Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss vom 23.07.1952
- I B 64.52
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 (weitere Fundstellen: DVBl 1952, 763 f.)

 

Leitsätze:

1.

Ein Hausverbot, durch das einer bestimmten Person das Betreten von Diensträumen untersagt wird, ist ein mit Klage im Verwaltungsstreitverfahren anfechtbarer Verwaltungsakt.

2.

Bei mißbräuchlicher Ausnutzung des jedem Bürger zustehenden Rechts auf freien Zutritt zu den Diensträumen einer Behörde ist die Behörde befugt, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und den Zutritt, notfalls auch für unbestimmte Zeit, zu versagen.

 

Tatbestand:

1.

Der Bezirksbürgermeister des Verwaltungsbezirks S. untersagte der Kl. durch Verfügung vom 5.7.1949 den Zutritt zu sämtlichen Diensträumen des Bezirksamts auf die Dauer von sechs Monaten, weil sie durch ihr lärmendes und unbeherrschtes Verhalten den Dienstbetrieb erheblich, gestört habe. Die dagegen erhobene Klage im Verwaltungsstreitverfahren wurde rechtskräftig abgewiesen. Nachdem es Anfang 1950 auf verschiedenen Dienststellen der Bezirksverwaltung beim Erscheinen der Kl. zu neuen Zwischenfällen gekommen war, teilte das Bezirksamt der Kl. mit, sie habe sich vor jedem beabsichtigten Besuche von Dienststellen an einen bestimmten — der Kl. namentlich benannten — Angestellten zu wenden und diesem ihre Wünsche vorzubringen; bei zwingender Notwendigkeit werde sie an die betreffende Dienststelle weitergeleitet werden. Da die Kl. diese Anordnung nicht beachtete und es zu zahlreichen neuen Zwischenfällen kam, erließ das Bezirksamt mit Verfügung vom 17.3.1951 gegen die Kl. "bis auf weiteres" ein erneutes Hausverbot. Die dagegen erhobene Klage wurde vom VG. abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

 

Aus den Gründen:

2.

Soweit es sich um die vom ersten Richter bejahte Frage handelt, ob die Verfügung vom 17.3.1951 einen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne der § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, 3, § 23 Abs. 1 VGG. darstellt, bestanden gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken. Das Hausverbot ist nicht lediglich in Ausübung eines aus Privatrechtsnormen sich ergebenden Hausrechts erlassen worden, sondern ist ergangen, um die ordnungsmäßige Abwicklung der öffentlichen Dienstgeschäfte zu gewährleisten. Durch das Verbot wird die Kl. an der Wahrnehmung des jedem Bürger zustehenden Rechts gehindert, mit den für sie zuständigen örtlichen Verwaltungsbehörden zur Erledigung ihrer Angelegenheiten persönlich zu verkehren. Wie bereits in den Gründen des Urteils des früheren Bezirksverwaltungsgerichts Berlin-Zehlendorf vom 4.11.1949 (DVBl. 1950 S. 245) ausgeführt ist, besteht zwar an den öffentlichen Dienstgebäuden kein Gemeingebrauch, wohl aber ist das Recht des Hauseigentümers einschließlich des Hausrechts durch den öffentlichen Zweck des Dienstgebäudes insoweit unterbunden und öffentlich-rechtlich beschränkt, als es diese Zweckbestimmung erfordert. Die angefochtene Verfügung kann daher nicht allein als ein Ausfluß des Hausrechts betrachtet werden, sondern steht in unmittelbarem Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Verhältnissen. Sie ist nicht lediglich Ausübung eines Privatrechts, sondern trägt auch öffentlich-rechtlichen Charakter und ist als Verwaltungsakt anzusehen.

3.

Wenn auch jeder Bürger das Recht hat, die für ihn zuständigen Behörden zur Erledigung von Angelegenheiten, die der behördlichen Mitwirkung bedürfen, und zur Einholung hierzu benötigter Auskünfte persönlich aufzusuchen, so darf doch dieses Recht nicht dazu mißbraucht werden, den ordnungsmäßigen Ablauf des Dienstbetriebes zu stören und eine gedeihliche Abwicklung der Dienstgeschäfte zu gefährden. In der mißbräuchlichen Ausnutzung des Rechts auf freien Zutritt zu den Diensträumen findet dieses Recht seine Begrenzung. In solchen Fällen ist die Behörde befugt, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und den Zutritt zu untersagen. Daß die Kl. den Dienstbetrieb des Bekl. durch ihr äußerst exzentrisches und unbeherrschtes Verhalten dauernd und sehr erheblich gestört hat, ist bereits durch das erwähnte Urteil des Bezirksverwaltungsgerichts festgestellt worden. Demgemäß ist auch seinerzeit das gegen die Kl. zunächst bis zum 31.12.1949 befristete Hausverbot gerichtlich bestätigt worden. Obwohl dieses Verbot später durch ein gemildertes Verbot ersetzt worden ist, hat die Kl. sich diese Verbote nicht zur Lehre dienen lassen, sondern ihr unverantwortliches Treiben fortgesetzt. Dies ergibt sich einwandfrei aus den Aktenvorgängen des Bekl. Danach hat eine größere Zahl von Angestellten und Amtspersonen, die dienstlich mit der Kl. in Berührung gekommen sind, übereinstimmend das lärmende, beleidigende, keinen sachlichen Erörterungen zugängliche und in letzter Zeit sogar wieder in Tätlichkeiten ausartende Verhalten der Kl. bestätigt. Auf Grund der Gleichmäßigkeit aller dieser Anzeigen in Verbindung mit dem außerordentlich unbeherrschten Verhalten, das die Kl. auch in der mündlichen Verhandlung durch ihr dauerndes Unterbrechen des Vorsitzenden, durch Anschreien des Vertreters des Bekl. und durch beleidigende Anwürfe gegen diesen Vertreter und den Bekl. gezeigt hat, hat das erkennende Gericht die Überzeugung gewonnen, daß der Dienstbetrieb des Bekl. durch die Kl. sehr erheblich gestört und die Gesundheit sowie die Arbeitskraft der Angestellten des Bekl. wesentlich beeinträchtigt worden sind. Wenn der Bekl. auf Grund dieser Vorkommnisse nunmehr durch Verfügung vom 17.3.1951 bis auf weiteres ein unbeschränktes Hausverbot gegen die Kl. erlassen hat, so konnte darin weder eine Gesetzesverletzung noch ein Ermessensfehler, geschweige denn ein Ermessenmißbrauch oder Willkürakt gesehen werden. Denn wie die bisherigen befristeten bzw. beschränkten Hausverbote gezeigt haben, reichen diese Maßnahmen nicht aus, um einen ungestörten Dienstbetrieb zu gewährleisten, zu dessen Aufrechterhaltung der Bekl. der Allgemeinheit und seinen Angestellten gegenüber verpflichtet ist.

4.

Durch dieses Hausverbot wird, wie das VG. zutreffend festgestellt hat, die Kl. nicht vom Verkehr mit den Dienststellen des Bezirks abgeschnitten. Denn sie kann sich, wie in der angefochtenen Verfügung ausdrücklich betont wird, soweit es sich um die Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt, mit schriftlichen Anträgen an das Bezirksamt wenden oder sich durch einen Bevollmächtigten, z. B. auch durch einen Bekannten, vertreten lassen. Wenn sich daraus für die Kl. gewisse Schwierigkeiten ergeben, so hat sie dies ihrem eigenen Verhalten zuzuschreiben. Ihre Behauptung, sie erhalte auf schriftliche Bitten niemals Antwort, ist, wie sich aus den Vorgängen des Bekl. ergibt, unzutreffend. Die Kl. kann sich auch nicht darauf mit Erfolg berufen, daß sie nunmehr nicht in der Lage sei, für sie besonders wichtige Verhandlungstermine persönlich wahrzunehmen; denn der Bekl. hat ihr in solchen Fällen jeweils eine Sondererlaubnis zum Betreten des in Betracht kommenden Dienstgebäudes ausgestellt. Anhaltspunkte dafür, daß die Kl. sich inzwischen in ihrem Verhalten gebessert hat und eine Störung des Dienstbetriebes und der Angestellten nicht mehr zu erwarten ist, sind nicht vorhanden.

5.

Ob und wann das gegen die Kl. verhängte Verbot zum Betreten der Diensträume des Bekl. nach Ablauf eines längeren angemessenen Zeitraumes später wieder eingeschränkt oder völlig aufgehoben werden kann, hängt allein vom künftigen Verhalten der Kl. ab. Die Kl. wird durch ein angemessenes persönliches Auftreten, durch das Unterlassen unsachlicher Eingaben und durch das Unterlassen von Angriffen oder Beleidigungen gegen die Angestellten und Amtspersonen des Bekl. zu beweisen haben, daß Störungen des Dienstbetriebes des. Bekl. und Gefährdungen seiner Angestellten künftig nicht mehr zu befürchten sind.