Oberlandesgericht Dresden
Beschluss vom 10.7.1997
- 7 W 620/97
-

 (weitere Fundstellen: NVwZ-RR 1998, 343 ff.)

 

Leitsatz:

 

Klagen gegen Organe öffentlicher Rechtsträger auf Unterlassung, Widerruf oder Schadensersatz wegen nach Auffassung des Klägers ehrverletzender, rufschädigender oder rufgefährdender Äußerungen sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten iSd VwGO § 40 Abs 1 mit der Folge, daß sie vor den Verwaltungsgerichten auszutragen sind.

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Kläger war Verwalter in einem Gesamtvollstrekungsverfahren in ein Gebäude in der K.-Passage, in dem ein Café ansässig ist. Das Grundstücksverkehrsamt der Stadt, dessen Leiter der Beklagte ist, hatte als Verfügungsbefugte den Betrieb des Cafés in den dortigen Räumlichkeiten gestattet. Aufgrund einer geplanten Sanierung der Räume in der K.-Passage durch den Eigentümer verhandelte der Kl. im Jahre 1996 mit dem Grundstücksverkehrsamt der Stadt über die Anmietung von neuen Geschäftsräumen. Im Gespräch waren dabei auch Räume in der K.-Straße, in der eine Konkurrentin des Cafés A., das Café B., seinen Geschäftsbetrieb hat. Die Suche des Klägers nach neuen Räumlichkeiten als Ersatz für die in der K.-Passage wurde von der Presse verfolgt. Am 15. 10. 1996 erschien ein Artikel der Leipziger Volkszeitung (LVZ), der mit "Streit der Stollenbäcker in der K.-Straße" überschrieben war. In diesem Artikel wird eine Äußerung des Beklagte bezüglich des Auszugs des Cafés A. aus den Räumen in der K.-Passage gegenüber der LVZ unter Angabe seiner Amtsstellung folgendermaßen wiedergegeben: "Das ist nicht die feine Art vom Konkursverwalter, so zu tun, als ob das dort raus müßte. Da wurde die Mitleidstour geritten."

2.

Mit seiner Klage verlangt der Klage vom Beklagten die Unterlassung, den Widerruf und die öffentliche Richtigstellung dieser Äußerungen sowie Schadensersatz. Mit Ausnahme der Entscheidung über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch hat das LG den Rechtsstreit an das VG verwiesen. Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg.

 

Aus den Gründen:

 

II.

3.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

4.

Die sofortige Beschwerde ist zwar gem. § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG i.V.m. § 577 ZPO gegen den nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangenen Verweisungsbeschluß des Landgerichts Leipzig statthaft. Auch ist sie innerhalb der Notfrist des § 577 Abs. 2 S. 1 ZPO mit Anwaltschriftsatz eingelegt worden und damit frist- und formgerecht gem. §§ 577 Abs. 2, 569 Abs. 2 S. 1 ZPO erfolgt.

5.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zur Entscheidung über den seitens des Klägers geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung, Widerruf sowie öffentliche Richtigstellung ist gem. § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsgerichtsweg eröffnet

6.

1. Klagen entsprechend § 1004 BGB gegen öffentliche Rechtsträger bzw. deren Organe auf Unterlassung bzw. Widerruf von ehrverletzenden oder sonst unzulässigen Äußerungen sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO mit der Folge, daß sie vor den Verwaltungsgerichten auszutragen sind. Dies gilt namentlich für Klagen gegen nach Auffassung des Klägers rufschädigende oder rufgefährdende Äußerungen einer Behörde über einen Bürger gegenüber der Presse (vgl. Kopp, VwGO, 10. Auflage, § 40 Rdnr. 28; BGH NJW 1978, 1860). Der Zivilrechtsweg ist in derartigen Fällen nur gegeben, wenn die in Frage stehenden Äußerungen von einem Amtsträger nicht in seiner Eigenschaft als solcher, sondern erkennbar und unzweifelhaft nur gelegentlich einer nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Tätigkeit oder überhaupt ohne Zusammenhang damit gemacht werden, z.B. rein persönliche Erklärungen.

7.

2. Im vorliegenden Fall fielen die nach Auffassung des Klägers ehrverletzenden Äußerungen des Beklagten - auch nach Vortrag des Klägers selbst - im Zusammenhang mit der Funktion des Beklagten als Leiter des Grundstücksverkehrsamtes, also als Amtsträger. Dies hat die Konsequenz, daß die Streitigkeit vor dem zuständigen Verwaltungsgericht auszutragen ist. Eine Äußerung des Beklagten nur gelegentlich einer nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Tätigkeit oder eine rein persönliche Erklärung des Beklagten ohne Zusammenhang mit seiner Funktion als Leiter des Grundstücksverkehrsamtes liegt nicht vor.

8.

Zunächst spricht der Kontext des Artikels für eine Äußerung des Beklagten im Rahmen seiner Funktion als Vertreter der Stadt L. So wird am Ende der zweiten Spalte des Artikels berichtet, daß die Stadt L. dem Cafe ... bei der Suche nach einem neuen Standort entgegen gekommen sei. Ziel dieses Entgegenkommens der Stadt L. war offensichtlich, die im Fall eines Fehlschlagens einer Standortsuche des Cafe ... bedrohten Arbeitsplätze zu sichern. Damit aber handelte die Stadt L. in Erfüllung der kommunalen Aufgabe der Wirtschaftsförderung, die als öffentlich-rechtliche zu qualifizieren ist. Zum anderen führt der Kläger (Schriftsatz vom 06.03.1997, S. 3 (Bl. 59 d.A.)) selbst aus, daß der Beklagte in dem Artikel der L.Z seine Stellung als Leiter des Grundstücksverkehrsamtes herausgestellt habe, damit der Artikel besser wirke. Diesen Vortrag des Klägers unterstellt, würde es sich jedenfalls nicht um eine Äußerung des Beklagten als Privatmann handeln. Zum dritten spricht für eine Äußerung im Rahmen der hoheitlichen Tätigkeit des Beklagten, daß seine Amtsstellung ausdrücklich in dem Artikel der L.Z genannt ist. Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte seitens der L.Z gerade in seiner Funktion als Leiter des Grundstücksverkehrsamtes um eine Stellungnahme zum Streit der "Stollenbäcker in der ...straße" gebeten wurde, weil eine Äußerung seitens des Beklagten als Privatmann für den Leser der L.Z von keinem oder zumindest von nicht annähernd dem gleichen Interesse gewesen sein dürfte.

9.

3. Der Senat verkennt im Rahmen seiner vorliegend vertretenen Auffassung des Vorliegens einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO nicht, daß unbeschadet des "amtlichen" Charakters der Äußerungen des Beklagten der Zivilrechtsweg dann eröffnet sein kann, wenn der betroffene Lebensbereich der Beteiligten in ihrem Verhältnis zueinander durch bürgerlich-rechtliche Gleichordnung geprägt ist und daß dies namentlich dann der Fall sein kann, wenn die Erklärung an die Presse im Bereich privatrechtlicher (fiskalischer) Betätigung der öffentlichen Hand gegeben wurde (BGHZ 34, 99 (105 ff.); BGH, NJW 1978, 1860 (1861)).

10.

Eine derartige Konstellation liegt jedoch hier entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor. Auch wenn zwischen dem Kläger und dem Grundstücksverkehrsamt Gespräche über den Abschluß eines Mietvertrages geführt wurden und der Abschluß eines solchen als privatrechtlich qualifiziert werden müßte, so ist entscheidend für die Einordnung der Streitigkeit der Parteien als öffentlich-rechtlich, daß die Zielrichtung der Tätigkeit des Grundstücksverkehrsamtes die unmittelbare Erfüllung einer freiwilligen kommunalen Aufgabe war. Wie der Kläger selbst vorträgt (S. 5, 6 der Klageschrift, Bl. 5, 6 d.A.), kamen bei der Suche des Klägers nach einem neuen Standort für das Cafe C. "von der Stadt L. ... Angebote zur Unterhaltung und Unterstützung der ... GmbH". Auch dem Vortrag des Klägers ist folglich zu entnehmen, daß die Stadt L., Grundstücksverkehrsamt, im Rahmen der öffentlichen Aufgabe kommunaler Wirtschaftsförderung mit dem Ziel der Erhaltung der Arbeitsplätze in der Konditorei tätig wurde. Erfolgte aber die Tätigkeit des Grundstücksverkehrsamtes bei der Suche nach einem neuen Standort für das Cafe ... in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, so ergibt sich die öffentlich-rechtliche Natur der Parteibeziehungen hinsichtlich der umstrittenen Äußerungen des Beklagten aus dem Funktionszusammenhang der Äußerungen mit den Bereichen hoheitlicher Betätigung des Beklagten (vgl. insoweit BGH NJW 1987, 1860 (1861)). Der Beklagte wurde als Leiter des Grundstücksverkehrsamtes gerade deshalb von der L.Z um eine Stellungnahme ersucht, weil erst infolge der durch das Grundstücksverkehrsamt ermöglichten Nutzung der Räumlichkeiten in der ...straße durch das Cafe ..., die dessen Weiterbestehen sicherstellen sollte, der Streit der Stollenbäcker in der Ka.straße ausgelöst zu werden drohte.

11.

4. Entgegen der Auffassung des Klägers geht das Landgericht ferner zu Recht davon aus, daß im Streitfall auch nicht die Grundsätze greifen, nach denen sich unter Umständen auch aus einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit im Zivilrechtsweg zu verfolgende Rechtsbeziehungen ergeben können. Nach BGHZ 66, 229 (233 ff) und BGHZ 67, 81 (85 ff.) kann dies dann der Fall sein, wenn das Verwaltungshandeln (auch) in einem Bereich wirkt, der entscheidend durch Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geprägt ist, wenn also z.B. der Verwaltungsträger in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Leistungsbeziehungen an privatrechtlich gestaltetem wirtschaftlichem Wettbewerb teilnimmt. Begibt sich die öffentliche Hand bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf diese Art in ein vom Grundsatz der Gleichordnung geprägtes Rechtsverhältnis, dann ist der Rechtsweg vor den Zivilgerichten gegeben. Indes verkennt der Kläger, daß ein Wettbewerbsverhältnis, das die Entscheidung BGHZ 66, S. 229 (233) entscheidend geprägt hat, im vorliegenden Fall zwischen der Stadt Leipzig, Grundstücksverkehrsamt, und dem Kläger als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren des Cafe ... in keiner Weise zu erkennen ist. Ein solches besteht vielmehr ausschließlich zwischen dem Cafe ... und dem Cafe ... und läßt sich im Verhältnis zu der Stadt L., Grundstücksverkehrsamt, auch nicht dadurch konstruieren, daß der Beklagte als Leiter des Grundstücksverkehrsamtes zu dem Hintergrund des Streits zwischen den beiden Konkurrenten Stellung genommen hat. Verfolgte die Stadt L. mit ihrer Unterstützung des Klägers bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten für das Cafe ..., wie dargelegt, sowohl kommunale Aufgaben der Wirtschaftsförderung als auch arbeitsmarktpolitische Ziele, so stehen die beiden Konkurrenten, das Cafe ... und das Cafe ..., gegenüber der Stadt L., Grundstücksverkehrsamt, vielmehr in einem Über/Unterordnungsverhältnis und damit gerade nicht in einem von Gleichordnung geprägten Rechtsverhältnis, das für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 66, 229 f.) maßgeblich gewesen ist. Dementsprechend bleibt es bei der Rechtsprechung zu § 1004 BGB, wonach für eine auf diese Bestimmung gestützte Unterlassungsklage gegen hoheitliche Maßnahmen der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet ist (vgl. dazu BGHZ 41, 264 (266)).

12.

5. Schließlich vermag auch der auf der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, BGHZ 34, 99 (105), basierende Einwand des Klägers gegen die Entscheidung des Landgerichts ein anderes Ergebnis nicht zu begründen. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 34, 99 (105)) ausgeführt, daß auf § 839 BGB gestützte Klagen auf Widerruf dienstlicher Äußerungen nicht schon deshalb vor den ordentlichen Gerichten unzulässig sind, weil sich dadurch die Gerichte in die Verwaltung einmischten. Gleichwohl müsse der auf Grund des § 839 BGB zu leistende Schadensersatz jedoch den öffentlich-rechtlichen Besonderheiten dieses Haftungstatbestandes entsprechen. Denn würde auf Grund des § 839 BGB ganz allgemein jede Form der - im § 249 S. 1 BGB allerdings in erster Linie vorgesehenen - Naturalrestitution gefordert werden können, so wäre folgerichtig auch den Zivilgerichten die Möglichkeit eingeräumt, auf dem Wege der Verurteilung zum Schadensersatz Akte der Verwaltung aufzuheben und damit in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte überzugreifen. Schon aus diesem Grund bedarf es vorliegend einer Begrenzung der Schadensersatzpflicht aus § 839 BGB mit der Folge, daß als Mittel des Schadensausgleichs durch den Beklagten die Rufwiederherstellung durch Abgabe einer Widerrufserklärung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ 34, 99 (106)). Denn ist - wie hier - die beanstandete Äußerung der Amtsführung zuzurechnen, so gilt das gleiche für die Rücknahme dieser Äußerung mit der Folge, daß der Beamte auf Abgabe der Widerrufserklärung nicht als Privatperson in Anspruch genommen werden kann. Damit gilt auch für den vorliegenden Fall die Regel, daß sich derjenige, der wegen Rufschädigung den Widerruf einer ehrkränkenden dienstlichen Äußerung eines Beamten erreichen will, an die zuständige öffentlich-rechtliche Körperschaft und nicht an den Beamten zu halten hat (BGHZ 34, 99 (107)).

13.

Soweit der Bundesgerichtshof (BGHZ 34, 99 (107)) von diesem Grundsatz wegen der besonderen Eigenart der Ehrkränkung eine Ausnahme in dem Fall anerkannt hat, in dem der vom Beamten erhobene Vorwurf so sehr Ausdruck einer persönlichen Meinung oder Einstellung ist, daß wegen dieses persönlichen Gepräges der Ehrkränkung die Widerrufserklärung eine unvertretbare persönliche Leistung des Beamten darstellt und eben deshalb nur, wenn sie vom Beamten persönlich abgegeben wird, geeignet ist, der Wiederherstellung der Ehre zu dienen, vermag dies im vorliegenden Fall nicht zu greifen. Es ist schon nicht ersichtlich oder durch den Kläger vorgetragen, daß die vom Kläger behauptete Ehrkränkung ausschließlich einer Wiedergutmachung durch eine persönliche unvertretbare Leistung des Beklagten zugänglich ist. Hinzu kommt, daß auch die Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu keinem Übergewicht persönlicher Momente bei der Äußerung des Beklagten mit der Folge führt, daß der geforderte Widerruf eine unvertretbare Handlung des Beklagten wäre. Zum einen ergeben sich anhand der streitgegenständlichen Äußerung des Beklagten gegenüber der L.Z in keiner Weise Anhaltspunkte dafür, daß in ihr die vom Kläger behaupteten früheren Auseinandersetzungen mit dem Beklagten in einer anderen Sache Niederschlag gefunden oder diese geprägt hätten. Die streitgegenständliche Äußerung des Beklagten bezieht sich vielmehr ausschließlich auf das Verhalten des Klägers als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten für das Cafe .... Zum anderen spricht gegen eine grundsätzlich ablehnende Einstellung des Beklagten gegenüber dem Kläger und damit gegen eine überwiegend persönlich motivierte Äußerung des Beklagten, daß das Grundstücksverkehrsamt, dessen Leiter der Beklagte ist, den Kläger - nach dessen eigenem Vortrag - zuvor bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten für das Cafe ... unterstützt hat.

14.

Nach alldem konnte die sofortige Beschwerde des Klägers bereits aus diesen Gründen keinen Erfolg haben.

15.

Es kann daher dahinstehen, ob die von dem Kläger gerügte Äußerung des Beklagten trotz ihrer leicht negativen Tendenz überhaupt ein derartiges Gewicht hat, daß sie ein Widerrufs- oder ein Schmerzensgeldbegehren rechtfertigen könnte. Das Handeln des Klägers als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) gerade bei einer Tätigkeit als Gesamtvollstreckungsverwalter ist dem besonderen Interesse der Öffentlichkeit ausgesetzt. Er muß daher unter Umständen auch härtere Kritik hinnehmen, wenn sie sich auf reale Grundlagen stützt.

16.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.