Bundesgerichtshof
Urteil vom 14.12.1977
- VI ZR 251/73
-

 (weitere Fundstellen: NJW 1977, 628 ff.)

 

Tatbestand

1.

Die Kl. betreibt seit dem Jahre 1967 ein Abschlepp- und Mietwagenunternehmen. Ihr teilweise körperbehinderter Ehemann ist im Betrieb teils als Fahrer, teils im Innendienst tätig.

2.

Am 1.6.1972 ging gegen 22.56 Uhr bei der Notrufzentrale des Polizeipräsidiums folgender Anruf einer männlichen Person ein: "Ich bin B, 24 Jahre alt, der Sprengstoff wurde bereits überführt." Der Anruf sollte sich auf die für den 2.6.1972 angekündigten Bombenanschläge beziehen; ein B stand im Verdacht, der sogenannten Baader-Meinhof-Bande anzugehören und wurde polizeilich gesucht. Als Urheber des Anrufs wurde alsbald der Ehemann der Kl. festgestellt. Zu einem der ihn deshalb aufsuchenden Polizeibeamten sagte er: "Du mit Deinen langen Haaren, Du gehörst doch auch zu dieser Bande." Später behauptete er, volltrunken gewesen zu sein. Die Funk- und Notrufzentrale des Polizeipräsidiums der Bekl. führte eine Liste, in die jene Abschleppunternehmen eingetragen waren, die sich bereit erklärt hatten, auf polizeiliche Anforderung Fahrzeuge abzuschleppen. Zu diesem Unternehmen gehörte seit 1967 auch die Kl. Die Funk- und Notrufzentrale erteilte bzw. vermittelte den in der Liste eingetragenen Abschleppunternehmen im Bedarfsfall Abschleppaufträge, und zwar im Innenstadtbereich nach dem sogenannten Rundumverfahren, in den Außenbezirken nach dem "Nächstenprinzip". Mit Schreiben vom 6.6.1972 teilte das Polizeipräsidium der Kl. mit, daß sie mit sofortiger Wirkung von der Zuteilung von Abschleppaufträgen durch die Funk- und Notrufzentrale ausgeschlossen werde, weil der Polizei eine weitere Zusammenarbeit mit ihr nach dem Telefonanruf ihres Ehemanns nicht zugemutet werden könne. Auf 1.1.1973 wurde die bis dahin kommunale Polizei vom Land übernommen. Dieses hat am 11.1.1973 die Kl. wieder in die Liste der heranzuziehenden Abschleppunternehmer aufgenommen.

3.

Die Kl. verlangt von der bekl. Stadt Ersatz des ihr durch die zeitweise Auftragssperre entstandenen Schaden. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr stattgegeben. Die Revision der Bekl. hatte Erfolg.

 

Aus den Gründen:

 

C.

4.

I. Freilich kann die Revision nicht mit ihrer Meinung durchdringen, das BerGer. habe § 87 I des Baden-Württembergischen Polizeigesetzes i.d.F. v. 16.1.1968 (GBl 1968, 61 ff.) verletzt, wonach das Land vermögensrechtlich in die Rechte und Pflichten der Gemeinden eintritt, soweit deren Aufgaben aufgrund des Polizeigesetzes auf das Land übergehen.

5.

1. Die Übernahme der kommunalen Stuttgarter Polizei durch das Land Baden-Württemberg am 1.1.1973 hat die Passivlegitimation der Bekl. für Verbindlichkeiten aus der Zeit bis zum 31.12.1972 nicht beseitigt. § 87 BadWürttPG (§ 89 des Entwurfs, Verh. des LT Baden-Württemberg, 1. Wahlperiode Bd. 3 Beil.1360, S.1897) regelt in Anlehnung an die Art. 12 bis 14 des Württembergischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 16.12.1921 (RegBl 1922, 15) die bei der Neuorganisation notwendigen vermögensrechtlichen Veränderungen (Begründung S. 1919). Die Art. 12 bis 14 des Württembergischen Polizeigesetzes betrafen lediglich entsprechend § 87 II, III BadWürttPG den Eigentumsübergang von beweglichen Sachen und die Überlassung unbeweglicher Sachen an den Staat; ein allgemeiner Schuldübergang war nicht vorgesehen. Daß das Land nicht in alle Verbindlichkeiten der Gemeinde, deren Polizei übernommen wurde, eintreten wollte, läßt sich z.B. aus der Regelung des § 85 BadWürttPG entnehmen, wonach die Versorgung ehemaliger kommunaler Polizeibeamter ausdrücklich vom Land übernommen ist. Ähnliche Regelungen finden sich in anderen Landespolizeigesetzen (vgl. § 85 HessSOG, §§ 65 ff. NdsSOG, § 47 NRWPG; Art. 51 BayOrganisationsG behandelt nur den Eigentumsübergang von Sachen auf den Staat).

6.

Allerdings "darf unter normalen friedlichen Verhältnissen eine staatsrechtliche Veränderung innerhalb eines fortbestehenden Staates, sei sie Gebietsänderung oder Funktionsverschiebung, niemals zum Untergang bestehender Verbindlichkeiten führen" (Scheuner, in: Festschr. f. Nawiasky, 1956, S, 34; vgl. auch Kaja, Die Funktionsnachfolge, 1963, S. 109 f.). Dieser Grundsatz nötigt aber nicht dazu, auch in den Fällen, in denen der frühere Aufgabenträger fortbesteht, ohne ausdrückliche Regelung eine Haftung des Übernehmers für alte Verbindlichkeiten anzunehmen, denn dann bleibt dem Gläubiger der Schuldner im vollen Umfang erhalten. Demgemäß hat schon BGHZ 2, 209 (211) entschieden, daß die Haftung eines Gemeindeverbandes für Pflichtverletzung der in seinem Dienst stehenden Polizeibeamten durch den Übergang der Polizeigewalt auf die "Polizeiausschüsse" (so in der damaligen Britischen Zone) nicht berührt wird (vgl. dazu auch BGHZ 7, 75 [88]; RGRK, 11. Aufl., § 839 Anm. 16; Staudinger-Schäfer, BGB, 10./11. Aufl., § 839 Rdnr. 200).

7.

2. Auch soweit die Kl. noch für die Zeit nach Übernahme der Polizeiverwaltung durch das Land (1. bis 12.1.1973) von Abschleppaufträgen ausgeschlossen blieb, war dies mindestens auf die durch die Polizeiverwaltung der bekl. Stadt verfügte Ausschließung zurückzuführen, während es fraglich erscheint, ob dem Land eine noch frühere Revision dieser Entschließung hätte zugemutet werden können. Indessen bedarf all dies keiner Vertiefung, weil - wie sogleich auszuführen ist - die zeitweilige Ausschließung der Kl. den Vertretern und Bediensteten der Bekl. nach den Umständen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.

8.

II. 1. Das BerGer. geht … davon aus, daß der Klageanspruch nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist. Das ist zutreffend. Die Polizei der Bekl. mochte eine öffentliche Aufgabe zwar nicht nur insoweit erfüllen, als sie zur Ortsveränderung verkehrswidrig geparkter oder zur Sicherstellung verlassener oder verdächtiger Fahrzeuge selbst Abschleppaufträge erteilte; auch soweit sie im erteilten, unterstellten oder erwarteten Auftrag von Haltern nicht mehr fahrbereiter Unfallfahrzeuge Abschleppaufträge erteilte oder vermittelte, erfüllte sie ihre Amtspflicht, eine rasche Räumung des Verkehrsraums zu sichern und möglicherweise auch Eigentumsdelikten vorzubeugen. Daher mag ihre Tätigkeit den Haltern gegenüber regelmäßig hoheitlichen Charakter gehabt haben. Das ändert aber nichts daran, daß sie mit der Kl. zu diesem Zweck jeweils Geschäfte auf privatrechtlicher Grundlage abschloß bzw. vermittelte. Es handelte sich insoweit um die kommerzielle Beschaffung sachlicher und persönlicher Mittel (Dienstleistungen), die erst der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dienen sollten. Solche Beschaffungsgeschäfte unterstehen nach fast einhelliger Meinung ausschließlich den Regeln des Privatrechts (BGHZ 36, 91 [96] - Gummistrümpfe; Senat, NJW 1967, 1911 - Hausverbot; BVerwGE 5, 325 = NJW 1958 - Auftragssperre; vgl. ferner Daumann, DAR 1969, 317 ff.; Steckert, DVBl 1971, 246).

9.

Nichts anderes aber kann dann gelten, wenn Ansprüche daraus hergeleitet werden, daß die Vorenthaltung solcher gewerblicher Aufträge (trotz Fehlens einer vertraglichen Bindung) rechtswidrig gewesen sein soll (unrichtig OVG Münster, DVBl 1971, 115 m. abl. Anm. Bettermann). Die Liste, aus der die Kl. gestrichen worden ist, war für die Polizei nur ein Hilfsmittel für die jeweiligen Entscheidungen über privatrechtliche Abschleppaufträge, daher kann auch die Streichung aus der Liste nicht anders beurteilt werden (so BVerwG, DÖV 1973, 244 auf Revision gegen OVG Münster, DVBl 1971, 115; Senat, NJW 1967, 1911). Wenn der Polizeipräsident angeordnet hatte, die Erteilung von Abschleppaufträgen nicht willkürlich, sondern nach dem "Rundumverfahren" bzw. nach dem "Nächstenprinzip" vorzunehmen, so trug er damit nur dem Grundsatz Rechnung, daß die öffentliche Hand auch bei fiskalischem Handeln mehr als ein Privatmann an den Gleichheitssatz des Art. 3 GG gebunden bleibt (BGHZ 52, 325 [328] = NJW 1969, 2195 mit Nachw.; vgl. auch Soergel-Glaser, BGB, 10. Aufl., § 839 Rdnr. 113; BVerwG, DÖV 1973, 244; Senat, NJW 1967, 1911; BGHZ 36, 91 [96]).

10.

2. Dem BerGer. kann aber nicht gefolgt werden, soweit es auf dieser Grundlage eine Haftung der beklagten Stadt für das Verhalten ihres Polizeidirektors oder sonstiger Bediensteter, deren Tun ihr zuzurechnen ist (§ 823 mit §§ 89, 31 bzw. 831 BGB), bejaht.

11.

a) Insoweit führt das BerGer. aus: In der verhängten Auftragssperre liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kl. Dieser Betrieb sei durch die Notwendigkeit, den damals angestellten Fahrer zu entlassen und ein Mietfahrzeug zu verkaufen, in seinem Bestand gefährdet worden. Der Eingriff sei auch rechtswidrig gewesen. Dies begründet das BerGer. wie folgt: Die verfassungsrechtliche Wertordnung wirke auch auf das Privatrecht ein. Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) binde die öffentliche Verwaltung auch bei "fiskalischen Hilfsgeschäften". Die Polizeibehörde habe sich der Abschleppunternehmen zur Erfüllung der ihr obliegenden Verwaltungsaufgaben bedient. Daher sei sie nach der Fallgestaltung an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden gewesen ohne Rücksicht darauf, ob die in BGHZ 29, 76 = NJW 1959, 431 entwickelten Grundsätze zuträfen. Sie habe, soweit ersichtlich, alle Abschleppunternehmen, die einen entsprechenden Antrag gestellt und die sachlichen Voraussetzungen erfüllt hätten, in ihre Liste aufgenommen. Die Kl. habe nach rund 5 Jahren annehmen dürfen, daß sie von der Polizei nicht ohne sachlichen Grund von Abschleppaufträgen ausgeschlossen werde, zumal sie ihr Unternehmen mit erheblichem finanziellen Aufwand auf solche Aufträge ausgerichtet habe. Immerhin habe die Bekl. eine starke Marktposition innegehabt. Deshalb sei ihre Stellung nicht die gewesen, die der öffentlichen Verwaltung sonst bei den der Beschaffung dienenden fiskalischen Hilfsgeschäften zukomme. Soweit solche Hilfsgeschäfte auf einem bestimmten Markt oder für bestimmte Unternehmen von großer wirtschaftlicher Bedeutung seien, dürfe die öffentliche Verwaltung nicht willkürlich vorgehen. Gegen die daraus entspringende Pflicht zur Gleichbehandlung habe die Bekl. verstoßen; bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sei die Auftragssperre sachlich nicht geboten und gerechtfertigt gewesen. In diesem Zusammenhang wertet das BerGer. die für die Zeit vor dem 1.6.1972 von der Bekl. vorgetragenen Beanstandungen des Betriebs und gelangt dabei zu dem Ergebnis, daß ihnen weder einzeln noch insgesamt besonderes Gewicht zukomme. Keinen dieser Vorfälle habe denn auch die Bekl. zum Anlaß einer Streichung aus der Liste genommen. Auch bei anderen eingetragenen Abschleppunternehmen "werde" es gelegentlich "Pannen" geben. Daß die Kl. nachlässiger oder unzuverlässiger als die anderen gearbeitet habe, sei nicht festzustellen. Der "ausschlaggebende" Grund für das Vorgehen der Bekl. sei der Vorfall vom 1.6.1972 gewesen. Dieser sei aber für die Kl. selbst nicht voraussehbar und nicht von ihr verschuldet gewesen. Seine Wiederholung sei nach der Sachlage nicht zu befürchten. Die Bekl. stelle auch nicht darauf ab, daß die künftige, technisch-organisatorische Abwicklung von Aufträgen gefährdet sei, sondern meine, aufgrund des Vorfalls fehle die Vertrauensgrundlage für eine künftige Zusammenarbeit der Polizei mit der Kl.

12.

Das erscheint dem BerGer. jedoch nicht durchschlagend. Es erwägt die schwierige wirtschaftliche Lage der Kl., deren Ehemann infolge einer Erkrankung an Kinderlähmung berufsunfähig ist, und die mit der Auftragsentziehung zu gewärtigende Gefährdung ihrer Existenz. Es meint, es widerspräche der Rechtsordnung, im Sinne einer "Sippenhaft" jemanden für die Straftaten seiner Angehörigen verantwortlich zu machen. Daher erblickt es in dem Vorgehen der Bekl. eine mit Art. 6 und 20 GG unvereinbare "Sanktion"; es widerspräche auch dem Grundsatz, daß die Ahndung von Straftaten Sache des Strafverfahrens sei. Gerade die Träger der öffentlichen Verwaltung müßten dem Fehlverhalten eines Straftäters mit Nachsicht begegnen und dürften seine Wiedereingliederung nicht gefährden. Das BerGer. hält das Vorgehen der Polizeidirektion der Bekl. für fahrlässig. Diese habe sich auf keine vergleichbare Entscheidung oder Rechtsmeinung im Schrifttum berufen können. Es habe sich um komplexe Rechtsfragen gehandelt, die praktisch erst in letzter Instanz endgültig hätten entschieden werden können. Das Risiko einer solchen zweifelhaften Rechtslage dürfe, so führt es aus, der Schuldner nicht dem Gläubiger zuschieben. Auch die Tatsache, daß im Verfahren der einstweiligen Verfügung das LG im ersten Rechtszuge zugunsten der Bekl. entschieden hat, will das BerGer. nicht als Anhalt für die Vertretbarkeit der Rechtsmeinung der Polizeidirektion anerkennen. Bei unklarer Rechtslage müsse das Risiko der tragen, der "in Rechte Dritter eingreife".

13.

b) Diese Ausführungen beruhen in mehrfacher Hinsicht auf einer Verkennung der Sach- und Rechtslage.

14.

aa) Zwar mag davon ausgegangen werden, daß das Vorgehen der städtischen Polizei an sich den "offenen Tatbestand" des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kl. erfüllen und deshalb im Falle seiner - nicht indizierten - Rechtswidrigkeit und bei schuldhaftem Handeln eine Haftung gem. § 823 I BGB i.V. mit §§ 89, 31 bzw. 831 BGB hätte begründen können. Eine Haftung nach § 839 BGB scheidet hier ohnehin aus (RGZ 115, 257 [266]; BGH, MDR 1952, 674 [676]). Das BerGer. verkennt aber schon, daß die öffentliche Hand im fiskalischen Bereich, insbesondere bei sogenannten Beschaffungsgeschäften nach bürgerlichem Recht, grundsätzlich ebenso wie ein Privater das Recht der freien Auswahl des Geschäftspartners genießt (BGHZ 36, 91 [97]. Dies wird vor allem daraus deutlich, daß es in diesem Zusammenhang die Entscheidung BGHZ 29, 76 und BGHZ 52, 325 (328) heranzieht. In beiden Fällen ging es nämlich gerade darum, daß sich die öffentliche Hand zur unmittelbaren Erfüllung ihrer öffentlichrechtlichen Aufgaben (im ersten Falle: Beschaffung von Siedlungsland; im zweiten Falle: Bereitstellung von öffentlichen Verkehrsmitteln) privatrechtlicher Mittel bediente. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Soweit die Polizei für eigene oder fremde Rechnung Abschleppunternehmen heranzieht, erfüllt sie zwar, wie bemerkt, meist in anderer Richtung öffentliche Aufgaben; diese Aufgaben obliegen ihr aber nicht gegenüber dem Abschleppunternehmen, die von ihr zu Beschaffungszwecken nicht nur formell, sondern auch der Sache nach im Wege des kommerziellen Rechtsverkehrs in Anspruch genommen werden (vgl. auch Senat, VersR 1973, 818 [819]).

15.

Ein Unterschied zwischen Beschaffungsgeschäften der öffentlichen Hand einerseits und solchen eines Privatmanns andererseits mag freilich darin bestehen, daß dem Privatmann bei der Wahl seiner Geschäftspartner (von den Schranken des Kartellgesetzes abgesehen) im Zweifel nicht verboten ist, auch willkürlich zu verfahren und an sich sachfremde Tendenzen zu verfolgen. Demgegenüber sind für die öffentliche Hand auch im fiskalischen Bereich gewisse Bindungen und Schranken zu beachten, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten (Senat, NJW 1967, 1911 - Hausverbot m.w. Nachw.; Soergel-Glaser, § 839 Rdnr. 92; Staudinger-Schäfer, § 839 Rdnr. 334; Leisner, Grundrechte und PrivatR, 1960, S. 198 ff.; Bender, JuS 1962, 181; Zuleeg, NJW 1962, 2234; a.A. Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, 1963, S. 10 ff.; Maunz-Dürig, GG, Art. 1 III Rdnrn. 134 ff., 138). Können sich demnach für die öffentliche Hand auch insoweit Anforderungen ergeben, die über diejenigen des Kartellrechts hinausgehen, dann können doch jedenfalls nur willkürliche, d.h. mit dem Zweck der Beschaffung nicht zusammenhängende Beweggründe für die Ausschließung eines Bewerbers unstatthaft sein und daher einen rechtswidrigen Eingriff in dessen Gwerbebetrieb darstellen.

16.

bb) Hier zieht das BerGer. aber vor allem nicht erkennbar in Betracht, daß im vorliegenden Fall - der Heranziehung von Abschleppunternehmen durch die Polizei - ein strenger Auswahlmaßstab von der Sache her notwendig ist und daher auch rechtlich zulässig sein muß (insofern richtig auch OVG Münster, DVBl 1971, 115). Soweit die Polizei für die Halter oder Fahrer von bewegungsunfähigen oder derzeit unbemannten Fahrzeugen Abschleppunternehmen beauftragt oder vermittelt, mag ihre Rechtsstellung jenen gegenüber im einzelnen zweifelhaft sein (vgl. etwa Steckert, DVBl 1971, 317), eben weil insoweit eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird; sicher ist aber - und nur darauf kommt es im jetzigen Zusammenhang an -, daß ihre Sorgfaltspflicht gegenüber den Fahrzeugberechtigten jedenfalls nicht geringer sein kann als diejenigen eines zivilrechtlichen Beauftragten. In diesem Falle schuldet sie dem Geschäftsherrn die sorgfältige Auswahl eines geeigneten Abschleppunternehmens. Das bedeutet, daß sie von der Berücksichtigung eines Bewerbers auch schon dann Abstand nehmen muß, wenn ihr bekannte Umstände zu Bedenken gegenüber seiner Zuverlässigkeit immerhin Anlaß geben können, während ähnliche Bedenken bei einem Mitbewerber nicht ersichtlich sind. Sie hätte anderenfalls möglicherweise Schadensersatzansprüche des Geschäftsherrn zu gewärtigen; solche um des Gleichheitsgrundsatzes willen in Kauf zu nehmen kann der Polizeibehörde keinesfalls zugemutet werden. Nicht anders ist es, wo die Polizei das Abschleppunternehmen zunächst im eigenen Namen als Gehilfe bei hoheitlichen Eingriffen heranzieht. Hier kommt vor allem das gewaltsame Öffnen und Entfernen von Fahrzeugen in Abwesenheit des Berechtigten in Frage, wobei aus diesen Wagen häufig Ladung und Gebrauchsgegenstände des Berechtigten nicht zuvor entfernt worden sind. Daraus wird besonders deutlich, daß die Polizeibehörde die Pflicht hat, für solche Tätigkeiten nur Unternehmer heranzuziehen, deren Betrieb integer und vertrauenswürdig erscheint.

17.

c) Insgesamt scheint das BerGer. von der unrichtigen Meinung auszugehen, daß der Kl. aus der Eintragung in die Liste eine Rechtsposition erwachsen sei, die ihr erst hätte entzogen werden müssen. In Wirklichkeit konnte sich ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb der Kl. überhaupt erst daraus ergeben, daß sie böswillig oder wenigstens willkürlich übergangen wurde, wobei dieser Tatbestand von ihr zu beweisen wäre. Denn soweit es um die Haftung für einen Eingriff in den Gewerbebetrieb geht, ist es nicht Sache des Handelnden, einen besonderen Rechtfertigungsgrund darzutun (vgl. BGHZ 45, 296 [307] = NJW 1966, 1617). Von Willkür kann aber nicht gesprochen werden, wenn der Übergehung auch nur der nicht offensichtlich unbegründete Verdacht zugrunde liegt, daß der Unternehmer oder das von ihm eingesetzte Personal in fachlicher und charakterlicher Hinsicht nicht allen Anforderungen entspreche. Dabei ist es unerheblich, daß die Störung der Zusammenarbeit nicht von der Kl. ausging, sondern von ihrem Ehemann, der einen wesentlichen Einfluß auf den Betrieb der Kl. ausübt. Dies ergeben die Feststellungen des Ber.Ger., das aus ihnen aber nicht die nach Lage des Falles gebotenen Schlüsse gezogen hat. Kann oder will die Kl. seine Einflußnahme auf die Führung des Betriebs nicht ausschalten, muß sie selbst sich im Rechtssinne als unzuverlässig behandeln lassen (BVerwGE 9,  222). Da entgegen der Meinung des BerGer. weder die Entziehung eines Rechts noch eine "Sanktion" in Frage steht, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die den Verdacht der Unzuverlässigkeit begründenden Umstände von dem betroffenen Unternehmer verschuldet sind. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Umstände von dem Unternehmer selbst oder von seinen Bediensteten ausgehen. Dabei kann von einer "Sippenhaft" keine Rede sein. Die Kl. kann sich auch, da sie ersichtlich auf die Weiterarbeit ihres Ehemanns angewiesen ist, nicht auf das Urteil des BGH (NJW 1972, 1892) berufen. Schließlich ist unerheblich, ob der Unternehmer durch die Vorenthaltung der Aufträge mehr oder weniger betroffen wird, denn der Polizei kann nicht erlaubt sein, aus sozialen Erwägungen die Fahrzeughalter, denen ihre amtliche Sorgfaltspflicht gilt, mit einem Risiko zu belasten, das sie vermeiden kann. Das angefochtene Urteil kann aus all diesen Gründen keinen Bestand haben.

18.

III. Aufgrund des feststehenden Sachverhalts vermag das Revisionsgericht die anderweitige Entscheidung, soweit sie sich auf den Hauptantrag der Klage bezieht, selbst zu treffen (§ 565 III Nr. 1 ZPO). Dabei erweist sich die Klage deshalb als unbegründet, weil ein fehlsames Verhalten weder den verfassungsmäßig berufenen Vertretern der Bekl. (§ 89 I BGB) noch anderen Bediensteten (§ 831 BGB) vorgeworfen werden kann.

19.

1. Der Ehemann der Kl. spielte wie bereits bemerkt, in ihrem Betrieb eine erhebliche Rolle. Die Behauptung, er sei nur in untergeordnetem Umfang und mehr aus therapeutischen Erwägungen beschäftigt worden, wird durch die unstreitigen Umstände widerlegt. Er hat die Kl. nicht nur, wie sie einräumt, bei wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen beraten. Er hat auch … im wesentlichen Umfang für sie schriftliche und mündliche Verhandlungen mit Behörden geführt. Vor allem war der Ablauf des Betriebs insgesamt ohne seine Tätigkeit im Innen- und Außendienst nicht möglich. Im Betrieb war jeweils höchstens ein angestellter Fahrer tätig. Dabei war in einem Vorort noch eine "Zweigstelle" eröffnet worden, um über sie auch an im Außenbezirk anfallenden Abschleppaufträgen beteiligt zu werden.

20.

2. Bei der Entscheidung über den Ausschluß der Kl. von weiteren Aufträgen ergab sich aus den bei der Polizei geführten Akten … folgendes: Schon bei Aufnahme der Kl. in die Liste hatte sich aus der Persönlichkeit des erheblich vorbestraften Ehemanns Bedenken ergeben. Diese Vorstrafen, von denen die letzten zwei (wegen fahrlässiger Tötung im Verkehr und verbotenen Schußwaffengebrauchs) damals noch keine 3 Jahre zurücklagen, bezogen sich, obwohl die Strafen als solche - teilweise wegen Anwendung des Jugendstrafrechts - mäßig waren, auf verschiedenartige, meist vorsätzliche Straftaten. Schon im Jahre 1968 wurde der Ehemann wegen unerlaubten Betriebs einer Funkanlage angezeigt, was zu seiner Verurteilung führte. Aus Anlaß der Anzeige wurde die Kl. bereits damals vorübergehend von Aufträgen ausgeschlossen. Bei der Wiederzulassung wurde sie unter Hinweis auf die dies allein rechtfertigenden sozialen Erwägungen verwarnt. In der Folgezeit wurden verschiedentlich sachliche Beanstandungen der Tätigkeit des Unternehmens der Kl. aktenkundig gemacht. Noch im Februar 1972 hatten handgreifliche Auseinandersetzungen des Ehemanns mit Angehörigen eines benachbarten Konkurrenzbetriebs zu polizeilichen Ermittlungen und zu einer erneuten Verwarnung auch der Kl. geführt.

21.

Unter Hinzuziehung dieser Vorgeschichte mußte die Polizeidirektion der Bekl. darüber befinden, ob sie die Heranziehung der Kl. zu Abschleppaufträgen auch noch nach dem Vorfall vom 1.6.1972 verantworten konnte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die aktenkundigen Beanstandungen im einzelnen übertrieben waren, wie dies das BerGer. für möglich hält. Es konnte nämlich der Polizeidirektion jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wenn sie diese aktenkundige Vorgeschichte bei ihrer Entscheidung ohne Nachforschungen im einzelnen bewertete. Daß sie das tat, wird durch die Feststellung des BerGer. nicht berührt, daß die Straftat vom 1.6.1972 der "ausschlaggebende" Grund gewesen sei. Bei dieser Sachlage konnte die Polizeidirektion pflichtgemäß zu dem Ergebnis kommen, daß die neue Straftat die Persönlichkeit des Ehemanns als unzuverlässig kennzeichne und damit eine weitere Zusammenarbeit der Polizei mit dem Unternehmen der Kl. untunlich mache. Dann aber erscheint die Meinung des BerGer., daß darin eine schuldhafte Fehlbeurteilung liege, rechtlich nicht haltbar. Es konnte auch durchaus in Betracht gezogen werden, daß sich die verantwortungslose Straftat des Ehemanns gerade gegen die Polizei richtete. Abgesehen davon, daß eine gestörte Zusammenarbeit mit der Polizei sich nachteilig auf die sachliche Erledigung fernerer Aufträge auswirken konnte, handelt auch die öffentliche Hand, wenigstens soweit sie in der Wahl ihrer Geschäftspartner im Grundsatz frei ist, nicht unsachlich, wenn sie die Verbindung mit Unternehmen meider, von deren Bediensteten sie Anfeindungen zu gewärtigen hat, die über erlaubte Meinungsäußerungen hinausgehen (vgl. auch OVG Münster, DVBl 1971, DVBL Jahr 1971 Seite 115). Es kommt angesichts dessen nicht mehr darauf an, ob das BerGer. zu Recht der mit der Auffassung der Bekl. rechtlich übereinstimmenden erstinstanzlichen Entscheidung der Zivilkammer (also eines Kollegialgerichts) im Verfahren der einstweiligen Verfügung eine Hinweiswirkung für die Schuldlosigkeit der Bekl. (vgl. BGH, NJW 1962, 793; 1968, 2144) abgesprochen hat.

22.

3. Angesichts dessen war mindestens zunächst die alsbaldige Sperrung von Aufträgen für die Bekl. naheliegend und keinesfalls vorwerfbar.

23.

a) Es kann damit nur noch fraglich sein, ob die Bekl. gehalten gewesen wäre, die Kl. früher wieder zu Abschleppaufträgen heranzuziehen. Insoweit ist aber zunächst die unstreitige Tatsache zu würdigen, daß der Ehemann der Kl. nur zwei Wochen später wieder auffällig geworden ist: er rief in betrunkenem Zustand die Polizei zu Hilfe wegen eines Ehestreits, in dessen Verlauf mit einer Schußwaffe hantiert worden war. Auch aus diesem Vorfall konnte die Bekl. sehr wohl folgern, daß die Straftat vom 1.6.1972 keine einmalige Entgleisung des Ehemanns, sondern Ausdruck seiner charakterlichen Unzuverlässigkeit war; er wird übrigens von der Kl. selbst als psychisch gestört bezeichnet.

24.

b) Damit bleibt nur die Frage, ob die Bekl. auf das Angebot der Kl. hin, ihren Mann gänzlich von der Tätigkeit im Betrieb auszuschalten, gehalten gewesen wäre, sie alsbald wieder zu Aufträgen heranzuziehen. Auch das konnte sie indessen ablehnen, ohne daß ihr deshalb jedenfalls ein schuldhafter Rechtsirrtum zur Last fiele. Vordringlich war für sie die Amtspflicht der Polizei gegenüber den Fahrzeughaltern, die es gebot, nur zuverlässige Abschleppunternehmen heranzuziehen oder zu vermitteln, und von der Heranziehung solcher Unternehmer Abstand zu nehmen, auf die auch ein Privatmann in Kenntnis der der Bekl. ersichtlichen Umstände vorsichtshalber zu verzichten Anlaß haben konnte. Dabei unterlag die Polizei der Klägerin gegenüber nur dem Willkürverbot, das Ansprüche erst im Falle einer willkürlichen Übergehung auslösen konnte. Diese Rechtslage verkennt das BerGer., wenn es der Bekl. vorwirft, sie hätte vor einer endgültigen Klärung der Rechtslage nicht in das Rechtsgut der Kl. (den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb) "eingreifen" dürfen. Es war daher mindestens vertretbar, wenn es die Bekl. für richtig hielt, zunächst weiterhin von einer Inanspruchnahme der Kl. abzusehen, weil deren Betrieb derzeit wegen des Einflusses ihres Ehemannes nicht die erforderliche Zuverlässigkeit aufwies. Zu einer Vorleistung gegenüber der Kl. brauchte sie keinen Anlaß zu sehen - ganz abgesehen davon, daß deren Angebot mit Rücksicht auf die betrieblichen Gegebenheiten nur schwer durchführbar gewesen sein dürfte.