Bundesverfassungsgericht (2. Senat)
Beschluss vom 29. Juni 1983
- 2 BvR 1546/
79 -

 (weitere Fundstellen: BVerfGE 64, 301 ff.)

Leitsätze

1.

Greift ein Abgeordneter eines Landtages die gesetzliche Ausgestaltung seines Status als Abgeordneter (hier: die Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Anspruches auf angemessene Entschädigung und Versorgung) als verfassungswidrig an, so ist ihm hierfür der Rechtsweg des Organstreits zum Landesverfassungsgericht - oder subsidiär gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG zum Bundesverfassungsgericht - eröffnet; die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist nicht statthaft.

2.

Zur Frage, ob durch gesetzliche Regelungen über die Abgeordnetenentschädigung und -versorgung das Recht auf Chancengleichheit bei der Wahl beeinträchtigt sein kann.

Zum Sachverhalt:

1.

Der Bf. ist Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg. Mit seiner Verfassungsbeschwerde griff er in erster Linie die §§ 11, 12 (Altersentschädigung), 21 Abs. 1 bis 4 (Anrechnung bei Zusammentreffen zweier Bezüge aus öffentlichen Kassen) und § 27 Abs. 2, § 33 Abs. 1 Satz 1 (Ausgleichsbetrag für Abgeordnete aus einem inkompatiblen Amt, d. h. in der Regel für einzelne Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes) an.

2.

Außerdem rügte er das Fehlen gesetzlicher Vorkehrungen gegen "arbeitsloses" Einkommen der Abgeordneten aus sog. Beraterverträgen. Er machte u. a. eine Verletzung seines Rechts auf Chancengleichheit bei der Wahl geltend.

3.

Die Verfassungsbeschwerde wurde gem. § 24 BVerfGG verworfen.

Aus den Gründen

B.

4.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig

I.

5.

Das Bundesverfassungsgericht ist zur Entscheidung der aufgeworfenen Streitfragen nicht zuständig.

6.

Mit der unmittelbar gegen das Gesetz erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Erschwerung des Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung. Nachdem er, um Beiträge zu ersparen, der gesetzlichen Krankenkasse vorübergehend nicht angehört habe, sei es seine Absicht gewesen, ihr eventuell im Frühjahr 1983 wieder beizutreten. Diese Möglichkeit sei ihm durch die Neufassung des § 176 c RVO ohne Übergangsvorschrift genommen worden. Das verstoße gegen die Verfassung; jedenfalls sei Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil er gegenüber Schwerbehinderten benachteiligt werde, die bei im übrigen gleichen Voraussetzungen erst nach dem 1. Oktober 1981 als Schwerbehinderte anerkannt worden seien.

7.

3. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Der Beschwerdeführer sei durch das Gesetz nicht gegenwärtig betroffen, weil sich aus seinem Vortrag nicht ergebe, ob er jemals von seinem Beitrittsrecht Gebrauch gemacht hätte. Auch sei nicht auszuschließen, daß sich für ihn eine Beitrittsmöglichkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung aus einer anderen Norm als § 176 c RVO ergeben könnte, etwa wenn er eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufnähme. Überdies sei der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG selbst und unmittelbar durch das Gesetz betroffen worden.

 

II.

8.

Die unmittelbar gegen das Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

9.

1. Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich den Weg der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 90 ff. BVerfGG) beschritten. Diese Verfahrensart ist vorliegend nicht statthaft.

10.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist der spezifische Rechtsbehelf des Bürgers gegen den Staat. Sie ist "jedermann" gegeben, wenn die öffentliche Gewalt in die Sphäre des Bürgers eingreift, die durch die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG genannten Grundrechte und grundrechtsähnlichen Rechte gegenüber dem Staat gesichert ist (vgl. BVerfGE 4, 27 (30); 6, 445 (448); 60, 175 (201 f.)). Daraus folgt, daß die Verfassungsbeschwerde kein Mittel zur Austragung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatsorganen ist (BVerfGE 15, 298 (302); 43, 142 (148)).

11.

Ein Abgeordneter des Bundestages oder eines Landtages kann nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde um seine Abgeordnetenrechte mit einem Staatsorgan, etwa dem Parlament, streiten. Für einen Bundestagsabgeordneten ist vielmehr der richtige Weg das Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG vor dem Bundesverfassungsgericht und für einen Landtagsabgeordneten das gleiche Verfahren vor einem Landesverfassungsgericht oder - subsidiär - gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 (dritter Fall) GG vor dem Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 32, 157 (162); 43, 142 (148, 150)). Dies gilt auch dann, wenn der Abgeordnete als Verfassungsverstoß auch eine Grundrechtsverletzung, z. B. eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, rügt (BVerfGE 43, 142 (148 f.)).

12.

b) Die vom Beschwerdeführer angegriffenen Regelungen des Abgeordnetengesetzes und das von ihm gerügte Unterlassen des Gesetzgebers betreffen die nähere Ausgestaltung des durch Art. 40 Satz 1 LV garantierten Anspruchs des Landtagsabgeordneten auf eine angemessene Entschädigung. Dieser Anspruch ist Bestandteil des verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten (vgl. BVerfGE 4, 144 (149 ff.); 40, 296 (309, 310 ff., 315 f.)). Solche gesetzlichen Regelungen kann ein Abgeordneter daher grundsätzlich nur im Wege des Organstreits angreifen (vgl. BVerfGE 4, 144).

13.

c) Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn ein Antragsteller nicht aus einem gegenwärtigen Abgeordnetenstatus heraus Regelungen über die Abgeordnetenentschädigung beanstandet. So kann sich etwa ein aus dem Parlament ausgeschiedener Abgeordneter gegen eine die Altersversorgung der Abgeordneten betreffende Regelung im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wenden (BVerfGE 32, 157 (162)). Desgleichen ist die Verfassungsbeschwerde statthaft, wenn ein Antragsteller, der entweder kein Abgeordneter ist oder als Abgeordneter von der angegriffenen, erst für die nächste Wahlperiode geltenden Entschädigungsregelung noch nicht erfaßt wird, vorträgt, er werde bereits als potentieller Kandidat für die nächste Wahl in seinem passiven Wahlrecht betroffen, und damit einen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Wahlgleichheit rügt (vgl. BVerfGE 38, 326 (335); 40, 296 (309)). Unter dieser Voraussetzung dient die Verfassungsbeschwerde nicht der Klärung des verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten, sondern der Durchsetzung des passiven Wahlrechts (vgl. BVerfGE 4, 27 (30); 63, 230 = NJW 1983, S. 1105, m.w.N.).

14.

d) Auch unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Besonderheiten ist der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG vorliegend nicht gegeben. Dabei kann offen bleiben, ob dies bereits für den Zeitpunkt galt, als die Verfassungsbeschwerde rechtshängig wurde und sich der Beschwerdeführer noch um einen Sitz im 8. Landtag bewarb. Jedenfalls ist seit dem 1. Juni 1980, dem Beginn der 8. Wahlperiode, für den Beschwerdeführer der genannte Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ausgeschlossen.

15.

Obwohl der Beschwerdeführer nunmehr, nach seiner Wahl zum 8. Landtag, darauf abhebt, daß er nicht etwa nur noch um seinen Status als Abgeordneter kämpfe, sondern das Verfahren als potentieller Kandidat zukünftiger Landtagswahlen fortsetze, ist die Verfassungsbeschwerde nicht gleichsam in einen neuen zulässigen Verfahrensgegenstand hineingewachsen. Dem steht der Umstand entgegen, daß der Beschwerdeführer inzwischen dem Landtag angehört, für dessen Wahlperiode die beanstandeten Vorschriften gelten. Dadurch unterscheidet sich dieser Fall von jenem, der dem Diäten-Urteil zugrunde lag. Der Beschwerdeführer in jenem Verfahren war auch im Zeitpunkt der Schlußentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von den angegriffenen Bestimmungen noch nicht als Abgeordneter betroffen, weil er für den neuen Landtag nicht kandidiert hatte.

16.

Das Diäten-Urteil spricht sich freilich nicht darüber aus, ob ein von einer Entschädigungsregelung aktuell betroffener Abgeordneter den Weg der Verfassungsbeschwerde mit dem Vorbringen beschreiten kann, diese Regelung beeinträchtige ihn auch in seiner Eigenschaft als potentieller Wahlbewerber. Diese Frage ist hier zu verneinen: Der Beschwerdeführer greift gesetzliche Bestimmungen an, die in Erfüllung des Verfassungsauftrages gemäß Art. 40 Satz 3 LV zur Ausgestaltung des Abgeordnetenstatus, insbesondere zur Sicherung der Unabhängigkeit der Landtagsabgeordneten gemäß Art. 40 Satz 1 LV ergangen sind, und ihn gegenwärtig auch betreffen. Selbst wenn die angegriffenen Regelungen Auswirkungen auf die Wahlgleichheit des Beschwerdeführers haben könnten, würde es sich dabei lediglich um künftige und von seiner bisher nur möglichen Kandidateneigenschaft abhängige Nebenfolgen handeln, die am eigentlichen Charakter dieses sich aus einem materiellen gegenwärtigen Verfassungsrechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Landtag ergebenden Rechtsstreites nichts änderten. Anders als in BVerfGE 38, 326 ist Gegenstand des Rechtsstreits keine den Beschwerdeführer unmittelbar betreffende Inkompatibilitätsregelung, die zu einem faktischen Ausschluß seiner künftigen Wählbarkeit führen könnte.

17.

Ist somit die Entschädigungsregelung als Ausgestaltung seines verfassungsrechtlichen Abgeordnetenstatus und nicht seine Stellung als künftiger Wahlbewerber der eigentliche Schwerpunkt des Rechtsstreits, dann ist auch der Organstreit gegenüber der Verfassungsbeschwerde als vorrangig anzusehen. Dieser Vorrang folgt aus dem Charakter des Organstreits als eines kontradiktorischen Verfahrens zur Entscheidung eines Verfassungsstreits zwischen Verfassungsorganen oder Organteilen. Der Organstreit ist hier mithin die sachnähere und damit speziellere Verfahrensart, in der zudem im Zweifel eine umfassendere, weil nicht erst durch Art. 3 Abs. 1 GG vermittelte und begrenzte Prüfung der Entschädigungsregelungen erfolgt.

18.

2. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts läßt sich auch nicht im Wege der Umdeutung des Rechtsschutzbegehrens in einen Antrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 (dritter Fall) GG begründen, da ein "anderer Rechtsweg" im Sinne dieser Vorschrift eröffnet war. Der Beschwerdeführer hätte spätestens seit dem 1. Juni 1980 den Rechtsweg in Form des Organstreits zum Staatsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg beschreiten können.

19.

a) Gemäß Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 LV entscheidet der Staatsgerichtshof über die Auslegung der Landesverfassung aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Regierung mit eigener Zuständigkeit ausgestattet sind. Der Beschwerdeführer wäre in diesem Verfahren parteifähig gewesen, da er als Landtagsabgeordneter mit eigenen verfassungsmäßigen Rechten ausgestattet (vgl. Art. 27 Abs. 3, 40 LV) und deshalb Beteiligter im Sinne des Art. 68 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 LV und § 44 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof - StGHG - vom 13. Dezember 1954 (GBl. S. 171) ist.

20.

Gegenstand eines Verfassungsstreits gemäß Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 LV in Verbindung mit § 45 Abs. 1 StGHG kann - ebenso wie im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht - auch ein Gesetz sein (vgl. BadWürttStGH, BaWüVBl. 1960, S. 122 f).

21.

b) Der Beschwerdeführer hätte entgegen seiner Ansicht den Staatsgerichtshof auch fristgerecht im Wege des Organstreits anrufen können. Zwar sieht § 45 Abs. 3 StGHG vor, daß ein Antrag gemäß Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 LV binnen sechs Monaten gestellt werden muß, nachdem die beanstandete Handlung oder Unterlassung dem Antragsteller bekanntgeworden ist. Ist die beanstandete Handlung der Erlaß gesetzlicher Vorschriften, so beginnt die Frist grundsätzlich mit der Verkündung des Gesetzes. Mit ihr gilt das Gesetz als allgemein bekanntgemacht (vgl. BadWürttStGH, a.a.O., S. 123; BVerfGE 27, 294 (297) zu § 64 Abs. 3 BVerfGG).

22.

Der Staatsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg geht in seiner Rechtsprechung jedoch davon aus, daß einem Antragsteller ein Gesetz dann nicht mit der Verkündung als "bekanntgemacht" im Sinne des § 45 Abs. 3 StGHG gilt, wenn er im Zeitpunkt der Verkündung noch nicht antragsbefugt im Sinne des § 45 Abs. 1 StGHG war, d. h. noch nicht dartun konnte, durch das Gesetz verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein (BadWürttStGH, a.a.O., S. 123). Diese Rechtsauffassung ist für das Bundesverfassungsgericht bindend (vgl. BVerfGE 6, 367 (375 f.)). Die Sechs-Monats-Frist hat demnach für den Beschwerdeführer entweder am 8. November 1979 (Aufstellung als Kandidat für die Wahl zum 8. Landtag) oder am 14. April 1980 (Annahme seiner Wahl) oder am 1. Juni 1980 (Beginn der neuen Wahlperiode) zu laufen begonnen. Innerhalb dieser Frist hätte der Beschwerdeführer beim Staatsgerichtshof die Verletzung seines Abgeordnetenstatus durch das Abgeordnetengesetz geltend machen können.

23.

3. Schließlich ließe sich die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts auch nicht mit dem prozeßrechtlichen Grundsatz fortwährender Zuständigkeit des einmal angerufenen Gerichts (perpetuatio fori; vgl. § 90 Abs. 3 VwGO, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) begründen, wenn man unterstellte, der vom Beschwerdeführer beschrittene Rechtsweg wäre bis zum 1. Juni 1980 eröffnet gewesen.

24.

a) Dieser Grundsatz ist im Verfassungsprozeßrecht, speziell im Verhältnis des Bundesverfassungsgerichts zu den Landesverfassungsgerichten, nicht anzuwenden (BVerfGE 6, 376 (383)). Denn es widerspräche dem Verfassungsrang des föderativen Prinzips, wenn der Grundsatz der perpetuatio fori zum Ausschluß des nach der Landesverfassung geschaffenen und von ihr zur Entscheidung eines Falles - und das heißt auch grundsätzlich zur autoritativen Auslegung der Landesverfassung - berufenen Verfassungsgerichts führte. Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht in einem ein baden-württembergisches Gesetz betreffenden Verfahren gemäß § 91 BVerfGG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG) seine zunächst gegebene Zuständigkeit von dem Zeitpunkt an verneint, in dem die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs von Baden-Württemberg für diesen Streitfall begründet wurde.

25.

In dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander. Entsprechendes gilt für die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder (BVerfGE 4, 178 (189); 6, 376 (381 f.); 22, 267 (270); 41, 88 (118); 60, 175 (209)). Daraus folgt, daß der Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder vom Bundesverfassungsgericht möglichst unangetastet bleiben muß und die Landesverfassungsgerichtsbarkeit auf dem Weg über § 31 BVerfGG nicht in größere judizielle Abhängigkeit gebracht werden darf, als es nach dem Bundesverfassungsrecht unvermeidbar ist (BVerfGE 36, 342 (357); 60, 175 (209)). Denn die Nachprüfung der vom Landesgesetzgeber in eigener Kompetenz erlassenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung ist grundsätzlich Sache der Landesverfassungsgerichte (BVerfGE 6, 376 (382); 60, 175 (209)). Würde hier über die perpetuatio fori der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG auf dem "Umweg" über die ehemalige und eventuell künftige Eigenschaft des Beschwerdeführers als "potentieller" Wahlbewerber eröffnet, müßte das Bundesverfassungsgericht ein Landesgesetz am Maßstab des Art. 40 Satz 1 LV prüfen. Damit würde es ohne zwingenden Grund den Rechtsweg zum Staatsgerichtshof gemäß Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 LV entwerten und dessen Möglichkeit einschränken, Landesverfassungsrecht anzuwenden.

26.

b) Durch die Anwendung des landesverfassungsrechtlichen Maßstabes auf die Abgeordnetenentschädigung durch ein Landesverfassungsgericht wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1975 (BVerfGE 40, 296 (319)) nicht in Frage gestellt. Das Gericht hat dort nur über die Anwendbarkeit der aus Art. 48 Abs. 3 GG hergeleiteten Grundsätze für das Saarland, das über keine eigene entsprechende Verfassungsbestimmung verfügt, entschieden und ausdrücklich die Frage offen gelassen, wie sich seine Interpretation des Art. 48 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auf entsprechende Entschädigungsregelungen in Landesverfassungen auswirkt. Besteht - wie hier - die Möglichkeit, die Tragweite landesverfassungsrechtlicher Entschädigungsregelungen durch ein dafür in erster Linie zuständiges Landesverfassungsgericht prüfen zu lassen, so gebührt diesem die Beurteilung der zur Prüfung gestellten Normen.

27.

4. Eine Verweisung des Rechtsstreits an den zuständigen Staatsgerichtshof ist auch unabhängig von der Frage, ob die Frist des § 45 Abs. 3 StGHG noch gewahrt werden könnte, nicht möglich, da mangels gesetzlicher Bestimmungen diese wegen des durch Verfassungsrecht des Bundes und des Landes Baden-Württemberg bestimmten Verhältnisses zwischen den beiden Gerichtsbarkeiten nicht statthaft ist (vgl. BVerfGE 6, 376 (383)).

 

II.

28.

Die Verfassungsbeschwerde ist ferner deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer als Bewerber für die Landtagswahl 1980 nicht beschwerdebefugt war und als "potentieller" Bewerber für die Landtagswahl 1984 nicht beschwerdebefugt ist.

30.

1. Gerade bei Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen ein Gesetz bedarf es im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung einer strengen Prüfung, wann im einzelnen das nicht zuletzt auch für die Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundzuständigkeiten geschaffene Verfahrensrecht dem Bundesverfassungsgericht die weittragende Prüfungsbefugnis der Akte der Rechtsetzung eröffnet. Weder das Grundgesetz noch das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht kennen eine "Popularklage" des Bürgers. Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gehört vielmehr die schlüssige Behauptung des Beschwerdeführers, daß er selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die öffentliche Gewalt, hier: durch die beanstandeten Rechtsnormen, in seinem Grundrecht verletzt sei (BVerfGE 49, 1 (7 f.); st. Rspr.). Danach muß der Beschwerdeführer nicht nur eine entsprechende und gemäß § 92 BVerfGG ausreichend substantiierte Behauptung aufstellen, sondern die von ihm angegriffene Rechtsnorm muß nach "Struktur und Inhalt geeignet" sein, in Grundrechte des Beschwerdeführers einzugreifen, d. h. unmittelbar eine grundrechtlich geschützte Position des Beschwerdeführers zu seinem Nachteil zu verändern (BVerfGE 40, 141 (156)).

31.

2. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausformung als Recht auf Chancengleichheit der Wahl hat der Beschwerdeführer zwar ein - auch für Bewerber einer Landtagswahl geltendes - beschwerdefähiges Grundrecht bezeichnet (BVerfGE 38, 326 (335); 51, 222 (232)). Wie oben unter I 1 d) bereits angedeutet, ist es allerdings fraglich, ob die angegriffenen Bestimmungen des Abgeordnetengesetzes, zu denen keine den Beschwerdeführer betreffende Inkompatibilitätsregelung gehört, "nach Struktur und Inhalt", d. h. überhaupt, die Wahlrechtsgleichheit durch mittelbare "Vorwirkungen" beschränken können. Dies bedarf jedoch keiner Klärung, da der Beschwerdeführer jedenfalls nicht die Möglichkeit einer eigenen unmittelbaren Grundrechtsverletzung unter dem Aspekt der Chancengleichheit bei der vergangenen oder künftigen Landtagswahl schlüssig dargetan hat.

32.

a) Soweit der Beschwerdeführer die §§ 11, 12 AbgG (Altersentschädigung) angreift, macht er geltend, die Altersentschädigung sei zu hoch. Daraus ist offensichtlich keine nachteilige Betroffenheit des Beschwerdeführers ableitbar. Die von ihm in diesem Zusammenhang behauptete Rechtsunsicherheit berührt nicht den Grundsatz der Chancengleichheit bei der Wahl. Abgesehen davon war die durch die kontroverse Behandlung des Abgeordnetengesetzes im Landtag zum Ausdruck gekommene Rechtsunsicherheit mit der Verabschiedung des Gesetzes beseitigt. Sie lebte allenfalls durch das vom Beschwerdeführer in Gang gesetzte Verfassungsbeschwerdeverfahren wieder auf. Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Verfahren können jedoch grundsätzlich nicht aus diesem Verfahren selbst abgeleitet werden.

33.

b) Das vom Beschwerdeführer gerügte Fehlen von gesetzlichen Regelungen gegen "arbeitsloses" Einkommen der Abgeordneten weist ebenfalls offensichtlich keinen Bezug zu den Wahlchancen des Beschwerdeführers auf. Selbst wenn der Beschwerdeführer seinen Hinweis auf das mögliche Fehlverhalten von einzelnen Abgeordneten substantiiert hätte, wäre noch nicht dargetan, daß sich dieses Verhalten nachteilig auf das passive Wahlrecht gerade des Beschwerdeführers ausgewirkt hätte oder auswirken könnte.

34.

c) Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer mit den §§ 21 Abs. 1 bis Abs. 4, 27 Abs. 2, 33 Abs. 1 AbgG Vorschriften angreift, die bestimmten anderen Abgeordneten - nämlich im wesentlichen solchen, die zugleich Minister oder Staatssekretäre sind, die Versorgungsansprüche aus einem Amtsverhältnis oder aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst haben oder die aus einem inkompatiblen Amt kommen und einen Anspruch auf einen Ausgleichsbetrag haben - nach seiner Ansicht unangemessene Entschädigungsleistungen gewähren. Zwar ist es unerheblich, daß der Beschwerdeführer insoweit mit der Verfassungsbeschwerde nicht für sich eine finanzielle Besserstellung erreichen möchte. Denn im Bereich der Wahlrechtsgleichheit kann ein Grundrechtsverstoß sowohl in einer ungerechtfertigten Benachteiligung eines Bewerbers als auch in der ungerechtfertigten Begünstigung eines "vergleichbaren Falles" liegen (BVerfGE 38, 326 (335)). Einen solchen "vergleichbaren Fall" in bezug auf seine Situation als Wahlbewerber hat der Beschwerdeführer jedoch nicht vorgetragen. Er versucht seine Betroffenheit mit dem Hinweis zu begründen, daß seine Chancen sowohl bei der Aufstellung als Kandidat für die Landtagswahlen durch seine Partei als auch im Wahlkampf dadurch verschlechtert würden, daß wegen der angegriffenen Regelungen unverhältnismäßig viele Bewerber um eine Kandidatur und unverhältnismäßig viele Wahlbewerber der anderen Parteien aus dem öffentlichen Dienst stammten. Bewerber aus dem öffentlichen Dienst hätten wegen eines vermeintlichen "Wissensvorsprungs" bessere Chancen bei der Kandidatenaufstellung und könnten - als Konkurrenten der anderen Parteien - wegen der Aussicht auf eine höhere Entschädigung mehr eigene finanzielle Mittel im Wahlkampf einsetzen als er.

35.

Mit diesem Vortrag hat der Beschwerdeführer keinen Eingriff in seine Rechtsposition als Wahlbewerber dargetan. Der Beschwerdeführer ist seit 1972 Mitglied des Landtages und seit 1973 Berufspolitiker. Er hat in seiner Partei und seiner Fraktion herausgehobene Positionen inne. Er hat nicht belegt, daß er bei der Kandidatenaufstellung seiner Partei im Jahre 1979 wegen eines angeblichen Wissensvorsprungs im "politikrelevanten Bereich" von Mitbewerbern aus dem öffentlichen Dienst um ein Wahlkreismandat einen Nachteil gehabt hat oder bei der nächsten Kandidatur haben könnte. Desgleichen verfängt nicht das Argument, seine Chancengleichheit bei der Wahl könnte durch erhöhten Einsatz persönlicher finanzieller Mittel konkurrierender Wahlbewerber, die als Abgeordnete in den Genuß der angegriffenen Regelungen kommen könnten, beeinträchtigt werden. Der Beschwerdeführer hat schon nichts dafür vorgetragen, daß Wahlbewerber anderer Parteien in seinem Wahlkreis überhaupt zu dem in diesem Sinne "privilegierten" Personenkreis gehört haben und inwiefern sich die von diesen Kandidaten eingesetzten Werbemittel nach Art und Höhe aus dem Durchschnitt des Einsatzes an Werbemitteln anderer Kandidaten der entsprechenden Partei herausgehoben haben. Außerdem genügt für die Annahme einer unmittelbaren eigenen Betroffenheit nicht der bloße Hinweis, daß der Beschwerdeführer einem Kandidaten einer anderen Partei gegenübergestanden haben oder gegenüberstehen könnte, der eine gegenüber seinem bisherigen Lebenszuschnitt nennenswerte Verbesserung durch die angegriffenen Normen zu erwarten hatte bzw. zu erwarten hat. Angesichts des Risikos vieler Wahlbewerber, nicht gewählt zu werden, ist es nicht ohne weiteres plausibel, daß sich ein möglicher "privilegierter" Konkurrent des Beschwerdeführers entschlossen haben oder entschließen könnte, im Vorgriff auf die nach dem Abgeordnetengesetz zu erwartende - nach Auffassung des Beschwerdeführers verfassungswidrig bessere - Einkommenssituation mit Eigenmitteln oder gegebenenfalls mit Krediten im Wahlkampf einen besonderen persönlichen Aufwand zu treiben.

36.

d) Soweit der Beschwerdeführer - ausgehend von der alternativen Annahme einer bloßen "Teilalimentation" durch die Entschädigungsregelung des § 5 Abs. 1 AbgG - auch § 5 Abs. 1 AbgG mit der (hilfsweisen) Begründung für verfassungswidrig hält, die Grundentschädigung müsse für ihn zu einer "Vollalimentation" aufgestockt werden, hat er eine Betroffenheit in seinem Grundrecht auf Wahlgleichheit ebenfalls nicht dargetan. Der Beschwerdeführer hat nicht die Absicht bekundet, die aus einer eventuellen Aufstockung der Grundentschädigung erlangten Eigenmittel im nächsten Wahlkampf zumindest teilweise für die Wahlwerbung zusätzlich einzusetzen. Eine solche Absicht liegt auch nicht nahe.

37.

3. Das vorstehend gefundene Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 38, 326 (335 f.); 40, 296 (310)). Das Bundesverfassungsgericht hat dort eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers bejaht, weil er eine sich bereits für die anstehende Wahl auswirkende Inkompatibilitätsregelung angegriffen hatte (BVerfGE 38, 326 (335 f.)) und auch noch im Zeitpunkt der Schlußentscheidung (BVerfGE 40, 296 (310)) gegen die damit unmittelbar zusammenhängende Entschädigungsregelung anging, von deren Aufhebung - die für ihn eine finanzielle Besserstellung gebracht hätte - er seine Kandidatur für die nächste Wahl abhängig machte.