Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 22.2.1972
- I C 24.69 -

(weitere Fundstellen: BVerwGE 39, 329 ff.)

 

 

Tatbestand

1.

Der Kläger betreibt in B ein Bestattungsunternehmen. Er wendet sich dagegen, daß die beklagte Stadt B sich durch ihren Bestattungsordner auf dem Gebiet des Bestattungswesens wirtschaftlich betätigt.

2.

Nach der Bestattungs- und Friedhofsordnung der Beklagten muß bei allen Bestattungen innerhalb des Stadtgebietes der städtische Bestattungsordner in Anspruch genommen werden. Er geht den Beteiligten "hilfreich an die Hand" und sorgt für die Art und Weise der Bestattung sowie für die ordnungsgemäße Erledigung aller für die Bestattung erforderlichen Maßnahmen. Nach der Dienstanweisung bestellt er das Bestattungspersonal zur Beisetzung, sorgt beim Friedhofsaufseher für eine Grabstätte und überzeugt sich rechtzeitig vor der Beisetzung, daß das Grab hergerichtet ist. Er veranlaßt und überwacht ferner die rechtzeitige Bereitstellung eines Sarges, die Überführung der Leiche vom Sterbehaus zum Friedhof oder zur Bahn, die Ausschmückung und die Bestellung einer Trauermusik, sofern die Hinterbliebenen diese privatrechtlichen Leistungen vom städtischen Bestattungsamt wünschen. Die Bestattung wird auf einem Formular beantragt, mit dem auch die aufgeführten Bestattungsartikel (Sarg, Sargausstattung, Leichenwäsche, Urne) bei der Beklagten bestellt und ihr der Auftrag zur Leichenversorgung (Waschen, Anziehen, Einsargen und Überführung auf einen städtischen Friedhof) sowie zur Erledigung anderer Dienstleistungen erteilt werden können.

3.

Die Beklagte nahm durch Bedienstete des Bestattungsamtes bis Ende 1970 auch die Leichenschau vor. Ihre Leichenschauer waren zugleich stellvertretende Bestattungsordner. Durch rechtskräftiges Teil- und Zwischenurteil vom 7. Juli 1961 hatte das Landgericht Baden-Baden die Klage des Klägers als unzulässig abgewiesen, mit der er beantragt hatte, der Beklagten zu untersagen, durch ihren Leichenschauer Bestattungsaufträge entgegenzunehmen.

4.

Im Jahre 1966 hat der Kläger die Beklagte beim Verwaltungsgericht Freiburg verklagt. Das Verwaltungsgericht hat der Beklagten bei Vermeidung einer Geldstrafe von 300 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, durch ihre Leichenschauer und Bestattungsordner (oder jeweils deren Stellvertreter) mit der Bestattung zusammenhängende Aufträge für Geschäfte privatrechtlicher Art entgegenzunehmen, wie den Verkauf von Särgen, Leichenwäsche, Sargausstattungen und Urnen, das Einsargen der Leichen und den Transport der Leichen vom Trauerhaus oder Krankenhaus zum Friedhof. Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Urteil vom 24. Februar 1969 (abgedr. im GewArch. 1969, 141) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der Kläger wolle verhindern, daß die Beklagte sich weiterhin unter Einsatz öffentlich-rechtlicher Mittel privatrechtliche Aufträge verschaffe. Der von ihm beanstandete Mißbrauch von Hoheitsbefugnissen der Leichenschauer und Bestattungsordner könne nur durch die Verwaltungsgerichte unterbunden werden. Die Vorschrift des § 1 UWG gelte zumindest sinngemäß auch im öffentlichen Recht. Die Beklagte handele dem Kläger gegenüber wettbewerbswidrig, weil sie ihre amtlich erlangte Kenntnis vom Todesfall sowie den Zwang der Hinterbliebenen, sie wegen der Bestattung in Anspruch zu nehmen; zum Abschluß privater Rechtsgeschäfte ausnutze.

5.

Nach Einlegung der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision trat das baden-württembergische Gesetz über das Friedhofs- und Leichenwesen (Bestattungsgesetz) vom 21. Juli 1970 (GesBl. S. 395 ber. S. 458) in Kraft. Seitdem gibt es das Amt des Leichenbeschauers bei der Beklagten nicht mehr. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit der Beklagten untersagt wurde, durch ihren Leichenschauer oder stellvertretenden Leichenschauer Bestattungsaufträge privatrechtlicher Art entgegenzunehmen. Insoweit beantragen sie wechselseitig, dem Gegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Im übrigen beantragt die Beklagte und Revisionsklägerin, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hilfsweise stellt sie den Antrag, die Sache an das Landgericht Baden- Baden zu verweisen. Der Kläger tritt der Revision entgegen und beantragt ebenfalls fürsorglich die Verweisung der Sache an das Landgericht Baden-Baden.

 

Gründe:

6.

A. Für den in der Hauptsache erledigten Teil des Klageanspruchs ergibt sich die Zuständigkeit der Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit schon daraus, daß das Landgericht Baden- Baden wegen desselben Anspruchs den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für unzulässig erklärt hat, die Verwaltungsgerichte gemäß § 41 Abs. 2 VwGO an diese Entscheidung gebunden sind und der Rechtsweg zu den Gerichten einer anderen Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist.

7.

Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Beschluß über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Diese Entscheidung kann auch in dem Urteil über den nicht erledigten Teil der Hauptsache ergehen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6. Februar 1963 - BVerwG V C 24.61 - <DVBl. 1963, 522 = NJW 1963, 9237>). Es entspricht der Billigkeit, insoweit die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Die strittige Rechtsfrage ist durch Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht geklärt. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen ist ungewiß, wie der Rechtsstreit ausgegangen wäre. Die Entscheidung des Senats über die Befugnis der Beklagten zur wirtschaftlichen Betätigung auf dem Gebiet des Bestattungswesens gilt nicht ohne weiteres auch für die Tätigkeit des früheren kommunalen Leichenschauers, da dieser bei seiner hoheitlichen Tätigkeit in näherem zeitlichen Zusammenhang mit einem Todesfall und auf besondere Weise mit den Hinterbliebenen zusammentraf und deshalb die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten durch ihn möglicherweise eine andere rechtliche Beurteilung hätte erfahren müssen als die durch den Bestattungsordner.

8.

B. Die Revision ist im übrigen begründet.

9.

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben.

10.

Der Kläger erblickt nach seinem Vortrag einen Wettbewerbsverstoß der beklagten Stadt darin, daß sie dem Bestattungsordner, der bei jeder Bestattung in B in Anspruch genommen werden muß, auch die Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen auf dem Gebiet des Bestattungswesens übertragen hat und durch ihn Bestattungsartikel verkauft sowie privatrechtliche Aufträge zur Leichenversorgung und zur Erledigung anderer Dienstleistungen entgegennimmt. Er meint, die Beklagte verquicke damit in unzulässiger Weise Hoheitsverwaltung und Erwerbswirtschaft und verschaffe sich hierdurch einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb mit seinem Privatunternehmen.

11.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen sollen nach dem Klagebegehren durch eine - innerdienstliche - organisatorische Maßnahme der Beklagten, durch Aufhebung der "Doppelfunktion" des Bestattungsordners, hergestellt werden. Der Kläger hat seinen Antrag in der Revisionsverhandlung dahin erläutert, daß er von der Beklagten eine Trennung des hoheitlichen und des erwerbswirtschaftlichen Aufgabenbereichs verlange. Der Bestattungsordner dürfe nur diejenigen Amtshandlungen ausüben, die unter Benutzungszwang fielen; privatwirtschaftlich dürfe er für die Beklagte nicht tätig sein. Der Kläger erstrebt damit eine organisatorische Änderung des Geschäftsbereichs des Bestattungsordners durch eine dienstliche Anordnung. Ein Anspruch auf die Änderung der Behördenorganisation könnte sich nur aus dem öffentlichen Recht ergeben. Der Streitgegenstand des Klagebegehrens ist somit eine unmittelbare Rechtsfolge des öffentlichen Rechts. Die vom Kläger beanstandete (personelle) Verbindung der privatwirtschaftlichen Betätigung der Beklagten auf dem Gebiet des Bestattungswesens mit den ihr obliegenden hoheitlichen Aufgaben auf diesem Gebiet berührt zwar auch das Wettbewerbsverhältnis der Parteien. Dadurch wird der Rechtsstreit aber nicht zu einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit über die Art und Weise der beiderseitigen Teilnahme am privatwirtschaftlichen Wettbewerb, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist; denn der Klageantrag ist unmittelbar auf eine hoheitliche Maßnahme gerichtet. Danach soll das Gericht in das öffentlich- rechtliche Rechtsverhältnis zwischen Dienstherrn und Bestattungsordner eingreifen und die Beklagte zu einer Änderung der Behördenorganisation verpflichten. Diese öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art und nicht durch Gesetz einem anderen Gericht zugewiesen worden, so daß gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten führt.

12.

2. Die Klage ist zulässig. Der Kläger macht geltend, er werde dadurch, daß die Beklagte dem Bestattungsordner auch die Erledigung privatwirtschaftlicher Geschäfte auf dem Gebiet des Bestattungswesens übertragen habe, in seinen Rechten, insbesondere in der Berufsfreiheit, verletzt. Wenn dies der Fall wäre, könnte ihm ein Anspruch auf Beseitigung der ihn beschwerenden hoheitlichen Maßnahme zustehen, da er eine rechtswidrige Beeinträchtigung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt nicht zu dulden brauchte. Als einzige Klageform kommt die allgemeine Leistungsklage in Betracht; welcher Klageantrag sachdienlich ist, kann dahingestellt bleiben, da dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Änderung des Geschäftsbereichs des Bestattungsordners zusteht.

13.

3. Dem angefochtenen Urteil liegt die Auffassung zugrunde, daß die beklagte Stadt sich im Bestattungswesen erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Es geht hierbei um die öffentlich-rechtliche Frage, ob das wirtschaftliche Unternehmen der Beklagten überhaupt betrieben werden darf und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird (s. Püttner, Das Recht der kommunalen Energieversorgung, 1967, S. 42 f.; Lerche, Wirtschaftliche Agenda der Gemeinden und Klagerecht Privater, JurA 1970 <ÖR II> S. 3 ff. <43 ff.>).

14.

a) Gemäß § 85 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25. Juli 1955 (GesBl. S. 129) mit Änderungen - GemO - darf die Gemeinde wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt und das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht. Nach Abs. 2 sind wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde so zu führen, daß der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Diese Vorschriften gehören zwar dem irrevisiblen Recht an, können jedoch vom Bundesverwaltungsgericht selbständig angewendet werden, da das Berufungsgericht sich mit ihnen nicht befaßt hat (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Juni 1966 - BVerwG I C 130.64 - <Buchholz 418.00 Nr. 5 mit weiteren Nachweisen>).

15.

Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind solche Einrichtungen, die auch von einem Privatunternehmer mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können (1. RdErl. über die Ausführung der GemO vom 15. November 1955 <GABl. S. 465> zu § 85). Hierunter fallen Regiebetriebe ohne selbständige rechtliche Organisation, die von Bediensteten mit hoheitlichem Funktionsbereich mitverwaltet werden. Der Verkauf von Bestattungsartikeln sowie die Ausführung von Aufträgen zur Leichenversorgung und Erledigung anderer Dienstleistungen durch die Beklagte ist daher ein wirtschaftliches Unternehmen im Sinne des § 85 GemO.

16.

Das Unternehmen der Beklagten wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts schon vor dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg betrieben und nach diesem Zeitpunkt nicht wesentlich erweitert. Da § 85 Abs. 1 GemO nur die Errichtung, Übernahme und wesentliche Erweiterung regelt, gilt er somit nach seinem Wortlaut für das Unternehmen der Beklagten nicht.

17.

Die wirtschaftliche Betätigung der Beklagten wäre selbst dann gemeinderechtlich unbedenklich, wenn durch § 85 GemO die Gemeinden auch veranlaßt werden sollten, ein nach dieser Vorschrift nicht mehr gerechtfertigtes Unternehmen einzustellen; denn dessen Voraussetzungen sind bei der gewerblichen Betätigung der Beklagten erfüllt. Ein Gemeindeunternehmen, das sich mit dem Waschen, Anziehen, Einsargen und Überführen der Leiche auf den Friedhof, dem Verkauf von Särgen und sonstigen Bestattungsartikeln sowie mit anderen Verrichtungen bei Bestattungen befaßt, dient einem öffentlichen Zweck. Ob diese Betätigung zur sogenannten Daseinsvorsorge gezahlt oder diese Ansicht abgelehnt wird, weil die gleichen Leistungen in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft erbracht werden (H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 16 ff.), ist unerheblich. Öffentliche Zwecke können das wirtschaftliche Unternehmen auch dann rechtfertigen, wenn damit keine Daseinsvorsorge betrieben wird. Im sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes können die Gemeinden durch ihre wirtschaftlichen Unternehmen im öffentlichen Interesse zahlreiche und vielgestaltige Aufgaben übernehmen, die durch die genannte Zweckbestimmung gedeckt sind (s. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 203 f.). Gemäß § 1 Abs. 2 GemO ist die Gemeinde verpflichtet, das gemeinsame Wohl ihrer Einwohnerschaft zu fördern. Diese Aufgabe kann auch durch wirtschaftliche Betätigung erfüllt werden. Worin die Gemeinde eine Förderung des allgemeinen Wohls erblickt, ist hauptsächlich den Anschauungen und Entschließungen ihrer maßgebenden Organe überlassen und hängt von den örtlichen Verhältnissen, finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde, Bedürfnissen der Einwohnerschaft und anderen Faktoren ab. Die Beurteilung des öffentlichen Zwecks für die Errichtung und Fortführung eines Gemeindeunternehmens ist daher der Beurteilung durch den Richter weitgehend entzogen. Im Grunde handelt es sich um eine Frage sachgerechter Kommunalpolitik, die - wie jedes sinnvolle wirtschaftliche Handeln - in starkem Maße von Zweckmäßigkeitsüberlegungen bestimmt wird (s. Stern/Püttner, Die Gemeindewirtschaft, 1965, S. 72 f.). Hierdurch erklärt sich auch, daß im Schrifttum der Begriff "öffentliche Zwecke" in Anlehnung an die Amtliche Begründung zu § 67 der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 (RGBl. I S. 49) - DGO -, abgedr. bei Suren, Gemeindewirtschaftsrecht, 1960, S. 139 f; im wesentlichen nur damit erläutert wird, daß ein wirtschaftliches Unternehmen nicht errichtet werden dürfe, dessen einziges Ziel das der Gewinnerzielung sei.

18.

Öffentliche Zwecke rechtfertigen aus mehreren Gründen, die hier nicht alle aufgeführt zu werden brauchen, das wirtschaftliche Unternehmen der Beklagten. Die Stadt B liegt in dem Teil des Bundesgebietes, wo seit alters her die Gemeinden sämtliche mit der Bestattung zusammenhängenden Geschäfte erledigen. Soweit sie hierfür ein Monopol für sich in Anspruch nahmen, konnte es zwar nach Inkrafttreten des Art. 12 Abs. 1 GG zu einem großen Teil keinen Bestand mehr haben (s. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Juni 1970 - BVerwG I C 60.66 - <DÖV 1970, 823 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 86>). Die Rechtsentwicklung hat jedoch nicht dazu geführt - und mußte dies aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht -, daß die Gemeinden ihre bisherige wirtschaftliche Betätigung völlig einstellten und den Markt in vollem Umfang privaten Bestattungsunternehmern freigaben. Die Hinterbliebenen können daher - so auch in der Stadt B - nach Belieben bürgerlich-rechtliche Verträge mit einem Bestattungsunternehmer oder der Gemeinde schließen. Auf Grund der überkommenen tatsächlichen Verhältnisse kann die Beklagte von der Annahme ausgehen, daß ein beträchtlicher Teil der Einwohnerschaft einen Vertrag mit der Gemeinde vorzieht. Diesem Wunsch der Bevölkerung darf durch die Fortführung des Gemeindeunternehmens jedenfalls so lange entsprochen werden, als nicht infolge eines Wandels der Anschauungen kein Bedarf an dem öffentlichen Unternehmen mehr besteht. Das Gemeindeunternehmen hat daher seinen öffentlichen Zweck nicht deshalb eingebüßt, weil die Bedürfnisse der Bevölkerung durch einen privaten Bestattungsunternehmer befriedigt werden können.

19.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind unaufgeforderte Vertreterbesuche zur Erlangung von Aufträgen für Grabsteine auch nach einer sogenannten Karenzzeit von vier Wochen nach dem Todesfall unzulässig.

20.

Der Bundesgerichtshof hat hierbei insbesondere berücksichtigt, "daß die angesprochenen Personen als Hinterbliebene im allgemeinen einer persönlichen Ansprache durch einen Vertreter nicht kritisch abwägend gegenüber stehen und einem Drängen des Vertreters eben wegen ihrer besonderen seelischen Verfassung weniger Widerstand entgegensetzen werden, als das im üblichen Alltagsablauf sonst bei ihnen der Fall sein mag" (BGHZ 56, 18 <20>; hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 8. Februar 1972 - 1 BvR 170/71 -). Diese zutreffende Erkenntnis gilt in noch stärkerem Maße für die Zeit unmittelbar nach dem Todesfall bei der Regelung der Bestattung durch die Hinterbliebenen. Das Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, daß die Hinterbliebenen bei der Erledigung dieser Geschäfte "wegen ihres Gemütszustandes besonders leicht beeinflußbar sind". Nach der Lebenserfahrung ist nicht zu erwarten, daß sie einen Überblick über die Preise für Bestattungsartikel und die bei einer Bestattung üblichen Dienstleistungen haben, Vergleiche mit anderen Bestattungsunternehmen anstellen und ein unangebrachtes Gewinnstreben ihres Geschäftspartners durchschauen. Wenn ein Teil der Bevölkerung die Bestattung - aus welchen Gründen auch immer - durch ein Gemeindeunternehmen, nicht durch einen Gewerbetreibenden durchführen lassen möchte, kann dies eine entsprechende gemeindliche Betätigung rechtfertigen. Das wirtschaftliche Unternehmen der Beklagten entspricht auch deshalb einem öffentlichen Zweck, weil die Gemeinde durch verantwortungsbewußt festgesetzte, wettbewerbsrechtlich einwandfreie Tarife der Bevölkerung zu angemessenen Bestattungskosten verhelfen und soziale Belange berücksichtigen kann. Außerdem rechtfertigt der enge Sachzusammenhang zwischen der dem Benutzungszwang unterliegenden Bestattung und der Leichenversorgung sowie der Beschaffung von Bestattungsartikeln, daß die Gemeinde der Einwohnerschaft die Möglichkeit bietet, sämtliche mit der Bestattung zusammenhängende Geschäfte öffentlich- und privatrechtlicher Art durch sie erledigen zu lassen.

21.

Der Kläger könnte im übrigen die wirtschaftliche Betätigung der Beklagten mit § 85 GemO auch deshalb nicht erfolgreich bekämpfen, weil diese Vorschrift keine Schutznorm für die wirtschaftlichen Konkurrenten der Gemeinde darstellt. Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden wird durch die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg weniger eingeschränkt als durch andere Gemeindeordnungen. Das baden- württembergische Recht enthält im Gegensatz zu § 67 Abs. 1 Nr. 3 DGO, § 69 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 11. August 1969 (GV NW S. 656) und Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in der Fassung vom 14. Dezember 1970 (GVBl. 1971 S. 13) keine Subsidiaritätsklausel und schreibt auch nicht vor, daß ein dringender Zweck das kommunale Unternehmen erfordern muß. Dies läßt den Schluß zu, daß § 85 GemO nicht dazu bestimmt ist, den einzelnen Unternehmer oder die Privatwirtschaft insgesamt vor der Konkurrenz der öffentlichen Hand zu schützen (s. Klein, a.a.O. S. 73 ff.; Lerche, a.a.O. S. 34 ff.).

22.

b) Dem Grundgesetz kann kein verfassungskräftiges Bekenntnis für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entnommen werden (BVERWGE 17, 306 <308>). Die baden-württembergische Regelung der kommunalen Wirtschaft ist mit Art. 28 Abs. 1 GG und den Grundrechten vereinbar. Dem Kläger steht kein Abwehranspruch auf verfassungsrechtlicher Grundlage zu.

23.

Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand; das Grundgesetz garantiert der Privatwirtschaft nicht die Ausschließlichkeit des wirtschaftlichen Handelns: "Ein subjektives verfassungskräftiges Recht eines Geschäftsmannes auf die Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten besteht in der freien Wettbewerbswirtschaft nicht" (BVerfGE 24, 236 <251>; s. auch Bettermann, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, in Berliner Festschrift für Ernst E. Hirsch, 1968, S. 1 ff. <11, 20>; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 141 ff.; Lerche, a.a.O. S. 29). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts macht die Beklagte nicht schon dadurch, daß sie das wirtschaftliche Unternehmen betreibt, jede private Konkurrenz unmöglich (hierzu Püttner, a.a.O. S. 158 ff., 383 f.). Sie vermindert durch ihre Teilnahme am Wettbewerb - als eine natürliche Folge jeden Wettbewerbs - lediglich die Erwerbschancen anderer Unternehmen. Hierdurch kann die Wettbewerbsfreiheit nicht verletzt werden (s. BVERWGE 17, 306 <309>; Klein, a.a.O. S. 111 ff.; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, Bd. I, 10. Aufl. 1971, Allg. RdNr. 50). Einen generellen Anspruch auf Chancengleichheit, mit dem die Unzulässigkeit des Gemeindeunternehmens begründet werden könnte, gibt es nach der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes nicht. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verbietet nur sachlich unbegründete rechtliche Differenzierungen zum Vorteil des öffentlichen Unternehmens (Klein, a.a.O. S. 228 ff.; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen; 1969, S. 113 f.). Die wirtschaftliche Betätigung der Beklagten im Bestattungswesen ist durch öffentliche Zwecke gerechtfertigt und daher nicht sachwidrig. Im übrigen ist hierzu festzustellen, daß die Beklagte im Wettbewerb keine rechtliche Vorzugsstellung genießt; sie unterliegt hierbei denselben privatrechtlichen Vorschriften wie die Mitbewerber. Unlauterer Wettbewerb der öffentlichen Hand - etwa durch unzulässige Verquickung hoheitlicher Befugnisse mit der Erwerbswirtschaft - kann daher vom Kläger gemäß § 1 UWG und § 1004 BGB vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit bekämpft werden (s. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 1964, 102 ff.). Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt gleichfalls nicht vor. Dieses Grundrecht schützt nicht vor dem Auftreten eines neuen Konkurrenten, es sei denn, daß dieser durch eine behördliche Maßnahme eine Monopolstellung erlangt (BVERWGE 17, 306 <314>). Noch weniger kann ein neuer Konkurrent von der öffentlichen Hand verlangen, daß diese auf weitere wirtschaftliche Betätigung in der bisher geübten Weise verzichte. Selbst wenn der Zweck des wirtschaftlichen Unternehmens der Beklagten durch private Bestattungsunternehmer ebensogut oder besser zu erreichen wäre, läge in der wirtschaftlichen Betätigung der Beklagten kein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip, weil dieses nach § 85 GemO für sie nicht gilt und nach zutreffender herrschender Meinung keinen Verfassungsrang hat (BVERWGE 23, 304 <306>).

24.

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm erstrebte Trennung des hoheitlichen und des privatwirtschaftlichen Aufgabenbereichs des Bestattungsordners der Beklagten. Hierbei geht es um die Frage, ob die Beklagte nach öffentlichem Recht ihre privatwirtschaftliche Betätigung auf dem Gebiet des Bestattungswesens personell nicht mit den ihr obliegenden hoheitlichen Aufgaben auf diesem Gebiet verknüpfen darf und der Kläger durch die derzeitige Regelung in seinen Rechten verletzt wird.

25.

Dem Bestattungsordner werden die Dienstgeschäfte durch einen Hoheitsakt der Gemeinde zugewiesen. Ob sich seine dienstliche Pflicht, für die Beklagte auch privatwirtschaftlich tätig zu sein, aus deren Dienstanweisung für die Bestattungsordner oder aus einer Einzelanordnung an ihn ergibt, ist ungewiß, kann aber dahingestellt bleiben. Jedenfalls handelt es sich um eine innerdienstliche Maßnahme in Ausübung der Organisationsgewalt der Gemeinde.

26.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind auf der Organisationsgewalt des Staates beruhende Maßnahmen grundsätzlich einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung entzogen. "Verhalten sie sich im innerstaatlichen Bereich und erzeugen sie Wirkungen nur im Verhältnis zu einzelnen Organen des Staates selbst, so sind sie ihrem Wesen nach nicht geeignet, die rechtlich geschützte Sphäre Dritter zu berühren.... Organisationsmaßnahmen als solche (sind) grundsätzlich nicht geeignet..., Dritte... in ihrer rechtlich geschützten Sphäre zu berühren, und zwar auch dann nicht, wenn diese Personen Nachteile erleiden, die von der organisatorischen Maßnahme nicht zu trennen sind, weil sie allein in dieser Maßnahme als solcher ihre rechtliche Grundlage haben" (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Februar 1961 - BVerwG II C 75.58 -, VerwRSpr. 13, 656 <662> = NJW 1961, 1323 <1325> = JZ 1962, 62 <63 f.>). Ein Dritter hat deshalb auch grundsätzlich keinen Anspruch auf Änderung der Behördenorganisation. Ein solcher Anspruch läßt sich weder aus Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG und aus den allgemeinen Freiheitsrechten, noch aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herleiten. Der Vorteil, den die Beklagte aus der personellen Verbindung ihrer privatwirtschaftlichen und ihrer hoheitlichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Bestattungswesens zieht, ist einer der Gründe, die das wirtschaftliche Unternehmen der Beklagten nach § 85 GemO rechtfertigen. Dadurch unterscheidet sich die privatwirtschaftliche Betätigung der Beklagten auf dem Gebiet des Bestattungswesens von anderen wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand. Ein Anspruch auf Trennung der beiden Aufgabenbereiche des Bestattungsordners könnte dem Kläger allenfalls dann zustehen, wenn die "Doppelfunktion" des Bestattungsordners ohne Rücksicht auf die Art und Weise, in der die privaten Geschäfte abgeschlossen werden, zwangsläufig zu einem unlauteren Wettbewerb der Beklagten führte und dieser sich ohne die erstrebte organisatorische Trennung nicht verhindern ließe. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Unzulässigen Vorteilen der Beklagten im privatwirtschaftlichen Verkehr mit den Hinterbliebenen kann auf verschiedene Weise begegnet oder vorgebeugt werden. Soweit sich bei der wirtschaftlichen Betätigung Wettbewerbsvorteile für die Beklagte ergeben sollten, die nicht allein durch die nach öffentlichem Recht zulässige Verbindung der Aufgaben des Bestattungsordners begründet sind, könnte der Kläger unter den dafür bestehenden Voraussetzungen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen (s. Schricker, a.a.O. S. 168 ff.; Emmerich, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, 1969, insbes. S. 40 ff., 69 ff.).