Bundesverwaltungsgericht
Beschluss vom 21. April 1998
- 1 B 43/98
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 (weitere Fundstellen: GewArch 1998, 419 f.)

 

Aus den Gründen:

1.

1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt. Diese rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

3.

a) Die Beschwerde wird auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muß daher erläutern, daß und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

4.

Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob die Wertvorstellungen der Rechtsgemeinschaft nicht aufgrund der geschichtlichen Entwicklung (gemeint: gebietlich) unterschiedlich sein können". Sie wirft diese Frage auf, weil das Oberverwaltungsgericht die Schließung der von ihr betriebenen "Peep-Show" mit der Begründung gebilligt hat, daß die Klägerin ihr Gewerbe ohne wirksame gewerberechtliche Zulassung betreibe; die ihr früher erteilte Erlaubnis sei sittenwidrig und deshalb nichtig. Die Frage erfordert nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten läßt. Der beschließende Senat hat darauf hingewiesen, daß der Begriff der guten Sitten ein unbestimmter, ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff ist, mit welchem das Gesetz auf die dem geschichtlichen Wandel unterworfenen sozialethischen Wertvorstellungen verweist. Daß diese Wertvorstellungen örtlich unterschiedlich geprägt sein können, liegt ebenso auf der Hand wie die Erkenntnis, daß solche Unterschiede um so größer sein können, je enger das in die Betrachtung einbezogene Umfeld ist. Darauf hebt aber die Senatsrechtsprechung zu § 33 a GewO nicht ab. Nach ihr kommt es nicht auf die Wertvorstellungen in räumlich beliebig abgegrenzten Gebieten an, sondern auf diejenigen "in der Rechtsgemeinschaft". Deshalb hat der beschließende Senat bereits entschieden, daß die Erlaubnis zum Betrieb einer "Peep-Show" selbst dann gegen die guten Sitten verstößt, wenn der Veranstaltungsort in einem sogenannten Vergnügungsviertel liegt. Denn ein sozialethisches Unwerturteil ist nicht von der Örtlichkeit abhängig, in der die Veranstaltung durchgeführt wird (Urteil vom 30. Januar 1990 - BVerwG 1 C 26.87 - BVerwGE 84, 314). Für größere räumliche Bereiche gilt nichts anderes, auch wenn es sich in der Terminologie der Klägerin um "Anschlußgebiete" handelt, deren historische Entwicklung wie etwa die des Saarlandes von der anderer Bundesländer abweicht. Die "Rechtsgemeinschaft" ist entgegen der Auffassung der Beschwerde keine "haltlose Fiktion", sondern legitimiert, wenn auch vielfach mediatisiert, das staatliche Handeln und ist zugleich Adressat der Rechtsordnung.

5.

b) Der außerdem gerügte Verfahrensmangel fehlender oder ungenügender Sachaufklärung ist nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden. "Bezeichnet" im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist ein solcher Verfahrensmangel nur, wenn substantiiert angegeben wird, welche Beweise angetreten worden sind oder inwiefern sich der Vorinstanz nach deren materiellrechtlicher Auffassung eine Beweisaufnahme oder sonstige Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, welches Mittel dafür in Betracht gekommen wäre, welches Ergebnis die Ermittlungen voraussichtlich gehabt hätten und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung hätte führen können. Daran fehlt es.

6.

aa) Die Klägerin meint, das Berufungsgericht habe es zu Unrecht unterlassen, die "Zulassungspraxis" für "Peep-Shows" in anderen europäischen Ländern zu ermitteln. Sie legt aber nicht dar, daß eine solche Aufklärung nach der in diesem Zusammenhang allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hätte durchgeführt werden müssen. Nach Meinung des Berufungsgerichts kam es auf die Zulassungspraxis in anderen europäischen Staaten nicht an. Wenn es dabei eine "vereinzelt anzutreffende Zulassungspraxis in anderen Ländern" erwähnt, hat das nur eine hinweisende, nicht aber eine die Entscheidung tragende Bedeutung. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, daß "der Verstoß gegen EU-Grundsätze aus sich heraus auch dann beachtenswert sein muß, wenn der unmittelbare Auslandsbezug fehlt", übersieht sie, daß dem Berufungsgericht der Vorwurf eines Verfahrensverstoßes nur dann gemacht werden kann, wenn es eine nach seiner Rechtsauffassung erforderliche Sachverhaltsaufklärung unterlassen hat. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts gibt es aber keinen "EU-Grundsatz", daß "Peep-Shows" einheitlich beurteilt werden müssen. Vielmehr steht die hier angefochtene Schließungsverfügung nach dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht.

7.

bb) Auf die "Häufigkeit der Selbstbefriedigung" in den Einzelkabinen kam es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht an. Derartiges wird auch durch die Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Zur Abgrenzung zwischen der nicht als sittenwidrig angesehenen Striptease-Vorführung und der "Peep-Show" verweist das Oberverwaltungsgericht auf die Gesamtumstände und hierzu außer auf die "objekthafte Rolle der auftretenden Frau" auf die Einzelkabinen, in denen für die Besucher die "Möglichkeit der Selbstbefriedigung" gegeben sei, die der "Peep-Show" das entscheidende Gepräge gäben. Daß Einzelkabinen vorhanden sind und in ihnen die Möglichkeit der Selbstbefriedigung gegeben ist, zieht die Klägerin selbst nicht in Zweifel. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts dienen nur dazu, die "Möglichkeit der Selbstbefriedigung" zu illustrieren. Hingegen kam es für das Oberverwaltungsgericht nicht darauf an, welcher prozentuale Anteil der Besucher tatsächlich diese Möglichkeit nutzt.