Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil vom 11.12.1997
- 1 Ss 304/97 -

(weitere Fundstellen: GewArch. 1998, 126 f.)

 

 

Tatbestand

1.

Die Betreiberin unterhält in einem ausschließlich gewerblich genutzten Gebiet eine Selbstbedienungs-Autowaschanlage mit mehreren Waschplätzen. Obwohl der Betreiberin das Gebot der Arbeitsruhe bekannt war, wurden dort an einem Sonntag zwei Personenkraftwagen gewaschen. Das AG verurteilte die Betreiberin wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 FtG zu einer Geldbuße von 300,- DM. Ihre Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

 

Gründe:

2.

Mit dem Betrieb ihrer Selbstbedienungswaschanlage an einem Sonntag hat die Betreiberin gegen das in § 3 Abs. 2 FtG festgelegte Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen verstoßen.

3.

Nach der genannten Bestimmung sind an solchen Tagen alle öffentlich bemerkbaren Tätigkeiten verboten, die die äußere Ruhe beeinträchtigen oder dem Wesen des Sonn- und Feiertages widersprechen. Das Feiertagsgesetz konkretisiert das durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV und Art. 47 der Landesverfassung gewährleistete verfassungsrechtliche Gebot der Arbeitsruhe und der Feiertagsheiligung. Beide Normen sprechen insoweit ausdrücklich von Tagen der seelischen Erhebung und Arbeitsruhe. Mit der Koppelung dieser Begriffe hat die Verfassung sozialpolitische und religions- bzw. weltanschauungspolitische Motive verknüpft. Den Sonntagen und anerkannten Feiertagen soll, soweit sich dies mit den Mitteln des Rechts gewährleisten läßt, ein besonderer Charakter gesichert werden, der sie von den Werktagen deutlich abhebt. Dies bedeutet – äußerlich gesehen – vor allem ein Zustand des Ruhens der typisch werktäglichen Betätigungen. Zum Wesen eines Ruhetages gehört deshalb eine Atmosphäre der äußeren und inneren Ruhe, frei von Hektik und Geschäftigkeit, die der Bürger ohne die Zwänge des durch Arbeit und Gelderwerb geprägten Alltags nutzen kann (BVerwG NJW 1982, 899; OVG Rheinland-Pfalz GewArch 1986, 277; OLG Koblenz, OLGSt Nr. 1 zu § 3 FtG Rheinland-Pfalz; Kästner, NVwZ 1993, 148 m.w.N.).

4.

a) Rechtlich zutreffend ist das AG davon ausgegangen, daß es sich bei dem gewerblichen Betrieb der Waschanlage um eine "öffentlich bemerkbare" Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 FtG handelt, weil – wie auch die Rechtsbeschwerde einräumt – die dabei erfolgende Reinigung der Autos auf die werbewirksame Beachtung durch den Straßenverkehr angewiesen ist und sie deshalb von bestimmt vielen und beliebigen Personen wahrgenommen werden kann (OVG Koblenz, aaO; OLG Karlsruhe NVwZ 1991, 504 m.w.N.). Daß – wie die Betreiberin vorträgt – die damit verbundenen Bewegungsvorgänge und Geräusche als solche nicht geeignet sind, zu einer erheblichen Störung der Mitbürger zu führen, ändert daran ebensowenig etwas wie der Umstand, daß sich die Anlage in einem reinen Gewerbegebiet befindet (BayObLG, OLGSt Nr. 1 und Nr. 4 zu Art. 2 FtG Bayern; OVG Münster NJW 1983, 2209). Denn die akustische Wahrnembarkeit der Arbeit ist für sich genommen kein notwendiges Erfordernis der Bemerkbarkeit. Dafür, daß kein Lärm erzeugt werden muß, läßt sich neben dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 FtG, in dem von der "äußeren Ruhe" des Tages, nicht aber von seiner "Stille" die Rede ist, auch die Vorschrift des § 4 Abs. 2 FtG anführen, der bei erlaubten Tätigkeiten außer unnötigen Geräuschen auch "sonstige unnötige Störungen" untersagt.

5.

b) Der Betrieb der Waschanlage stellt darüber hinaus eine "Tätigkeit" im Sinne des § 3 Abs. 2 FtG dar. Was darunter zu verstehen ist, sagt die Vorschrift zwar ausdrücklich nicht. Entsprechend dem aufgezeigten Sinn und Zweck des Feiertagsrechts werden davon jedoch alle Verrichtungen erfaßt, die nach der Verkehrsauffassung nicht ausschließlich der Muße und Befriedigung religiöser Bedürfnisse oder ganz allgemein der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind. Daß danach das Autowaschen grundsätzlich als "Tätigkeit" im Sinne des rheinland-pfälzischen Feiertagsgesetzes anzusehen ist, kann nicht zweifelhaft sein, und zwar unabhängig davon, ob das Autowaschen von Hand oder gänzlich maschinell erfolgt (OVG Rheinland-Pfalz, aaO). Denn dieses Tatbestandsmerkmal ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn auf menschliches Handeln beschränkt. Bedenkt man darüber hinaus, daß der Zweck der Vorschrift darin besteht, Sonn- und Feiertage von üblicher Werktagsarbeit freizuhalten, hätte die Herausnahme automatisierter Arbeiten vom Schutzbereich des § 3 FtG eine Aushöhlung des Feiertagsschutzes zur Folge. Mit fortschreitender Technisierung der Arbeit wäre ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Sonn- und Feiertagen einerseits und Werktagen andererseits nicht mehr zu erkennen. Gerade auf die Beibehaltung dieses Unterschiedes kam es dem Gesetzgeber jedoch mit der Schaffung der Vorschrift an (vgl. dazu Kästner, aaO).

6.

c) Zutreffend hat das AG darüber hinaus angenommen, daß der Betrieb der Autowaschanlage an einem Sonntag oder an einem Feiertag im Widerspruch zu der besonderen Natur dieser Tage steht und geeignet ist, deren äußere Ruhe zu stören. Das Reinigen von Kraftfahrzeugen in einer gewerblichen Autowaschanlage an diesen Tagen gehört nicht zu dem allgemein üblichen Freizeitverhalten der Bevölkerung. Vielmehr widerspricht eine solche Betätigung dem äußeren Bild und dem Sinn der Sonn- und Feiertage, wie er den genannten Schutzvorschriften zugrunde liegt, nämlich eine im öffentlichen Leben spürbare Unterbrechung des werktäglichen Arbeits- und Erwerbsprozesses herbeizuführen.

7.

aa) Dem kann die Betreiberin nicht mit Erfolg entgegenhalten, im Lichte veränderten Freizeitverhaltens der Bevölkerung gesehen, stelle heutzutage das Autowaschen eine Freizeitbeschäftigung und keine Arbeit dar. Denn nach wie vor dient eine vollständige Autopflege vornehmlich ästhetischen Zwecken und nicht unmittelbar den (Sicherheits-)Bedürfnissen des privaten Autoverkehrs an Sonn- und Feiertagen. Dagegen wird die Verkehrssicherheit bereits dadurch gewahrt, daß beispielsweise verschmutzte Wagenscheiben und Scheinwerfer an der Tankstelle von Hand gereinigt werden können. Eine vollständige Kraftfahrzeugreinigung kann ohne weiteres auch auf Werktage verschoben werden. Daher verlangt die Achtung des von den Feiertagsgesetzen geschützten Rechts der Mitmenschen auf Arbeitsruhe und Besinnung auch in der heutigen Freizeitgesellschaft nach wie vor eine Beibehaltung der Bewertung des Autowaschens als grundsätzlich verbotene Tätigkeit im Sinne des Feiertagsrechts.

8.

bb) Keine andere Beurteilung erlaubt der Hinweis der Betroffenen auf die Notwendigkeit des Umweltschutzes. Dabei verkennt der Senat nicht, daß das Autowaschen an ungeeigneten Stellen umweltschädlich sein kann und eine Wagenpflege auf dafür vorgesehenen und mit Klärvorrichtung ausgestatteten Waschplätzen oder Autowaschanlagen aus Umweltgründen notwendig erscheint. Dies allein stellt jedoch kein Kriterium der Einordnung dieser Verrichtung als "Tätigkeit" im Sinne des § 3 Abs. 2 FtG dar, sondern betrifft lediglich die Frage eines Erlaubnisvorbehaltes nach § 4 FtG, der bestimmte Ausnahmen vom allgemeinen Arbeitsverbot zuläßt, von denen aber im vorliegenden Fall keine einschlägig ist.