Niedersächsisches Finanzgericht
Urteil vom 17.01.1989
- I 407/88
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 (weitere Fundstellen: EFG 1989, 266 f.)

 

 

Aus den Gründen:

1.

Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

2.

Die Steuererklärungen sind nur vom Ehemann unterschrieben worden. Die Bekanntgabe erfolgte in einer Ausfertigung an beide Eheleute. Damit ist die Bekanntgabe gegenüber beiden Eheleuten nicht wirksam, weil eine stillschweigende gegenseitige Bevollmächtigung der Ehegatten zum Empfang der Bescheide nicht angenommen werden kann (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 1 R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474). Das gilt auch für die Vorauszahlungsbescheide. Auch die Festsetzung einer Vorauszahlung ist eine Steuerfestsetzung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Vorauszahlungsbescheid ist folglich ein Steuerbescheid, der wie ein solcher bekanntgegeben werden muß, um wirksam zu werden.

3.

Steuern werden grundsätzlich durch Steuerbescheide festgesetzt (§ 155 Abs. 1 AO). Ist kein Steuerbescheid wirksam bekanntgegeben, haben die Kläger ohne Rechtsgrund gezahlt und nach § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung. Eine Verrechnung mit einer nicht festgesetzten Steuerschuld ist grundsätzlich unzulässig (FG Hamburg, Urteil vom 5. Dezember 1986 VI 354/85, EFG 1988, 577). Wirksame Steuerbescheide sind nicht ergangen.

4.

Gleichwohl hat das FA die Erstattung – bis auf die im Jahre 1982 geleistete Restzahlung – im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Erstattungsanspruch verjährt ist.

5.

Die Vorschriften über die Zahlungsverjährung gelten sowohl für die Ansprüche des FA als auch für die Ansprüche des Stpfl. (Tipke/Kruse, AO, 12. Aufl., § 228 AO Tz 1). Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre (§ 228 Satz 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO).

6.

Wird aufgrund unwirksamer Steuerbescheide gezahlt, so entsteht der Erstattungsanspruch mit der Zahlung, weil von Anfang an ohne Rechtsgrund i. S. von § 37 Abs. 2 AO gezahlt worden ist. Die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs ist im Gesetz nicht gesondert geregelt. Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO), d. h. auch mit der Zahlung auf den unwirksamen Steuerbescheid (Tipke/Kruse, a. a. O., § 229 AO Tz. 1 und § 171 AO Tz. 36). Dem steht nicht entgegen, daß das FA die Steuern innerhalb der Festsetzungsfristen noch hätte wirksam festsetzen können. Deshalb kann für die Frage der Fälligkeit des Erstattungsanspruchs es auch dahingestellt bleiben, wann die Festsetzungsfristen abgelaufen sind. Denn vor der Festsetzung der ESt ist deren Forderung unzulässig. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist der Steuerbescheid (§ 218 Abs. 1 AO). Solange daher Steuerbescheide nicht wirksam ergangen sind, bleibt der Erstattungsanspruch fällig...

7.

Gegen den nicht verjährten Erstattungsanspruch kann das FA nicht einwenden, daß es nach Treu und Glauben unzulässig wäre, den Erstattungsanspruch geltend zu machen, weil das FA noch einen wirksamen Steuerbescheid bekanntgeben könne. Wenn das FA die Bekanntgabe eines Steuerbescheids noch für möglich hält, so mag es den Bescheid bekanntgeben. Nur so kann das FA den Steueranspruch verwirklichen (§ 218 Abs. 1 AO). Erst dann kann das FA die Steuer fordern, Deshalb ist auch vor Erlaß des Bescheides keine Aufrechnung nach § 226 AO, § 387 BGB möglich. Solange die Steuer nicht wirksam festgesetzt ist, ist der Erstattungsanspruch grundsätzlich fällig und kann auch geltend gemacht werden.