Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 
Beschluss vom 15.11.2002
- 4 B 326/02 -

 (weitere Fundstellen: NVwZ 2003, 623 ff.)

 

Aus den Gründen:

1.

Die am Nachmittag des 15. November 2002 bei Gericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Auf der insoweit maßgeblichen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Grundlage der Darlegungen des Antragsgegners hat das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 11. November 2002 zu Unrecht stattgegeben.

2.

Maßstab der Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Dabei hat das Gericht im Falle einer Anordnung der sofortigen Vollziehung zu prüfen, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens oder des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens dem Verwaltungsakt nicht folgen zu müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (vgl. Beschluss des Senats vom 12. August 1998 - 4 B 31/98 -, NJW 1998, S. 3513). Das gilt allerdings bei Fällen der vorliegenden Art, in denen die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren wegen des zwischenzeitlichen Eintritts des erledigenden Ereignisses vorwegnimmt, mit der Maßgabe, dass das Gericht schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen muss, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, 834, 835; im Übrigen ständ. Rechtspr. des erkennenden Senats, vgl. etwa vom 24. März 2001 - 4 B 36/01.Z -).

3.

Hiervon ausgehend überwiegt im konkreten Fall das öffentliche Interesse an einer Durchsetzung der Verfügung vom 11. November 2002 das private Interesse des Antragstellers. Es spricht bei summarischer Prüfung, zu der sich der Senat angesichts der zeitlichen Gegebenheiten nur in der Lage sieht, alles dafür, dass die angegriffene versammlungsrechtliche Verfügung im Ergebnis rechtmäßig ist.

4.

Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Die öffentliche Sicherheit umfasst hierbei den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel - aber nicht nur - eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit anzunehmen ist, wenn durch die geplante Versammlung strafbare Verletzungen dieser Schutzgüter drohen (vgl. BVerfGE 69, 315, 352; vgl. auch die Entscheidungen des Senats vom 23. April 1999 - 4 B 54/99 - und 24. März 2001 - 4 B 36/01.Z -). Dabei setzt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit voraus, dass der Schadenseintritt bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (BVerfGE 69, 315, 362). Erforderlich ist jeweils eine auf die konkrete Versammlung bezogene Gefahrenprognose, die auf erkennbaren Umständen beruhen muss, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten (vgl. dazu die Entscheidungen des Senats a. a. O.). Im Übrigen kann ein vorgängiges Verbot einer Versammlung als letzte Möglichkeit zum Schutz der öffentlichen Sicherheit nur dann verhängt werden, wenn mildere Mittel, namentlich versammlungsrechtliche Auflagen, nicht ausreichen, um einen hinreichenden Schutz gleichrangiger Rechtsgüter bzw. wichtiger Gemeinschaftsgüter zu gewährleisten (BVerfGE 69, 315, 353 u. 354).

5.

In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die vom Antragsgegner in der Verbotsverfügung gegebene und mit der Beschwerde in Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung bekräftigte Begründung für das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, nämlich ein Verstoß gegen das Feiertagsgesetz des Landes Brandenburg (FTG), und das dem zugrundeliegende Verständnis des Antragsgegners insbesondere des § 5 Abs. 2 FTG, bei - nur möglicher - summarischer Prüfung auch im Lichte der Bedeutung des Art. 8 GG als tragfähig.

6.

Das Feiertagsgesetz des Landes Brandenburg (FTG) konkretisiert den verfassungsrechtlich in Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Verfassung und in Art. 14 der Verfassung des Landes Brandenburg normierten Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe; es ist wie alle Feiertagsgesetze der Länder ein an Art. 8 Abs. 2 GG zu messendes Gesetz (s. auch § 9 FTG), durch das das Versammlungsrecht für Versammlungen unter freiem Himmel, um die es hier geht, an bestimmten Feiertagen zu bestimmten Zeiten beschränkt werden kann, solange dabei den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundrechts an Beschränkungen der Versammlungsfreiheit Rechnung getragen ist. Soweit danach die Abhaltung von Versammlungen mit Blick auf den abstrakten Schutz eines Feiertages durch das Feiertagsgesetz in einer bestimmten Weise normiert ist, handelt es sich um eine gegenüber dem Versammlungsgesetz speziellere Regelung (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 12. April 2001 - 1 BvQ 19 u. 20/01 ). Die Durchsetzung des Feiertagsschutzes als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG kann eine Beschränkung der Versammlung, gegebenenfalls - unter den oben aufgezeigten Voraussetzungen - auch ein Verbot der Versammlung rechtfertigen.

7.

§ 5 FTG, auf den sich der Antragsgegner hier gestützt hat, verbietet in Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und öffentliche Auf- und Umzüge während der Hauptzeit des Gottesdienstes (nach Satz 4 die Zeit von 6 Uhr bis 11 Uhr), soweit hierdurch der Gottesdienst unmittelbar gestört wird. Nach § 5 Abs. 2 FTG gelten bezogen auf den Volkstrauertag, an dem die hier geplante Versammlung stattfinden soll, "die Verbote gemäß Absatz 1" von 4 Uhr bis 24 Uhr. Die Regelung des Abs. 2 der Vorschrift erweitert mithin in zeitlicher Hinsicht u.a. das Verbot von öffentlichen Versammlungen für den Volkstrauertag über die Hauptzeit des Gottesdienstes hinaus. Einen eigenständigen Regelungsgehalt wird man dieser Regelung nur dann beimessen können, wenn die in Absatz 1 enthaltene Beschränkung des Verbotes auf solche Versammlungen, die zu einer unmittelbaren Störung des Gottesdienstes führen, insoweit nicht gilt (in diesem Sinne bereits - zu der damaligen, sogar weniger eindeutigen Fassung des § 5 FTG - VG Potsdam, Beschluss vom 11. November 1993 - 1 L 427/93 -). Der Volkstrauertag ist kein religiöser Feiertag, an dem typischerweise außerhalb der üblichen Zeiten (zusätzliche) Gottesdienste stattfinden. Würde man die zeitliche Ausdehnung der Verbote in § 5 Abs. 2 FTG an eine unmittelbare Gefährdung des Gottesdienstes knüpfen, wäre sie in dieser Form praktisch gegenstandslos. Es spricht deshalb nach der Systematik der Vorschrift und der Bedeutung der in § 5 Abs. 2 FTG genannten Feiertage einiges dafür, dass der Gesetzgeber in Absatz 1 der Vorschrift Versammlungsverbote (nur) mit Blick auf die an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Gottesdienste normieren wollte, während in Absatz 2 der Vorschrift nicht der Schutz des Gottesdienstes, sondern der Schutz des Feiertages als solcher im Vordergrund steht. Der Volkstrauertag zählt mit dem Karfreitag und dem Totensonntag zu den "stillen" bzw. "ernsten" Feiertagen, dessen Charakter als Tag der Trauer, des Totengedenkens und der inneren Einkehr durch die Regelung in § 5 Abs. 2 FTG - wie auch durch ähnliche Regelungen der Feiertagsgesetze anderer Bundesländer (s. etwa § 5 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage das Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Mai 1992) - besonders geschützt werden soll (vgl. allg. zum erhöhten Schutz der stillen Feiertage: Mattner, Sonn- und Feiertagsrecht, 2. Aufl. 1991, S. 225, Rdn. 66; s. auch BVerwG, Beschluss vom 20. April 1983 - 1 B 53/83 -, zitiert nach juris). Die Regelung des § 5 Abs. 2 FTG zielt somit nicht (nur) auf einen Schutz vor Störungen des Gottesdienstes, sondern bei den (wenigen) stillen Feiertagen, die nach ihrem Charakter Anlass und Anhalt für ein stilles Gedenken und Trauer um die Verstorbenen geben, darüber hinaus auf einen Schutz der Feiertagsruhe selbst, um diesen Charakter des Tages zu wahren.

8.

Eine so gemeinte gesetzliche Regelung kann allerdings mit Blick auf die Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht uneingeschränkt gelten. Sie ist im Lichte des Art. 8 GG nicht geeignet, öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel zum Schutzes des Volkstrauertages schlechthin zu verbieten und die Teilnehmer bzw. Veranstalter der Versammlung auf die Einholung einer Ausnahmegenehmigung nach § 8 FTG zu verweisen. Vielmehr gebietet es die besondere, für die freiheitlich-demokratische Ordnung gleichsam konstituierende Bedeutung der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, 2069, 2070 f.; E 69, 315, 344 ff.), das Verbot von vornherein auf solche Versammlungen zu beschränken, die mit dem Charakter des Volkstrauertages als Tag des stillen Gedenkens an die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus nicht vereinbar sind. Diese immanente Beschränkung, von der offenbar auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, entspricht dem im Gesetz selbst angelegten Schutzzweck des § 5 Abs. 2 FTG, der den besonderen Charakter der dort genannten stillen Feiertage schützen will und deshalb - entsprechend dem durch Abs. 1 der Vorschrift bezweckten Schutz des Gottesdienstes - nur dann zum Tragen kommt, wenn durch die Versammlung eine ernsthafte Störung des geschützten Gutes zu besorgen ist. In dieser Auslegung bleibt das Gesetz auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten im Einklang mit Art. 8 GG, denn es verbietet bezogen auf diesen einen Trauer- und Gedenktag eine Versammlung nur dann, wenn sie den Charakter und die Würde des Feiertages ernsthaft stört.

9.

Hier hat der Antragsgegner zu Recht angenommen, dass die geplante Versammlung den Charakter des Volkstrauertages in einer Weise stört, die ein Verbot rechtfertigt. Die Versammlung, für die der Anmelder selbst mit ca. 1.000 Teilnehmern rechnet, steht unter dem Motto "Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten". Sie soll am 17. November 2002, ausgehend vom Bahnhof in Halbe, zu dem dortigen Waldfriedhof führen. Auf dem Waldfriedhof ruhen über 20.000 Soldaten und Zivilpersonen, die bei der sog. Kesselschlacht um Halbe noch im April 1945 gefallen sind, ferner an die 6.000 Opfer sowjetischer Internierungslager sowie von der Wehrmacht hingerichtete Soldaten, außerdem ausländische Internierte und Zwangsarbeiter. Der Friedhof unterfällt dem Bundesgesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) vom 29. Januar 1993, das unter anderem die Erhaltung und Pflege der Gräber der im 1. und 2. Weltkrieg gefallenen Soldaten, der durch Kriegseinwirkung zu Tode gekommenen Zivilpersonen, der Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen und der zu Tode gekommenen Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone sichert (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 Gräbergesetz). Zu diesem Friedhof soll am kommenden Volkstrauertag der vom Antragsteller angemeldete Versammlungszug führen, vor dessen Eingang die Teilnehmer Aufstellung nehmen wollen, begleitet von Lautsprecherfahrzeugen, Fahnenträgern und Transparentträgern. Nach Ansprachen soll dann ein geordneter "Einmarsch" der erwarteten 1.000 Teilnehmer auf das Friedhofsgelände erfolgen, um dort - nach aktualisierten Angaben des Antragstellers über 30 - Kränze niederzulegen, das Ganze begleitet von einem zeremoniellen Gehabe mit militärischem Gruß, Salut, Trompetenstößen etc. (vgl. zu den Einzelheiten die vom Antragsteller überreichte Ablaufplanung). Dieses geplante und gewollte Auftreten der Versammlungsteilnehmer ist - was letztlich auf der Hand liegt - in hohem Maße geeignet, den Charakter des Volkstrauertages zu stören. Ein stilles und dem Anlass angemessenes, also würdevolles und ungestörtes Gedenken der Hinterbliebenen an ihre im Krieg und unter der nationalsozialistischen Herrschaft gestorbenen Angehörigen, das an einem solchen Tag gerade auf einer Ruhestätte wie Halbe stattfinden wird, wäre durch das Auftreten und das nach den eigenen Ankündigungen des Antragstellers zu erwartende Erscheinungsbild der angemeldeten Versammlung praktisch für die Zeit der geplanten Veranstaltung unmittelbar vor und auf dem Friedhof, die allein durch die beabsichtigen Kranzniederlegungen mit anschließenden "Gedenkminuten" längere Zeit in Anspruch nehmen würde, nicht mehr möglich. Dass die Veranstaltung länger andauern wird, hat der Antragsteller im Übrigen in seinem Rechtsschutzantrag 1. Instanz selbst ausgeführt und unter Hinweis hierauf die Mitnahme einer "Feldküche nebst Zubehör" zur zwischenzeitlichen Verpflegung der Teilnehmer begründet. Der Annahme einer Störung des Charakters des Volkstrauertages lässt sich nicht entgegenhalten, dass auch die Teilnehmer der angemeldeten Versammlung nach den Erklärungen der Antragsteller jedenfalls einem Teil der auf dem Waldfriedhof in Halbe ruhenden Toten gedenken wollen, sie sich deshalb - so wird man das Verwaltungsgericht verstehen können - noch im Rahmen der am Volkstrauertag üblichen oder doch hinzunehmenden äußeren Formen des Gedenkens bewegen würden. Entscheidend ist insoweit, dass die Antragsteller bzw. der Antragsteller zu 1. als Anmelder nicht nur eine stille Trauer und innere Einkehr, und sei es von einer Vielzahl von Personen, erreichen wollen, sondern ganz bewusst die Veranstaltung als Versammlung angemeldet und unter ein bestimmtes Motto gestellt haben. Es geht ihnen wie jedem Versammlungsanmelder um die kollektive öffentliche Kundgabe bzw. Darstellung einer bestimmten Meinung (hier: "Ruhm und Ehre den deutschen Frontsoldaten"). Diese gewollte Kundgabe einer bestimmten Meinung kommt in aller Deutlichkeit ferner durch den vom Antragsteller zu 2. verantworteten Aufruf zur Teilnahme am "Heldengedenktag 2002" (Blatt 23 der Beiakte) und der darin liegenden Bezugnahme auf die Bedeutung des anstehenden Feiertages unter der nationalsozialistischen Herrschaft zum Ausdruck, außerdem durch die Beschriftung der Kranzschleifen mit den Namen u.a. von SS-Divisionen. Gerade in dem Charakter der Veranstaltung als Versammlung und in der hierin liegenden Wirkung unterscheidet sich das geplante Auftreten der Teilnehmer der Versammlung von dem Auftreten der anderen Besucher des Waldfriedhofs. Es geht insoweit nicht um ein stilles Trauern, auch nicht in Gemeinschaft, wie das Verwaltungsgericht meint, sondern um die Abhaltung einer unter einem bestimmten Motto stehenden (politischen) Versammlung auf einem Friedhof am Volkstrauertag. Die danach zu erwartende Störung resultiert, was in diesem Zusammenhang betont werden muss, nicht etwa aus der nach dem Hintergrund der Akteure und dem Gesamtzusammenhang möglicherweise anzunehmenden politischen Ausrichtung der Versammlung, und auch nicht aus einer befürchteten Kriegsverherrlichung, wie die Antragsteller in der Beschwerdeerwiderung meinen und sich hiergegen wehren, sondern vielmehr - unabhängig von den Inhalten - aus dem Umstand des nach den eigenen Angaben der Antragsteller geplanten Auftretens der ca. 1.000 erwarteten Teilnehmer vor und auf dem Friedhof zur Durchführung einer politischen Versammlung. Die Besucher des Friedhofs, die die Gräber ihrer gefallenen oder sonst verstorbenen Angehörigen aufsuchen möchten, sähen sich ausgerechnet am Volkstrauertag mit einem solchen Aufmarsch am Eingang zum Friedhof oder sogar auf dem Friedhof selbst konfrontiert, der ein stilles Gedenken, eine ungestörte Zwiesprache und Erinnerung an die Toten nicht zulassen würde. Schon dies reicht aus, um ein auf das Feiertagsgesetz gestütztes Verbot zum Schutz des Volkstrauertages - hier: zum Schutz der Hinterbliebenen vor einer Störung der stillen und würdevollen Trauer um ihre Angehörigen durch eine Versammlung gerade an diesem Tag und an diesem Ort - zu rechtfertigen. Hinzu kommt im konkreten Fall, dass neben der Versammlung des Antragstellers mit einer Reihe von - bereits angemeldeten - Gegendemonstrationen und einem entsprechenden Aufgebot an Polizeikräften vor und im Umfeld des Friedhofs gerechnet werden müsste, so dass auch deshalb eine empfindliche Störung der Feiertagsruhe gerade an diesem Ort befürchtet werden muss. Dabei mag dahinstehen, ob dem Antragsteller dies etwa wegen einer objektiven Provokationswirkung seiner geplanten Versammlung nach der Rechtsfigur des Zweckveranlassers zuzurechnen ist. Entscheidend ist insoweit allein, dass die Versammlung des Antragstellers am Volkstrauertag gerade an diesem Ort schon für sich genommen eine so deutliche und massive Störung des Charakters des Feiertages mit sich bringt, dass ein Verbot wegen der absehbaren Störung der öffentlichen Sicherheit (Verstoß gegen das Feiertagsgesetz) gerechtfertigt erscheint, was durch die weiteren zu erwartenden Umstände (Gegendemonstrationen vor oder sogar auf dem Friedhof, starkes Polizeiaufgebot im Umfeld oder sogar auf dem Friedhof) lediglich bestärkt wird.

10.

Die aufgezeigte Störung der öffentlichen Sicherheit wäre durch die Erteilung von Auflagen als denkbares milderes Mittel nicht abzuwenden. Der Antragsteller will erkennbar gerade an diesem Ort und an diesem Tag, also am Volkstrauertag und vor allem auf dem Waldfriedhof Halbe, die von ihm angemeldete Versammlung durchführen. Eine örtliche oder zeitliche Verlegung der Versammlung liefe letztlich unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts des Versammlungsanmelders (ebenfalls) auf ein Verbot der angemeldeten Versammlung hinaus (insofern unterscheidet sich der Fall von dem vom BVerfG mit Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -, NVwZ 2001, 670, entschiedenen Fall, bei dem es dem Anmelder nach seinen eigenen Angaben nicht darauf ankam, ob die Versammlung an dem geplanten oder dem nächsten Tag stattfindet). Eine wie auch immer geartete Beschränkung der Versammlung unter Beibehaltung von Ort und Zeit, etwa in der Form, die der Antragsgegner vorsorglich in den angefochtenen Bescheid aufgenommen hat, böte letztlich keinen wirksamen Schutz vor der hier drohenden Störung, denn es bliebe im Kern dabei, dass die Besucher der Friedhofs Halbe gerade am Volkstrauertag nicht in Ruhe ihrer Toten gedenken könnten, sondern sich mit einem Aufmarsch von bis zu 1.000 Demonstranten, dazu Gegenveranstaltungen und einem entsprechenden Polizeiaufgebot, konfrontiert sähen. Nach der Lage der Örtlichkeit, wie sie sich für den Senat aus den überreichten Unterlagen, insbesondere auch aus dem Luftbild des Friedhofs ergibt, erscheint eine räumliche Trennung, die einerseits für die Antragsteller und ihre Veranstaltung einen Zugang oder zumindest einen direkten Bezug zu dem Friedhof und andererseits wenigstens eine gewisse Ungestörtheit der Besucher des Friedhofs ermöglichen könnte, nicht realisierbar. Eine massive Störung wäre auch und erst recht bei Umsetzung der vom Verwaltungsgericht verfügten Maßgaben zu besorgen, nach denen auf dem Friedhof selbst für 2 Stunden die Versammlung abgehalten werden kann und für den übrigen Teil der geplanten Versammlung, insbesondere für die direkt vor dem Friedhof beabsichtigte Aufstellung der Teilnehmer, Redebeiträge etc. (s.o.), keine weiteren Beschränkungen ausgesprochen sind.

11.

Neben eine aus den genannten Gründen anzunehmenden Störung der öffentlichen Sicherheit tritt im konkreten Fall eine Störung der öffentliche Ordnung. Die öffentliche Ordnung umfasst gemeinhin die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird. Der Senat verkennt nicht, dass eine Störung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen das Verbot einer Versammlung nicht rechtfertigen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur BVerfGE 69, 315, 352 ff., sowie Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -, DVBl. 2001, 558 f.), der der Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. etwa Beschluss vom 24. März 2001 - 4 B 36/01.Z -), ist eine Gefährdung oder auch ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Allgemeinen bzw. grundsätzlich nicht geeignet, ein Versammlungsverbot zu begründen, sondern nur Auflagen zur Beschränkung der Versammlung. Diese letztlich auf dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit beruhende Rechtsprechung schließt es jedoch - was auch mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersammlG selbst kaum zu vereinbaren wäre - nicht gänzlich oder schlechthin aus, in einer besonders zugespitzten Situation bis zu einem Verbot gehende Beschränkungen einer Versammlung auf die öffentliche Ordnung zu stützen. Es ist eine - freilich in den durch die Bedeutung des Grundrechts nur sehr engen Grenzen überhaupt in Betracht kommende - Frage der Abwägung zwischen den durch die öffentliche Ordnung geschützten und konkret gefährdeten Gütern und dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Veranstalters und der Teilnehmer einer Versammlung an deren Durchführung. Diese Abwägung ergibt im konkreten Fall indes ein überwiegendes Interesse an einem Schutz der öffentlichen Ordnung. Es geht dabei nicht - wie in einer Mehrzahl von gerade in der letzten Zeit bis zum Bundesverfassungsgericht geführten Streitigkeiten (s. etwa Beschluss vom 12. April 2001 - 1 BvQ 19/01 -, betreffend eine Versammlung am Ostermontag, und vom 12. April 2001 - 1 BvQ 20/01 -, betreffend eine Versammlung am Karsamstag) - um den Schutz des Empfindens einer Mehrheit der Bevölkerung vor tatsächlich oder vermeintlich unzumutbaren Provokationen durch die öffentliche Darbietung politischer Gesinnungen mit einer Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut an bestimmten (Feier-)Tagen, sondern - ganz unabhängig von den Inhalten der Versammlung - um eine infolge der Durchführung der Versammlung zu erwartende konkrete und handfeste tatsächliche Störung eines Trauer- und Gedenktages für die Opfer der Weltkriege und des Nationalsozialismus ausgerechnet an einer Gedenkstätte, die die letzte Ruhestätte eben dieser Opfer ist und die deren Hinterbliebenen (auch und gerade) am Volkstrauertag ein ungestörtes Gedenken an ihre Angehörigen ermöglichen sollte. In einer solchen Situation gebietet es der Respekt und die Rücksichtnahme auf die Gefühle der konkret betroffenen Hinterbliebenen, von einer Versammlung wie der hier geplanten Abstand zu nehmen. Auch im Lichte des hohen Wertes der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 des Grundgesetzes spricht bei einer Bewertung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Überwiegendes dafür, für diesen einen Tag des Jahres an diesem besonderen Ort ein im Wortsinn stilles und dem Anlass angemessenes Gedenken an die Verstorbenen zu ermöglichen, ohne mit Störungen der hier zu erwartenden Art konfrontiert zu werden. Es wäre hiernach bei Durchführung der Versammlung eine bestimmte Grenze überschritten, die nach Auffassung des Senats mit Blick auf den Charakter des Feiertages, den Ort und den Schutz Dritter, zumal der gerade an diesem Ort um ihre Toten trauernden Hinterbliebenen, ein auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gestütztes Versammlungsverbot zu rechtfertigen vermag. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier (s.o.) - Auflagen als milderes Mittel nach den Gegebenheiten des Falles ausscheiden.

12.

Auf die weitere Erwägung des Verwaltungsgericht, wonach eine noch ausstehende Ausnahmegenehmigung für die Nutzung des Friedhofsgeländes einer versammlungsrechtlichen Inanspruchnahme des Friedhofs nicht entgegenstehe, weil eine solche Genehmigung jedenfalls zu erteilen sei, kommt es hiernach nicht mehr an, zumal auch die Beschwerde hierauf nicht näher eingeht. Deshalb sei lediglich ergänzend darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht Cottbus mit Entscheidung vom heutigen Tag (2 L 649/02) einen auf eine solche Ausnahmegenehmigung bzw. Duldung gerichteten Eilantrag abgelehnt hat.