Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 23.5.1975
- 4 C 28/
72 -

 (weitere Fundstellen: BVerwGE 48, 237 ff.)

 

 

Leitsatz

 

Die Bebauungsgenehmigung ist ihrem Wesen nach ein Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung, der sich über die bodenrechtliche Bebauungsfähigkeit eines Grundstücks verhält.

 

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Im Oktober 1967 richtete der Kläger an den Rechtsvorgänger des Beklagten eine "Voranfrage über das Bauvorhaben auf dem ...", die er dahin erläuterte, daß es notwendig sei, ein zu klein gewordenes und zum Teil erneuerungsbedürftiges Wohnhaus im Außenbereich umzubauen oder ein neues Wohnhaus zu errichten. Der Rechtsvorgänger des Beklagten beschied den Kläger dahin, er könne die beabsichtigte "Errichtung eines neuen Wohnhauses" nicht genehmigen, da dem öffentliche Belange im Sinne von § 35 BBauG entgegenstünden. Das Grundstück liege nicht an einem öffentlichen Weg, sondern nur an einem streckenweise nicht befestigten und nur sehr schlecht oder zeitweise überhaupt nicht befahrbaren Feld- und Waldweg, dementsprechend sei nicht gesichert, daß das Grundstück durch die Polizei, die Post oder bei der Erforderlichkeit einer ärztlichen Versorgung erreicht werden könne.

2.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, auf dem fraglichen Grundstück die Errichtung eines Wohnhauses zuzulassen.

3.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Das Urteil beruht u. a. auf folgenden Erwägungen:

4.

Es könne dahingestellt bleiben, ob das Vorhaben des Klägers bauplanungsrechtlich zulässig sei. Dem Vorhaben stehe auf jeden Fall ein bauordnungsrechtliches Hindernis entgegen. In der Berücksichtigung dieses Hindernisses liege kein unzulässiges Nachschieben weiterer Ablehnungsgründe. Da es sich um eine Verpflichtungsklage handele, seien alle dem Vorhaben und damit der begehrten Genehmigung entgegenstehenden Umstände in Betracht zu ziehen.

5.

Das die Bebauungsgenehmigung ausschließende bauordnungsrechtliche Hindernis ergebe sich aus Mängeln der Zuwegung. Dem Grundstück fehle es vielleicht nicht an der ausreichenden verkehrsmäßigen Erschließung im Sinne von § 35 Abs. 1 BBauG, da das Pachtgelände immerhin von der Landstraße her auf einem mehr oder weniger gut befestigten gemeindeeigenen Weg mit Kraftfahrzeugen zu erreichen sei. Anders liege es jedoch mit dem ca. 1 km langen, schlecht ausgebauten forst-fiskalischen Weg zum Gehöft auf dem Pachtgrundstück selbst; er genüge nicht den sich aus § 4 Abs. 2 Nr. 3 der Hessischen Bauordnung ergebenden Anforderungen des Bauordnungsrechts.

6.

Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

 

Aus den Gründen

7.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage allein darauf gestützt, daß das Vorhaben des Klägers bestimmten Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht genüge. Es hat gemeint, mit Rücksicht darauf nicht der Frage nachgehen zu müssen, ob das Vorhaben die sich aus § 35 BBauG ergebenden Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Diese Handhabung ist mit dem Bundesrecht nicht vereinbar. Die Entscheidung über die Klage erfordert ungeachtet etwaiger Hindernisse bauordnungsrechtlicher Art eine Prüfung der Zulässigkeit nach § 35 BBauG.

8.

Dazu ist im einzelnen folgendes zu bemerken:

9.

Unter einer "Bauvoranfrage" wird im allgemeinen ein Antrag verstanden, durch den, wie es beispielsweise in § 9 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 721) – BImSchG – heißt, "einzelne Genehmigungsvoraussetzungen" geklärt werden sollen. Um welche Genehmigungsvoraussetzungen es sich dabei handelt, welche also von ihnen derart abgespaltet und zum Gegenstand eines selbständigen Antrages gemacht werden dürfen, bestimmt sich nach dem jeweils einschlägigen Verfahrensrecht. Der auf die Voranfrage ergehende "Vorbescheid" (vgl. § 9 BImSchG) bejaht oder verneint das Vorliegen der zur Prüfung gestellten Genehmigungsvoraussetzung. Das kann bei einem bejahenden Vorbescheid in unterschiedlicher rechtlicher Qualität geschehen. Möglich ist einmal, daß es sich bei einem solchen Vorbescheid um eine Zusage handelt, die den Inhalt hat, daß für den Fall eines künftigen Genehmigungsantrages die Genehmigung nicht aus den mit der Voranfrage geklärten Gründen versagt werden solle. Möglich ist aber ferner, daß ein Vorbescheid die Qualität einer bereits teilweisen Genehmigung hat, mit der, soweit es um die geprüfte Genehmigungsvoraussetzung geht, die Genehmigung bereits erteilt wird. Der darin zum Ausdruck kommende Unterschied wirkt sich beispielsweise darin aus, daß im Falle der – eine bestimmte Genehmigungsvoraussetzung gleichsam ausschaltenden – teilweisen Genehmigung die entstandene Bindung nur nach den Grundsätzen über den Widerruf oder die Rücknahme von (begünstigenden) Verwaltungsakten wieder beseitigt werden kann. Auch über diese rechtliche Qualität eines Vorbescheides bestimmt das jeweils maßgebende Verfahrensrecht.

10.

Die "Bebauungsgenehmigung" im bundesrechtlichen Sinne dieses Wortes ist ein Vorbescheid besonderer Art. Sie ist, was ihre Rechtsqualität anlangt, nicht Zusage, sondern teilweise Genehmigung (vgl. Urteil vom 10. Mai 1968 – BVerwG IV C 8.67 – [Buchholz 406.11 § 21 BBauG Nr. 6 S. 5 f.]). Sie ist ein Ausschnitt aus der umfassenderen Baugenehmigung, und zwar ein Ausschnitt aus dem feststellenden (und nicht auch aus dem verfügenden) Teil der Baugenehmigung (vgl. insoweit zum Begriff der Baugenehmigung die Urteile vom 2. Juli 1963 – BVerwG I C 110.62 – [DVBl. 1964, 184], vom 7. Februar 1964 – BVerwG I C 104.61 – [Buchholz 406.11 § 31 BBauG Nr. 1], vom 15. März 1967 in BVerwGE 26, 287 [288] und vom 25. Oktober 1967 in BVerwGE 28, 145 [147 f.]). Was zum anderen die Reichweite, d. h. den Feststellungsgegenstand betrifft, wird die Bebauungsgenehmigung als Vorbescheid dadurch gekennzeichnet, daß sie "die bodenrechtliche Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens" erfaßt (Beschluß vom 26. Mai 1972 – BVerwG IV B 36.72 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 99 S. 55 [56]), d. h. die Zulässigkeit nach dem bundesrechtlichen oder auf das Bundesrecht zurückgehenden "Planungsrecht" ("Bebauungsrecht").

11.

Auf dieser Grundlage ergibt sich zu den das angefochtene Urteil tragenden Ausführungen folgendes: Das Berufungsgericht hat den zugrunde liegenden Antrag des Klägers dahin verstanden, daß der Kläger im Wege der Voranfrage habe klären wollen, ob er sein Grundstück mit einem neuen Wohnhaus bebauen dürfe. So gedeutet, richtete sich der Antrag des Klägers nicht (nur) auf eine Bebauungsgenehmigung in dem oben erläuterten Sinne dieses Wortes. Denn ob auf dem Grundstück ein Wohnhaus errichtet werden darf, hängt nicht allein von der Rechtslage ab, die sich dazu aus dem Bebauungsrecht ergibt. Die Unzulässigkeit kann sich vielmehr – wie gerade das angefochtene Urteil zeigt – auch aus dem Landesbaurecht ("Bauordnungsrecht") ergeben. Eine Bauvoranfrage des Inhaltes, wie sie das Berufungsgericht in dem Antrag des Klägers sieht, zielt – anders ausgedrückt – nicht auf den Unterschied zwischen dem "Bebauungsrecht" ("Bodenrecht", "Planungsrecht") und dem "Landesbaurecht" ("Bauordnungsrecht"), sondern, vergleichbar etwa dem Unterschied zwischen "Grund" und "Höhe", auf den Unterschied zwischen der Zulässigkeit eines Vorhabens "überhaupt" und seiner Zulässigkeit gleichsam "im Detail".

12.

Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Annahme, daß der Kläger mit seinem Antrag die Zulässigkeit der Errichtung eines Wohnhauses "überhaupt" (und nicht nur die bebauungsrechtliche Fragestellung) habe klären wollen, ist das Ergebnis einer Auslegung dessen, was der Kläger seinerzeit erklärt hat. Sie ist von tatsächlicher Art und deshalb vom erkennenden Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO hinzunehmen. Darüber hinaus beruht das angefochtene Urteil insoweit auf der Annahme, daß das für den Antrag des Klägers maßgebende Verfahrensrecht eine Voranfrage dieser Art und Reichweite zulasse, also gestatte, die Bebaubarkeit "überhaupt" (und nicht nur das Bestehen oder Nichtbestehen bebauungsrechtlicher Hindernisse) zum Gegenstand einer Voranfrage zu machen. Auch daran ist der erkennende Senat nach § 562 ZPO in Verbindung mit den §§ 137 Abs. 1, 173 VwGO, § 549 ZPO gebunden. Denn das Baugenehmigungsverfahren (im weiteren, auch die Voranfrage einschließenden Sinne) ist landesrechtlich geregelt; das Bundesrecht setzt dem lediglich diese und jene – hier nicht interessierenden – Grenzen.

13.

Ist demnach davon auszugehen, daß sich der Antrag des Klägers in verfahrensrechtlich unbedenklicher Weise auf die Klärung der Zulässigkeit eines Wohnhauses "überhaupt" richtete, so ist mit dem Berufungsgericht zu folgern, daß der Antrag und damit zugleich die Klage an schlechthin jedem Grund scheitern muß, der diese Zulässigkeit "überhaupt" ausschließt. Ein solcher Grund ist im vorliegenden Falle mit der wegen § 4 der Hessischen Bauordnung unzureichenden Zuwegung gegeben. Auch das wiederum steht für das Revisionsverfahren fest, weil es sich bei den im angefochtenen Urteil enthaltenen Ausführungen zu dem auf dem Grundstück vorhandenen Weg einerseits um tatsächliche Feststellungen und andererseits um die Auslegung irrevisiblen Landesrechts handelt.

14.

Das angefochtene Urteil ist mit seinem Ergebnis einer vollen Abweisung der Klage dennoch nicht zu billigen. Das Berufungsgericht hat nämlich übersehen, daß die Voranfrage des Klägers teilbar ist und daß der Kläger ein auf der Hand liegendes Interesse daran hat, selbst für den Fall eines landesbaurechtlichen Zuwegungshindernisses eine Klärung zu erreichen, ob (auch) das Bebauungsrecht seinem Vorhaben entgegensteht. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn sich das landesbaurechtliche Zuwegungshindernis schlechthin nicht ausräumen ließe und deshalb der Kläger von einer Klärung der bebauungsrechtlichen Fragen – also der etwaigen Erteilung einer Bebauungsgenehmigung – keinen Nutzen haben könnte. So liegen die Dinge nicht

15.

Damit ergibt sich, daß das Berufungsgericht, wenn man sich auf den Boden seiner (irrevisiblen) Annahmen stellt, zwar zu Recht in jenem landesbaurechtlichen Zuwegungshindernis einen im vorliegenden Verfahren beachtlichen Versagungsgrund gesehen hat, dabei jedoch insofern einem Irrtum unterlegen ist, als dieser Versagungsgrund nicht die Ablehnung der gesamten Voranfrage rechtfertigt. Die abschließende Beurteilung der Voranfrage erfordert demnach auch eine durch entsprechende tatsächliche Feststellungen gesicherte Prüfung der bebauungsrechtlichen Fragen. Diese Prüfung muß vom Berufungsgericht noch nachgeholt werden.