The life action Laser game" untersagt hat, zu Recht abgelehnt. Diese polizeiliche Verfügung ist offensichtlich rechtmäßig, so daß kein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung besteht. |
3. |
Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist § 9 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG - in der Fassung vom 10. November 1993 (GVBl. S. 595). Die Anwendung dieser Generalklausel, die die allgemeinen Ordnungsbehörden berechtigt, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - nicht durch speziellere gewerberechtliche Vorschriften ausgeschlossen. Insbesondere kommt eine Untersagung des Spielbetriebes nicht nach § 15 Abs. 2 der Gewerbeordnung - GewO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 01. Januar 1987 (BGBl. I S. 425) in Betracht, da der Betrieb keiner gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33 i Abs. 1 GewO bedarf. Das Unternehmen der Antragstellerin dient nämlich nicht der gewerbsmäßiger "Aufstellung" von Unterhaltungsspielen ohne Gewinnmöglichkeit; die bloße "Veranstaltung" von Unterhaltungsspielen wird vom Wortlaut der Norm nicht erfaßt (ebenso VG München, Beschluß vom 18. April 1994 - M 16 S 94.1535 -; Lippstreu, Gewerbe- und sicherheitsrechtliche Zulassung von "Laserdromes", GewA 1993, 311, 314; a.A. LG Stuttgart, Urteil vom 23. Juni 1993 - 10 KfH 104/93 -, NJW-RR 1994, 427, 428). |
4. |
Das Verwaltungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß der von der Antragstellerin geplante Betrieb der Quasar-Anlage gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des § 9 Abs. 1 POG verstößt und damit die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Antragsgegnerin gegeben sind. Das Quasar-Spiel widerspricht den ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den herrschenden Anschauungen als unerläßliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird. Ausdruck der Wertvorstellungen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung sind die im Grundgesetz geschützte Menschenwürde (Art. 1 GG) und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Diesen Werten widerspricht das Quasar-Spiel, das Vergnügen durch simulierte Tötungshandlungen bereiten will. |
5. |
Der Charakter des Quasar-Spiels ergibt sich aus den von der Antragstellerin selbst vorgelegten Unterlagen. Im Mittelpunkt dieses Spiels steht eine nachempfundene bewaffnete Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen. Zwar ist im Quasar-Informationshandbuch geschildert, daß sich zwei Teams bilden, die sich darauf vorbereiten, die Energie von Quasar mit speziell dafür entwickelten "Energiegewinnern" wiederzuerlangen. Weiter heißt es, daß während des Spiels jeder Spieler einen "Energiegewinner" trägt, der mit einem "Energielader" am Rücken des Spielers verbunden ist. Es ist insofern auch von einem "Laserhandapparat" bzw. "Handzeigergerät" und "Brust- und Rückenpaketen" die Rede. Diese verharmlosende Wortwahl kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der "Laserhandapparat" äußerlich mit einer Maschinenpistole und die "Brust- und Rückenpakete" mit einer gepanzerten Weste vergleichbar sind (s. den englischsprachigen Prospekt, Bl. 5 bis 10 der Verwaltungsakten). Ziel des Spiels ist es, mit dem "Quasarmarschallgewehr" möglichst viele Treffer bei der gegnerischen Mannschaft zu erzielen. Auch wenn durch einen Treffer auf die Quasar-Zentrale eine höhere Punktzahl erzielt werden kann als bei einem "erfolgreichen" Schuß auf einen Gegenspieler, macht gerade der simulierte Kampf "Mann gegen Mann" auf relativ engem Raum den "Reiz" dieses Spiels aus, was sich insbesondere aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Werbematerial einschließlich des Videofilms ergibt. In der Anleitung für die Einweisung der Spieler durch den Spielleiter ("Marschall") ist von verlorenen "Leben" die Rede. Auch wenn das Spiel in einer futuristischen Umgebung (Planetenlandschaft, Weltraumstation) stattfinden soll, wird der reale Kampfcharakter auch im bereits vom Verwaltungsgericht zitierten englischen Prospekt deutlich. Dort wird das Spiel wie folgt umschrieben: |
6. |
|
7. |
Daß die Antragstellerin insofern ein von der englischen Version abweichendes Spiel veranstalten will, ist nicht ersichtlich. So hat sie mit ihrer Beschwerde zwar behauptet, dieser Prospekt sei nicht geeignet, den Charakter des in Deutschland beabsichtigten Spiels erkennen zu lassen. Zur Begründung hat sie lediglich auf die architektonische Gestaltung des Spielfeldes als Phantasiewelt verwiesen, die aber nur den Hintergrund für das reale Kampfgeschehen bildet. Quasar stellt sich demnach als Spiel dar, das darauf angelegt ist, mit waffenähnlichen Geräten auf Menschen zu schießen und damit Tötungshandlungen zu simulieren. |
8. |
Es widerspricht dem durch den Schutz der Menschwürde und den Schutz des menschlichen Lebens geprägten Wertesystem der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, mit simulierten Tötungshandlungen einen "großen Spaß für die ganze Familie" (so die Antragstellerin) zu bieten. Vorliegend geht es nicht um die Bewertung einer realen Kriegshandlung in einem (Verteidigungs-) Krieg, sondern um die Bewertung simulierter Kampfszenen zur "vergnüglichen" Freizeitgestaltung. Der verwerfliche Charakter des Spiels besteht gerade in der Verbindung von nachempfundenen Tötungshandlungen und der bezweckten Unterhaltung. Damit wird öffentlich ein Spiel angeboten, in dem beispielswiese Kinder und Eltern gegenseitig versuchen können, ihre Leben mit Laserstrahlen "auszulöschen". In den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen beschreibt denn auch ein zehnjähriger Junge, er habe es toll gefunden, seine Mutter in der gegnerischen Mannschaft zu verfolgen. |
9. |
Die simulierte Ausübung von Gewalt als Mittel der Freizeitgestaltung verharmlost die reale Gewalt in unzulässiger Weise. Das Spiel ist geeignet, die allgemeinen Hemmschwellen bezüglich ihrer Anwendung abzubauen und die zu beobachtende Entwicklung eines Abstumpfens gegenüber Tötungshandlungen weiter zu fördern. Dies ist gerade in einer Situation nicht mehr hinnehmbar, in der eine zunehmende Gewaltbereitschaft nicht nur gegen Sachen, sondern auch gegen Menschen festzustellen ist, die unter anderem in gewalttätigen Auseinandersetzungen in Schulen und in Brandanschlägen auf Unterkünfte von Ausländern zum Ausdruck kommt und die trotz erheblicher Bemühungen vieler gesellschaftlicher Kräfte nur schwer einzudämmen ist. Bei der Bewertung des Quasar-Spiels ist insofern auch zu berücksichtigen, daß nach den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen die größte Gruppe der Spieler zwischen 14 und 18 Jahren und die zweitgrößte zwischen 19 und 25 Jahren alt ist. Bei den von der Antragstellerin als Hauptzielgruppe angesprochenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist aber die Persönlichkeitsbildung noch nicht abgeschlossen, so daß gerade sie aus der Sicht der Allgemeinheit als besonders gefährdet erscheinen, die Hemmung gegenüber realer Gewaltanwendung zu verlieren, wenn das "Töten" als Spiel angeboten wird, das "unheimlich viel Spaß macht" (so die Beschreibung der Antragstellerin), und zu dem im Hinblick auf die Verbesserung der Trefferquote der Anreiz zu ständiger Wiederholung gegeben wird. Es ist mit unserem Wertesystem nicht vereinbar, die Simulation von Gewalt auf diese Weise im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung gesellschaftsfähig zu machen. |
10. |
Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten der Eidgenössischen Technischen Hochschule Z vom 05. Oktober 1992 gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß. Es beschränkt sich entsprechend der Fragestellung auf das Thema "Auswirkungen des Spielerlebens im L auf das persönliche Erleben der Spieler" und befaßt sich damit allein mit dem subjektiven Empfinden der Spieler. Ob das Quasar-Spiel objektiv die individuelle Gewaltbereitschaft der Spieler fördert oder ob möglicherweise im Einzelfall Aggressionen durch das Spiel abgebaut werden können, ist dadurch weder belegt noch widerlegt. Die Frage kann hier offen bleiben. Das gewerblich veranstaltete und mit entsprechender Werbung verbundene Quasar-Spiel ist nicht darauf ausgerichtet, Aggressionen abzubauen oder zu bewältigen, sondern macht sich gerade die egoistische Veranlagung des Menschen, sich gegenüber anderen (notfalls durch deren Tötung) durchzusetzen, zu eigen. Die Gefährlichkeit des mit lebenden Menschen veranstalteten Tötungsspiels liegt darin, daß Gewalt bis hin zur Tötung von Menschen verharmlost, wenn nicht gar verherrlicht und in einem - real für die Spieler ungefährlichen - Gemeinschaftsspiel zum Zwecke bloßer Freizeitgestaltung als selbstverständliche spielerische Beschäftigung angesehen wird. Die damit auf Dauer eintretende weitere Abstumpfung gegenüber der Achtung vor dem Leben und gegenüber der Anwendung von Gewalt ist mit den Grundlagen eines gedeihlichen Zusammenlebens der Menschen in unserer Gesellschaft nicht vereinbar, nämlich mit dem Gewaltmonopol des Staates, das dem Einzelnen Gewaltanwendung ausnahmsweise nur in Zwangslagen gestattet. Das gewerblich veranstaltete Quasar-Spiel kann deshalb nicht hingenommen werden, und zwar unabhängig davon, ob das Spiel unmittelbar die Aggressionsbereitschaft der Spieler selbst erhöht oder nicht. |
11. |
Demgegenüber läßt sich auch nicht einwenden, die allgemeine Abstumpfung im Hinblick auf die Anwendung von Gewalt durch Verletzung und Tötung von Menschen werde in unserer Gesellschaft bereits durch andere Spiele oder Unterhaltungsangebote und -gewohnheiten verursacht. Mit den bereits vorhandenen Kriegsspielautomaten bzw. den Computer-Kriegsspielen ist Quasar nicht ohne weiteres zu vergleichen. In Quasar stellen die Spieler selbst die Kampfszene nach und bedienen nicht nur Knöpfe, Hebel und Schalter. Sie dirigieren nicht nur Zeichenfiguren, sondern sind selbst aktive Teilnehmer, die umherlaufen, sich verstecken, die Laserpistole anlegen und schießen oder angeschossen werden. Statt "Strichmännchen" auf dem Bildschirm kämpfen Menschen gegeneinander, was die vielleicht noch bei Automaten oder Computerspielen vorhandene Distanz zur Gewaltanwendung aufhebt. Der Gegner ist kein verfremdetes, abstraktes Ziel mehr. Hinzu kommt, das Quasar ein Mannschaftsspiel ist, das durch den Kampf einer Gruppe gegen eine andere Gruppe geprägt ist. Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen geht hervor, daß nur weniger als 10 % von Spielern allein in ein Center gehen. Als Teil einer Gruppe wird das Kampfgeschehen noch realistischer als beim Spiel des einzelnen vor einem Automaten oder Bildschirm. Der Bezug zur Realität ist - anders als die Antragstellerin meint - demnach nicht geringer als bei Computerspielen; vielmehr machen gerade dieser Bezug zur Realität und die aktive Beteiligung der Spieler innerhalb der Gruppe, der sie angehören, den besonderen "Reiz" dieses Spiels und seine Anziehungskraft aus. Auch kann dahinstehen, ob etwa die zahlreichen, äußerst realistischen Gewalt- und Tötungsdarstellungen in den öffentlichen oder allgemein zugänglichen Medien, die in großem Umfang zur Unterhaltung und Freizeitgestaltung benutzt werden, vielleicht die allgemein zu beobachtende zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber Gewaltanwendung noch mehr fördern. Aus dem Umstand, daß andere insoweit möglicherweise mit Quasar vergleichbare Spiele oder Unterhaltungsangebote nicht verboten sind, läßt sich rechtlich nichts herleiten (vgl. dazu, daß dadurch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt wird, BVerfG, Beschluß vom 09. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - NJW 1994, 1577, 1585). |
12 |
Quasar ist auch nicht mit gesellschaftlich anerkannten traditionellen Sportarten vergleichbar, die - wie etwa beim Fechten - an Kampfhandlungen angelehnt sind. Zwar vertritt Prof. M O'B (Universität D) in seiner von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahme die Auffassung, bei Quasar handele es sich um eine Sportart. Dies begründet er letztlich allein damit, daß das Spiel mit körperlicher Betätigung verbunden ist, was aber nicht ausreicht, um eine Sportart anzunehmen. Vielmehr ist maßgebend, daß Quasar ohne Trainingsvorbereitung in einer im übrigen für sportliche Aktivitäten völlig untypischen Atmosphäre stattfindet und nur dem Zeitvertreib, nicht aber der Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit dient (im Ergebnis ebenso LG Stuttgart, a.a.O.; vgl. auch Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, Stand August 1993, § 33 i Rdnr. 12). |
13. |
Die Bewertung des Quasar-Spiels als Gefährdung der öffentlichen Ordnung wird schließlich durch die Auffassung des Bund-Länder-Ausschusses "Gewerberecht" bestätigt, der das Schießen auf Menschen mit Laserwaffen als sozialunwertige, verabscheuungswürdige und die Menschenrechte verletzende Betätigung bezeichnet hat (so Protokoll der Tagung vom 10./11. Mai 1993, zitiert nach Lippstreu a.a.O., S. 312 Fußnote 7). Auch der Parlamentarische Staatssekretär F gab in einer Antwort auf eine Anfrage nach der Bewertung der Existenz eines sog. L bei S durch die Bundesregierung unter anderem an, eine solche Veranstaltung mißachte die Menschenwürde und gefährde das soziale Zusammenleben (BT-Drucksache 12/7462 vom 29. April 1994, S. 7). |